Emmy-Rundown #1: Comedy Series

Am Sonntag findet die diesjährige Emmy-Verleihung statt, dem wichtigsten Preis des amerikanischen Fernsehens. Im Gegensatz zu den Oscars gibt es hier nicht den EINEN Sieger, sondern in jedem Falle mehrere. Denn seit je her werden alle Serien sowie Fernsehfilme, die einer Auszeichnung würdig sind, in eine der folgenden Kategorien gepackt: Comedy, Drama, Miniseries oder Television Movie. Weil das viel Zeug auf einen Schlag ist, unterteile ich meine diesjährige Emmy-Analyse in exakt vier Teile und veröffentliche einen pro Tag.

Als Erstes steht auf dem Programm:

Outstanding Comedy Series

Nominiert sind:

The Big Bang Theory (Staffel 7)
Louie (Staffel 4)
Modern Family (Staffel 5)
Orange Is the New Black (Staffel 1)
Silicon Valley (Staffel 1)
Veep (Staffel 3)

The Big Bang Theory dürfte jene Serie sein, die am wenigsten erklärt werden muss. Die klassisch aufgebaute Sitcom rund um vier hoch intelligente Vollblutnerds und deren Freundinnen ist sowohl in Amerika als auch in Deutschland ungebrochen beliebt. Gleichwohl die Charakterentwicklung recht dünn ist, ist es erstaunlich, wie hoch und gut die Gagdichte auch nach all den Jahren noch ist. Genau genommen betrachte ich die siebte Staffel als die zweitbeste nach der glorreichen vierten. Zwar wirken Regie und Drehbücher immer noch dezent abgedroschen, was aber durch das Charisma des gesamten Casts komplett ausgeglichen wird.

Silicon Valley besitzt einige Gemeinsamkeiten mit The Big Bang Theory, denn auch hier geht es um eine Gruppe hochbegabter Nerds, die sich mehr mit Bits & Bytes anstatt Frauen & Socializing auskennen. Doch ansonsten ist der Ansatz ein völlig anderer und erinnert eher an Shows wie The Office/Stromberg: Ein junges Team ambitionierter Programmierer entwickelt einen besonders effizienten Packalgorithmus, der selbst komplexe Videodateien verlustfrei auf einen Bruchteil ihrer Größe staucht. Hin- und her gerissen zwischen diversen Angeboten mächtiger Konzerne, gründen sie lieber eine eigene Firma, ohne zu erahnen, welch ungeahnte Hürden sie in ihrem Vorhaben erwarten.

Ebenfalls The-Office-inspiriert ist Veep, in der Julia Louis-Dreyfuß eine fiktive amerikanische Vizepräsidentin spielt. Ihr Charakter schwankt stark zwischen liebenswert-tolpatischig und bösartig-zynisch. Immer noch enttäuscht von ihrer verpatzten Kandidatur für das höchste Amt Amerikas, lebt sie einerseits von ihrer nach außen hin freundlichen Ausstrahlung und leidet andererseits unter ihrem ununterdrückbaren Egoismus, der alles andere als “political correct“ ist.

Modern Family wiederum geht als vierfacher Sieger zum fünften Mal ins Emmy-Rennen und könnte somit den Rekord einstellen, den Frasier 1998 etablierte. Die Serie lebt weiterhin von ihren eigenwilligen Charakteren, die unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrer sexuellen Ausrichtung eine eingeschworene Großfamilie bilden. Im Gegensatz zu The Big Bang Theory ist die Entwicklung der Modern Family ein essentieller Bestandteil der Serie, speziell was das Heranwachsen der Kinder anbelangt.

Orange Is the New Black ist eine relativ neue Serie, die rein vom Konzept her zum originellsten gehört, was Amerika in den letzten zehn Jahre auf die Beine gestellt hat. Basierend auf dem gleichnamigen Buch erzählt sie die Geschichte von Piper, die für 15 Monate im Knast landet. Der harte Gefängnisalltag wird gemixt mit überspitzt dargestellten Insassen und obskurer Situationskomik, was alles in allem schwer an Weeds erinnert – kein Wunder, wenn die Serienerfinderin in beiden Fällen Jenji Kohan heißt.

Bleibt nur noch Louie von und mit Louie C.K. Halb autobiographisch, halb völlig abstrus erzählt der gebürtige Amerikaner Geschichten rund um sein Leben, bei denen die Grenzen zwischen Komödie und Drama vollends verschwimmen. Egal ob Louie eine neue Frau kennen lernt, sich mit seinen Nachbarn auseinander setzt oder sich um die Probleme seiner Töchter kümmern muss: Die Handlung wirkt zu 90% beängstigend authentisch und wird meist nur durch ein oder zwei völlig überzogene Elemente ins satirische gezogen.

Genau wie im letzten Jahr würde meine Stimme an Louie gehen. Keine andere Serie suggeriert mir derart glaubhaft, dass es hier um Menschen anstatt um Figuren oder Charaktere geht. Der Mix aus Real und Surreal ist und bleibt einmalig. Allerdings gehe ich weiterhin davon aus, dass mit dem Konzept leider kein Emmy zu gewinnen ist – jedenfalls nicht abseits der Drehbuchsparte. Louie leider wie keine andere Serie unter der strikten Kategorieneinteilung. Gerade die vierte Staffel ist teilweise derart dramatisch, dass in meinen Augen bei einer weitergehenden Entwicklung ein Wechsel in die Sparte “Outstanding Drama“ zu erwägen wäre.

Mit einem ähnlichen Problem kämpft Orange Is the New Black: Die Serie ist in der Tat frisch und die Idee dahinter mutig wie gewitzt. Aber während ich anfangs noch über die eine oder andere Situationskomik lachen konnte, wurde mir das Drama gegen Ende der Staffel eine Spur zu anstrengend. Zudem bin ich nicht so ganz einverstanden mit den “künstlerischen“ Freiheiten, die im Vergleich zur Buchvorlage genommen wurden: Der Konflikt mit Pipers Ehemann und die Entwicklung mit ihrer ehemaligen Loverin Alex riechen von hinten bis vorne konstruiert.

Viele Emmy-Experten tippen gleichwohl auf einen Sieg für Orange Is the New Black, jedoch wäre es wirklich das erste Mal, dass eine Serie, die dermaßen stark Comedy & Drama mixt, in dieser Kategorie gewinnt. Anders ausgedrückt: Die einzig siegreiche Serie, die Ansatzweise eine solche Mixtur zeigte, war Sex & the City… und das auch erst im dritten Anlauf.

Mein Emmy-Tipp geht deshalb in Richtung Veep. Warum? Weil keine der anderen etablierten Serien einen dermaßen großen Satz nach vorne gemacht hat. Während die ersten beiden Staffeln eher nach “One-Woman-Show“ rochen und die Handlung nie so richtig an Fahrt aufnahm, entwickelten die Drehbuchautoren für die dritte Staffel einen meisterhaften, übergreifend Plot, der für einige tolle Überraschungen gut genug ist. Ich behaupte sogar ganz frech, dass die Serie eine weitere Steigerung nicht mehr erreichen wird, jedenfalls nicht auf diesem Level.

Freilich könnte auch Modern Family den Sack zu machen, denn die Serie steht zwar qualitätstechnisch auf Stillstand, was aber den gemeinen Emmy-Wähler die letzten Jahre auch nicht gestört hat. Nicht falsch verstehen: Ich mag Modern Family nach wie vor, allein wegen Ty Burrell. Aber die Serie verliert von Staffel zu Staffel an Reiz, weil einfach die Frische abblättert. Ohne die gut durchdachte Charakterentwicklung der Kinder wäre sie nur noch halb so gut.

Während Silicon Valley durchaus gut gemacht ist und viel Potenzial für die nächsten Staffeln aufbaut, nimmt die Serie ganz klar die Außenseiterrolle bei der Emmy-Verleihung ein – praktisch genau wie Veep vor zwei Jahren, um ehrlich zu sein. Deshalb springe ich gleich über zu The Big Bang Theory, dem mutmaßlich “ewigen Verlierer“. Zwar sind Nominierungen in den Kategorien Regie und Drehbuch bei den Emmys weniger essentiell wichtig als bei den Oscars. Doch es ist schon bedenklich, dass die Serie auch in ihrem siebten Jahr eine solche verfehlt hat. Klar: Jim Parsons könnte das Ding zum vierten Mal als bester Hauprdarsteller einer Comedyserie abräumen und Mayim Bialik ist in meinen Augen mehr als überfällig. Aber die Serie ist einfach zu sehr “Sitcom“ – es gibt eben zu viele Fernsehliebhaber, die das „Lachen aus der Dose“ nicht mehr hören können.

Andererseits steckt hinter der klassischen Agenda bizarrerweise die einzige Chance für The Big Bang Theory: Wer eine altgediente Comedy-Serie möchte, die ohne Feinsinnigkeiten oder Dramen auskommt, der ist hier genau richtig aufgehoben. Zudem ist der Schnitt in solch Episoden wie “The Cooper Extraction“ absolut perfekt, was bei gut getimten Pointen immens wichtig ist. Warum ich dieses Detail erwähn? Weil eben der besagte Schnitt den Emmy bereits letzten Sonntag im Rahmen der Creative Arts Zeremonie abgeräumt hat – und das ist der Serie vorher auch noch nie gelungen.

Abschließend noch ein paar Kommentare zu den anderen Kategorien: Nach Sichtung aller nominierten Episoden für die beste Regie und das beste Drehbuch sollte der eine Emmy an Orange Is the New Black und der andere an Veep gehen. Ersteres profitiert von einer nicht ganz unbekannten Regisseurin namens Jodie Foster. Und in der Tat ist es bei der Emmy-Verleihung nicht unüblich, dass der Preis für “Oustanding Direction“ in der Tat an den “berühmtesten Namen“ geht – fragt mal Scorseses, Fincher, Soderbergh oder Sonnenfeld. Der Drehbuch-Tipp hingegen ist aus dem Bauch heraus und eng gekoppelt mit meiner Mutmaßung bezüglich der besten Serie.

Bei den Schauspielern muss ich wiederum mehr raten und mich auf Vorhersagen “anderer“ Experten verlassen, weil ich ich hier nicht alle Nominierungen gesehen habe. Eine wichtige Sache ist bei diesen Kategorien zu beachten: Jeder Schauspieler wird für EINE Folge, die er selbst eingereicht hat, nominiert – und NICHT für die gesamte Staffel. D.h. eine Topleistung kann reichen, um zu siegen. Meine Tipps sind entsprechend alle etwas willkürlich, mit Ausnahme von Julia Louis-Dreyfus, die Serien übergreifend derzeit der King of Comedy ist.

Oustanding Comedy Series

Will Win: Veep
Could Win: Modern Family
My Vote: Louie

Personal Ranking:

1. Louie
2. Veep
3. The Big Bang Theory
4. Orange Is the New Black
5. Modern Family
6. Silicon Valley

Outstanding Directing

Will Win: Orange Is the New Black
Could Win: Modern Family
My Vote: Louie

Outstanding Writing

Will Win: Veep
Could Win: Orange Is the New Black
My Vote: Orange Is the New Black

Outstanding Lead Actor

Will Win: Jim Parsons (The Big Bang Theory)
Could Win: Ricky Gervais (Derek)
My Vote: Louis C.K. (Louie)

Outstanding Lead Actress

Will Win: Julia Louis-Dreyfus (Veep)
Could Win: Taylor Schilling (Orange Is the New Black)
My Vote: Julia Louis-Dreyfus (Veep)

Outstanding Supporting Actor

Will Win: Andre Braughter (Brooklyn Nine-Nine)
Could Win: Jesse Tyler Ferguson (Modern Family)
My Vote: Jesse Tyler Ferguson (Modern Family)

Outstanding Supporting Actress

Will Win: Kate Mulgrew (Orange Is the New Black)
Could Win: Allison Janney (Mom)
My Vote: Mayim Bialik (The Big Bang Theory)

Links zu allen Blogeinträgen über die diesjährige Emmy-Verleihung:

1. Emmy-Nominierungen 2013/2014
2. Emmy-Rundown #1: Comedy Series
3. Emmy-Rundown #2: Television Movies
4. Emmy-Rundown #3: Miniseries
5. Emmy-Rundown #4: Drama Series