Emmy-Rundown #4: Drama Series

Das Beste zum Schluss: Immer mehr Serienjunkies behaupten, TV, HBO & Co. habe die Klasse des Kinos längst überholt. Und wer nur über die Namen der nominierten Drama Series schaut und darüber hinaus erörtert, was alles den Sprung verpasst hat, der möchte der Theorie bereits beipflichten.

Outstanding Drama Series

Nominiert sind:

Breaking Bad (Staffel 5, Teil 2)
Downton Abbey (Staffel 4 & The London Season)
Game of Thrones (Staffel 4)
House of Cards (Staffel 2)
Mad Men (Staffel 7, Teil 1)
True Detective (Staffel 1)

Junge, junge, wo fange ich da bloß an? Das eine so erstklassige und nahezu fehlerfrei inszenierte Serie wie Mad Men inzwischen das vermeintliche Schlusslicht bildet? Nein, das klingt unfair: Mad Men ist auch im siebten Jahr ein Musterbeispiel dafür, wie man eine Epoche aus der Vergangenheit atmosphärisch gekonnt umsetzt.

Das beste Beispiel ist die jüngste Folge, in der Neil Armstrong seinen Fuß auf die Mondoberfläche setzt und ganz Amerika wie gebannt vor dem Fernseher sitzt. Obwohl es für uns 45 Jahre her ist und viele Serienjunkies anno 1969 nicht einmal geboren waren, vermittelt Mad Men wunderbar, wie es sich angefühlt haben muss, einem solch weltbewegenden Ereignis beigewohnt zu haben. Es ist das große Geheimnis von Mad Men: Anstatt abstruser Storystränge oder überzogener Charakterentwicklung strotzt die Serie vor Authentizität und Glaubwürdigkeit.

Auch Downton Abbey beschäftigt sich mit der Vergangenheit und vermittelt mir als Zuschauer wunderbar das Gefühl einer Ära, in der ich nie gelebt habe. 1924 werden die Crawleys weniger hart wie die Jahre zuvor vom Schicksal getroffen, was auch gut so ist – denn der Cliffhanger der dritten Staffel hängt immer noch jedem Fan im Hals stecken. Dafür konzentriert sich das Drama auf die Bediensteten, allen voran John und Anna May Bates.

Die beiden symbolisieren meiner Meinung nach die große Stärke der vierten Staffel und zeigen damit zum wiederholten Male, warum Downton Abbey so gut ist: Die Serie schafft es wie keine zweite, Liebesgeschichten packend und mitfühlend zu gestalten, ohne dabei zu einer Schnulze zu verkommen. Es wirkt einfach ehrlich.

House of Cards ist im Prinzip das glatte Gegenteil, wenn bereits die Prämisse uns derart nötigt, das Böse zu sympathisieren. Ich als Zuschauer bin vollends zerrissen, denn eigentlich will ich keinen korrupten Politiker, der durch Verrat und Mord das Präsidentenamt erlangt. Aber Kevin Spacey ist die perfekte Besetzung für die amerikanisierte Version einer britischen Kultserie, weshalb ich mich seinem dunklen Charisma nicht entziehen kann.

Gleichwohl bin ich persönlich mit der zweiten Staffel nicht ganz so zufrieden wie mit der ersten. Grund dafür sind ein paar Ungereimtheiten bei der Storyentwicklung und das Ende der ersten Folge, bei dem mir allen Ernstes schlecht wurde. Sprich: DAS war mir eine Nummer zu hart. Aber all das ist vergessen mit der Schlussszene der letzten Folge, wenn Kevin Spacey uns in jedweder Hinsicht wachrüttelt. Mir ist kaum mehr von der zweiten Staffel von House of Cards im Gedächtnis geblieben – aber vermutlich braucht es das gar nicht.

Korruption und Verrat sind auch in Game of Thrones allgegenwärtige Attribute. Nachdem ich gewaltige Probleme mit der dritten Staffel und gerade mit der sonst so hochgelobten “Red Wedding“ Szene hatte (die der zugehörigen Folge eine sagenhafte 9,9 Wertung auf IMDB einbrachte), bin ich mit der diesjährigen Fortsetzung wieder im Einklang. Ich bestehe nicht auf Schwarzweißmalerei, Heldentum und Happyends, aber ich brauchte endlich so etwas wie eine Genugtuung. Die erhielt ich in diesem Jahr, als immerhin ein paar der übelsten Schurken der TV-Geschichte ihre verdiente Strafe bekamen.

Von einer völlig unnötigen Schädel-Zerquetsch-Szene abgesehen, halte ich auch die Art der Gewaltdarstellung für angebracht. In der Hinsicht bewegt sich Game of Thrones gut und gerne jenseits des erträglichen Geschmacks. Man solle mich nicht falsch verstehen: Es ist alles nur ein “Film“, nur eine “Geschichte“. Aber manchmal erzielt weniger auch mehr und daran sollten die Produzenten von Game of Thrones bitte öfters denken. Ansonsten bewegt sich der epische Kampf der Königreicher aus meiner Sicht wieder in die richtige Richtung.

Während bis hierhin alle benannten Serien bereits für alle (!) vorhergehenden Staffeln für einen Emmy nominiert waren, ist True Detective der neue Star am HBO-Himmel. Obwohl die Geschichte rund um zwei Detectives, die über Jahrzehnte einer Serie von Ritualmorden nachgehen, im Grunde keine neuen Akzente zeigt und auf bewährte Mechanismen setzt, wird sie von vielen als ein neues Nonplusultra gefeiert. Ähnlich wie in Mad Men ist es schwer, Fehler oder Ungereimtheiten zu finden. Es hat einfach Hand und Fuß, was sich Autor Nic Pizzolatto und Director Cary Joji Fukunaga ausgedacht und auf acht Episoden gespannt haben.

Zudem lebt die Serie von zwei Hauptdarstellern, die in meinen Augen die gesamte Konkurrenz deklassieren. Matthew McConaugheys Charakter ist dank seiner nihilistischen Züge, seiner Drogensucht und seiner Bürde, Vater einer verstorbenen kleinen Tochter zu sein, bereits auf dem Papier eine Showbühne für schauspielerische Größe, weshalb sein Emmy als der sicherste des morgigen abends gilt. Trotzdem würde meine Stimme an Woody Harrelson gehen: Seine Rolle als gescheiterter Ehemann und verzweifelter Verfechter einer konservativen Doppelmoral ist in meinen Augen viel schwieriger zu spielen gewesen, weil die Besonderheiten seines Charakters im Gegensatz zu dem von McConaughey tief im Innersten versteckt liegen. Trotzdem zeugen beide von einer ähnlichen Komplexität und Vielschichtigkeit.

Doch was sind all die lobende Worte wert, wenn es am Ende nur den einen geben kann. Auch wenn es bereits fast ein Jahr her ist, so ist es immer noch die Sensation des amerikanischen Fernsehens der jüngeren Vergangenheit gewesen: das Finale von Breaking Bad. So viele große Serien haben so derb viel versprochen – oft endeten sie in der Zerrissenheit der Fans, die gespalten wie Demokraten gegen Republikaner reagierten. Aber die Einigkeit über die Genialität der letzten drei Breaking Bad-Folgen ist selbst mir unheimlich.

Ozymandias gilt bereits jetzt als Synonym für das perfekte Drehbuch. Die Folge hält auf IMDB eine unglaubliche, wie eigentlich nie für möglich gehaltene 10 von 10 Punkten. Jede offene Frage wurde gelöst und jede offene Rechnung beglichen. Vielleicht noch nie zuvor hat eine auf mehrere Jahre angelegte Serie es geschafft so gut zu enden. Und dabei gehöre ich persönlich nicht einmal zu den Über-Fans von Heisenberg & Co.

Ohne True Detective würde Breaking Bad morgen abräumen ohne Reue – so müssen sich die beiden Meister des TV-Jahrgangs 2013/2014 die großen Brocken teilen. Sollte Breaking Bad in der Tat verlieren, dann eigentlich nur aus dem einen, bereits genannten Grund: Es ist fast ein Jahr her, als die letzten Folgen liefen. Um genau zu sein war es zur Zeit der letztjährigen Emmy-Verleihung, in der die Serie erstmals als Gesamtes ausgezeichnet wurde. Und ich habe damals gemutmaßt, dass der Lohn vielleicht nicht nur auf den nominierten Episoden beruhte. Was, wenn einige Emmy-Wähler die Serie auch aufgrund des parallel zur Verleihung laufenden Finales ankreuzten? Die dürften ihre Stimme in diesem Jahr einem der Konkurrenten geben.

Noch ein paar Worte zu den anderen Kategorien: Ich weiß, die berühmte 6-Minuten-Szene der vierten Episode von True Detective ist Fukunagas Ticket für seinen Emmy-Gewinn als bester Regisseur. Aber persönlich hat mich die jüngste Episode von Boardwalk Empire (einer Serie, mit der ich eigentlich recht wenig etwas anfangen kann) zutiefst berührt. Das Ende ist glorreich durchdacht, hervorragend geschnitten und würdigt vortrefflich einen der markantesten Charaktere (mehr darf ich aufgrund der Spoiler-Gefahr nicht preis geben).

Die Drehbuchkategorie ist ganz fest in der Hand von Breaking Bad, egal welche der nominierten Episoden gewinnt. Dafür dürfen die Schauspieler (mit Ausnahme von McConaughey) bis zur Minute der Bekanntgabe zittern. Speziell bei den Hauptdarstellerinnen gab es selten ein so enges und spannendes Rennen, weil es für alle nominierte Damen ein Gewinnszenario gibt. Leider fehlt mir gerade hier aufgrund der mangelnden Zeit die persönliche Seherfahrung, weil ich nur ein Drittel der berücksichtigten Leistungen angeschaut habe.

Wer selbst “raten“ und “mitfiebern“ möchte, dem sei noch einmal gesagt, dass die Schauspieler nur für EINE Episode nominiert sind, die sie SELBST zu Nominierungszwecken eingereicht haben! So verlor Julianna Margulies mutmaßlich für die erste Staffel von The Good Wife, weil sie trotz einer Saison übergreifenden Glanzleistung eine vergleichsweise schwache Episode bewarb. In diesem Jahr ist mir keine ähnliche Fehlwahl bekannt – jedoch könnten Leute wie beispielsweise Peter Dinklage von der Prozedur profitieren, weil sich deren Brillanz bereits durch eine gut gewählte Episode beweisen lässt.

Outstanding Drama Series

Will win: Breaking Bad
Could win: True Detective
My vote: Breaking Bad

Personal Ranking:

1.Breaking Bad
2.True Detective
3.Game of Thrones
4.Downton Abbey
5.House of Cards
6.Mad Men

Outstanding Directing

Will win: True Detective: Who Goes There
Could win: Breaking Bad: Felina
My vote: Boardwalk Empire: Farewell Daddy Blues

Outstanding Writing

Will win: Breaking Bad: Ozymandias
Could win: Breaking Bad: Felina
My vote: Breaking Bad: Ozymandias

Outstanding Lead Actor

Will win: Matthew McConaughey (True Detective: Form and Void)
Could win: Bryan Cranston (Breaking Bad: Ozymandias)
My vote: Woody Harrelson (True Detective: The Locked Room)

Outstanding Lead Actress

Will win: Robin Wright (House of Cards: Chapter 26)
Could win: Julianna Margulies (The Good Wife: The Last Call)
My vote: Robin Wright (House of Cards: Chapter 26)

Outstanding Supporting Actor

Will win: Aaron Paul (Breaking Bad: Confessions)
Could win: Josh Charles (The Good Wife: Hitting the Fan)
My vote: Peter Dinklage (Game of Thrones: The Laws of Gods and Men)

Outstanding Supporting Actress

Will win: Anna Gunn (Breaking Bad: Ozymandias)
Could win: Joanne Froggatt (Downton Abbey: Episode Four)
My vote: Anna Gunn (Breaking Bad: Ozymandias)

Links zu allen Blogeinträgen über die diesjährige Emmy-Verleihung:

1. Emmy-Nominierungen 2013/2014
2. Emmy-Rundown #1: Comedy Series
3. Emmy-Rundown #2: Television Movies
4. Emmy-Rundown #3: Miniseries
5. Emmy-Rundown #4: Drama Series