Oscar-Analyse: Beste Kamera & Beste Visuelle Effekte

Beste Kamera

Wär ich faul, dann könnte ich die folgende Oscar-Analyse mit einem Satz abschließen: Gegenüber Birdman stinkt jede andere Kameraarbeit des Jahrgangs 2014 nach Pipi. Nun, ich mag gerade nicht faul sein…

Ida

Ida vertraut der Macht der Schwarz-Weiß-Technik und war für den weniger versierten Oscarwatcher eine der “Überraschungen“ am Nominierungsmittag. Doch wer die letzten Jahre im Hinterkopf hat, der weiß, dass die Wahlberechtigten in dieser Kategorie ein Faible für farblose Kunst haben – siehe The Artist oder Das weiße Band.

Nun ist Ida gut fotografiert und aufgrund des 4:3 Formats der Thematik entsprechend beklemmend. Aber wirklich vom Hocker gehauen hat mich ehrlich gesagt keine der Einstellungen – das war beim just erwähnten Weißen Band von Michael Haneke jedenfalls anders. Insofern ist in meinen Augen nur die Kunst zu honorieren, einen Schwarz-Weiß-Film passend für die heutige Zeit zu präsentieren.

The Grand Budapest Hotel

Bedeutend mehr Lob gibt es von meiner Seite für The Grand Budapest Hotel – allein dafür, dass es überhaupt mal ein Werk von Regisseur Wes Anderson in diese Gruppe geschafft hat. Viele der Einstellungen sind statisch und starr: Sie zeigen einzelne Räume und zentrale Figuren schön symmetrisch wie übersichtlich angeordnet, wie in einem Mini-Kubrick.

Kamerafahrten sind eher selten, aber aufgrund ihrer Schlichtheit umso effektiver. Allein die geschickten Seitwärtsbewegungen vermitteln bereits für sich einen grotesken, comichaften Effekt, der den Comedy-Anteil von The Grand Budapest Hotel verstärkt.

Mr. Turner

Klassischer und bodenständiger kommt Mr. Turner daher. Das heißt: Für ein Kostümfilm ist die Kameraarbeit relativ matt anstatt knallig-bunt. Nichtsdestotrotz bekommt ihr ein paar eindrucksvolle Bilder zu Gesicht, allen voran der malerische Sonnenaufgang zu Beginn des Filmes. Aber unterm Strich gibt es für meine Begriffe zu wenige solcher grandiosen Bilder, die in Erinnerung bleiben. In meinen Augen sind es eher die Kostüme und die Ausstattung, die das Flair des 19. Jahrhunderts einfangen.

Unbroken

Unbroken trägt ein ähnliches Problem mit sich: Die ersten fünfzehn Minuten konnten mich noch aufgrund der packend gefilmten Kampfeinstellungen mitreißen, danach verlor der Film Szene für Szene an Reiz, was die reine Bildgewalt anbelangt. Nicht falsch verstehen: Roger Deakins ist einer der größten Kameravirtuosen seiner Generation und längst überfällig für einen Oscar. Jedoch wäre es ein Jammer, wenn er ihn ausgerechnet für Unbroken bekäme.

Es fehlt nicht nur an Highlights, sondern vor allem an Originalität: Deakins hat uns bereits so viele wundervolle Bilder gezeigt, weshalb es für ihn immer schwerer wird, uns mit etwas Neuem zu beeindrucken.

Birdman

Emanuel Lubezski mangelt es hingegen nicht an neuen Ideen: Für mich ist er der beste Kameramann, den es je gegeben hat – dazu muss ich nur auf The Tree of Life und Gravity verweisen, die beide in ihrer Realisation nicht unterschiedlicher sein könnten und in ihrem jeweiligen Bereich die Konkurrenz deklassieren. Und jetzt schenkt Lubezski mit Birdman nach, einem Film, der fast vollständig ohne sichtbaren Schnitt auskommt.

Neben hochklassigen Kamerafahrten und prächtigen Einstellungen sind es vor allem die Überleitungen, die mich sprachlos machen. Sie sind nicht nur originell, sondern machen das von Regisseur Inarritu gewünschte Theater-Gefühl komplett. Und mehr Lob kann ein Kameramann gar nicht bekommen, wenn ein Film aufgrund seiner Arbeit die angepeilte Perfektion erreicht. Eine Tugend, die mich perfide an Gravity erinnert…

1. Birdman
2. The Grand Budapest Hotel
3. Mr. Turner
4. Unbroken
5. Ida

Beste visuelle Effekte

Die zweite Kategorie, über die ich hier und heute sprechen müsste, war in den letzten Jahren eng mit der Kameraarbeit verknüpft – zumindest wenn es nach der Academy of Motion Picture Arts and Sciences ging. Denn seit 2009 wurden beide Preise immer an den gleichen Film vergeben (Avatar, Inception, Hugo, Life of Pi, Gravity). Doch diesmal ist ein solcher Doppelpack nicht möglich, weil es nämlich keinen Film gibt, der 2014 für beide Statuetten nominiert ist.

Interstellar

Genau genommen gibt es nur einen einzigen Film, der für mehr als zwei Oscars berücksichtigt wurde und im Rennen um die besten visuellen Effekte mit dabei ist: Interstellar. Wird er deshalb gewinnen? Ich vermute es, denn der Film an sich dürfte auch derjenige sein, der für die meisten Academy-Mitglieder thematisch betrachtet von Interesse ist.

In der Tat ist Interstellar wie jeder Film von Christopher Nolan ein echter Hingucker. Dabei sind gerade die Szenen im Weltraum alles andere als auf Hochglanz poliert, sondern vermitteln eher den Eindruck einer leicht griseligen Fernsehübertragung. Genau das vermittelt der Geschichte ihre Authentizität – erst recht wenn das Wurmloch derart genial aussieht. Einzig die TARS-Einheit gefällt mir weniger: Das Ding mag zwar praktisch-nützlich sein, ist aber einfach nur klobig und hässlich.

Guardians of the Galaxy

Wer es bunter und verspielter mag, der kommt um Guardians of the Galaxy nicht herum. Der Film sprüht nur so vor Farben und abenteuerlichen Wesen, die mich an die TV-Serie Farscape erinnern. Doch wo damals mit Puppen hantiert wurde, ist hier freilich alles gerendert und per Computer animiert. Nehmt dazu noch satt viele Effekte und ihr habt einen typisch-modernen Meister der visuellen Effekte.

Guardians of the Galaxy ist überdies für das beste Makeup nominiert und ich denke auch, dass der Film dort mehr Chancen hat. Denn die visuellen Effekte sind zwar fesch, aber der Film wirkt alles in allem recht künstlich und eine Spur zu überzogen.

X-Men: Zukunft ist Vergangenheit

Kein Witz: Das hier ist der erste X-Men Film, der überhaupt IRGENDEINE Oscar-Nominierung erhalten hat. Über 95% des Filmes fragt man sich dann auch, warum gerade dieser Teil die Ehre erhielt – und dabei unter anderem den letzten Hobbit aus dem Boot kickte. Die verbleibenden fünf Prozent beziehen sich auf eine Schlüsselszene, in der Evan Peters Charakter Quicksilver praktisch die Zeit anhält und allerlei Unsinn anstellt. Das Ergebnis ist nicht nur originell und gewitzt, sondern optisch mehr als beeindruckend. Aber ob eine brillante VFX-Szene allein für einen Oscar reicht?

The Return of the First Avenger

Der eigentliche Kopfkratzer der Nominierungsliste ist The Return of the First Avenger. Erneut sind die visuellen Effekte gut und fachgerecht – aber so was hat man schon tausendfach in anderen Marvel-Umsetzungen gesehen. Der Film ist am ehesten für Liebhaber der Pyrotechnik gedacht – d.h. zumindest in der Theorie, denn die vielen Explosionen werden sicherlich am Computer entstanden sein.

Und wer weiß: Vielleicht fallen uns deshalb die vergleichsweise “unspektakulären“ Effekte weniger auf, weil sie so nahtlos in die “Realität“ eingebunden wurden? Insofern ist diese Nominierung dann doch einiges wert und könnte ihre Liebhaber unter der Academy finden.

Planet der Affen Revolution

Wäre die Welt gerecht, dann müsste es jedenfalls der Planet der Affen Revolution machen – doch bereits der Vorgänger verlor vor drei Jahren gegen Hugo. Und warum? Weil letztgenannter Film ein Best-Picture-Kandidat war und ein solcher immer gewinnt… eine Statistik, die traurigerweise nur einmal anno 1970 gebrochen wurde, als Tora! Tora! Tora! gegenüber Patton obsiegte.

Diesmal ist kein solches Hindernis in Sicht, weshalb es die unglaublich realistisch aussehende Mensch-zu-Affen-Transformation sogar schaffen könnte. Zwar sieht das Ergebnis etwas künstlicher aus als im Falle des Vorgängers – aber das liegt eher am Setting, welches aufgrund der unvermeidlichen Storyentwicklung ein ganzes Stückchen utopischer ist.

Das Hauptproblem ist eher, dass nun einige Wähler denken könnten: „Hm, das gab’s ja schon vor drei Jahren in gleicher Qualität – wieso sollten wir jetzt für diese “Wiederholung“ den Oscar rausrücken?“. Einfache Antwort: Weil ihr es damals nicht getan habt…

1. Planet der Affen Revolution
2. Interstellar
3. Guardians of the Galaxy
4. The Return of the First Avenger
5. X-Men: Zukunft ist Vergangenheit