Oscar-Analyse: Beste Regie

Beste Regie ist die wichtigste Auszeichnung abseits Bester Film. Warum? Weil hier der Mann oder die Frau honoriert wird, die hinter der eigentlichen Ausführung steckt. Oft gehen beide Preise Hand in Hand und werden an den gleichen Film vergeben – doch manchmal gibt es eben diesen feinen, kleinen Unterschied, der einen sogenannten “Split” rechtfertigt.

Richard Linklater (Boyhood)

Und während ich bezüglich “Bester Film 2014” noch uneins bin, so steht mein persönlicher Gewinner für die beste Regiearbeit bereits seit August fest. Boyhood wäre ein gewöhnlicher Film, wenn Richard Linklater nicht auf diese wahnsinnige Idee gekommen wäre, über 12 Jahre lang das Heranwachsen eines Jungen vom Kind zum Mann zu drehen und den Stoff auf drei Stunden zu komprimieren.

Es bedarf nicht nur enorm viel Weitsicht bezüglich des Drehbuchs, sondern unglaublichen Mut, ein solches Vorhaben durchzuziehen. Das dann am Ende auch noch ein Film herausspringt, der in Punkto Glaubwürdigkeit und Wirkung einen deutlichen Unterschied ausmacht, als wenn er auf “gewöhnliche” Weise enstanden wäre, war alles andere als selbstredend. Aber Boyhood funktioniert einfach – aufgrund der Idee, der Umsetzung und dem Willen, daran festzuhalten.

Alejandro González Iñárritu (Birdman)

Der einzige Auteur, der ansatzweise an diese Leistung heranreicht, ist Alejandro González Iñárritu. Seine Vision über Birdman geht weit über das One-Take-Gimmick hinaus. Er hat sein eigenes Drehbuch und die vielen Schichten, die darin enthalten sind, auf eine herausragende Weise geordnet und auf Zelloloid gebannt. Die nahtlosen Übergänge von einer Szene zur anderen sind genauso sein Verdienst, wie die hervorragende schauspielerische Arbeit, für deren Leitung er verantwortlich war.

Ähnlich wie im Falle von Boyhood sehe ich in Birdman einen Film, den Iñárritu tief in seinem Herzen getragen haben muss und der in genau der Form, wie er sie sich gewünscht hat, realisiert wurde. Ich sehe keine Kompromisse und keine Eingeständnisse. Gleichzeitig bietet der Film oberflächlich betrachtet leichte Unterhaltung, im Kern eine trickreich versteckte Tiefe und obendrauf das Gefühl, einmalig zu sein. Solch ein Win-Win-Win-Szenario schaffen nur die wenigsten Regisseure.

Wes Anderson (The Grand Budapest Hotel)

Boyhood und Birdman mögen klar über allem anderen stehen, was 2014 die Welt der Kinoleinwand bevölkert hat. Aber das soll beileibe nicht die Arbeit des Runner-Ups schmälern, der da heißt: Wes Anderson. Ich bin bereits seit Jahren ein großer Fan seiner quirkigen Komödien, die einfach “anders” sind. Mit The Grand Budapest Hotel hat er sich selbst übertroffen und seinen Stil auf die Spitze getrieben.

The Grand Budapest Hotel wirkt aufgrund des skurilen Settings eine ganze Ecke einmaliger, als alles was Anderson zuvor geschaffen hat. Hinzu schafft es kein anderer Auteur so gut, berühmte Schauspieler auf überzogen dargestellte Stereotypen zu reduzieren und trotzdem den Zuschauer nicht zu langweilen, sondern ganz im Gegenteil zu amüsieren. Was sicherlich geholfen haben dürfte, ist die Verpflichtung von Ralph Fiennes als Concierge Monsieur Gustave H: Nur Anderson ist in der Lage, einen solch als seriös bekannten Mimen auf eine der brillantesten Comicfiguren der Filmhistorie zu reduzieren.

Morten Tyldum (The Imitation Game)

In aller Regelmäßigkeit ploppt am Tag der Nominierungen ein Name auf, der allgemein für Missmut sorgt. In der Tat riecht Morten Tyldums Erwähnung eher nach “der Film war beliebt” anstatt “seine Regie war außergewöhnlich”. The Imitation Game lebt eher von seinem Drehbuch und allgemein der tragischen Hintergrundgeschichte Alan Turings.

Tyldum macht bei der Umsetzung keine nennenswerten Fehler, verpasst aber, der Geschichte seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Einzig die Zeitsprünge funktionieren auffallend gut und lassen den Zuschauer ohne Zweifel darin, welche Szene in welcher Dekade spielt. Von dieser Leistung abgesehen gibt es jedoch in meinen Augen keinen Grund, Tyldum für seine Arbeit einen Oscar auszuhändigen.

Bennett Miller (Foxcatcher)

Ich werde noch einen Artikel über Foxcatcher nachreichen, weil der Film eine besondere Anomalie bezüglich der Oscar-Verleihung darstellt. Er wurde schließlich für einige sehr wichtige Preise nominiert und hat es trotzdem verpasst, in die Best-Picture-Riege aufgenommen zu werden – und das obwohl dort bis zu zehn Kandidaten möglich gewesen wären.

So oder so war Millers Nominierung die größte Überraschung, da er abseits seines frühen Sieges in Cannes nirgends sonst für seine Regiearbeit gewürdigt wurde. Ohne die Werke von Eastwood, DuVernay oder Chazelle gesehen zu haben, kann ich rein auf Foxcatcher blickend den Regisseuren der Academy-Mitglieder für ihre Wahl nur gratulieren. Der Film ist wahrlich nicht jedermans Sache, aber Miller packt einige sehr schöne Kniffe aus, den unattraktiven Stoff fachgerecht zu verarbeiten. Zudem kitzelt er speziell aus Steve Carrell oder Channing Tatum herausragende Leistungen, die man den beiden Herren in dieser Form nie zugetraut hätte.

Zu guter Letzt kann man Ringersport halten, was man will: Die Wettkampfszenen sind sehr gut choreographiert und suggerieren selbst mir als Laie, wieso da jetzt der eine gewonnen und der andere verloren hat. Und wer einmal bei solch einer Disziplin in Olympia reingeschaltet hat, der weiß, dass das alles andere als selbstverständlich ist…

  1. Richard Linklater (Boyhood)
  2. Alejandro González Iñárritu (Birdman)
  3. Wes Anderson (The Grand Budapest Hotel)
  4. Bennett Miller (Foxcatcher)
  5. Morten Tyldum (The Imitation Game)