Bester Film
In einem gewöhnlichen Jahr sind die Zeichen klar gesetzt. Im Normalfall gibt es einen klaren Favoriten und einen, vielleicht zwei Verfolger. Doch glaubt man den Oscarbloggern, dann ist 2017 kein gewöhnliches Filmjahr. Demzufolge geistern selbst Stunden vor der Verleihung fünf Titel durch das Internet, die ernsthaft gewinnen könnten: Lady Bird, Get Out, Dunkirk, The Shape of Water und Three Billboards Outside Ebbing, Missouri.
Lady Bird gewinnt, wenn die #MeToo-Bewegung innerhalb der Academy noch höhere Wellen geschlagen hat als alle vermuten. Ein Coming-of-Age-Film einer jungen Frau, gedreht von einer Frau und geschrieben von einer Frau – vor ein paar Jahren hätte der Film vermutlich nicht mal Nominierungen für Best Picture oder gar Best Director eingeheimst. Doch Great Gerwigs Geschichte, inspiriert von ihrem eigenen Leben, trifft zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Nerv.
Get Out gewinnt, wenn ein großer Anteil der Academy auf den sozialkritische Aspekt setzt und Jordan Peele für die Kinosensation 2017 belohnen will. Allein das der Film über ein Jahr nach seiner Veröffentlichung ernsthafte Chancen auf den Preis aller Preise hat, spricht Bände – und erinnert Oscar-Experten an Das Schweigen der Lämmer. Zudem hat er gestern mit dem Independent Spirit Award sowie dem Writer Guild Award exakt die gleichen Auszeichnungen erhalten wie ein Jahr zuvor Moonlight.
The Shape of Water gewinnt, wenn die Academy endlich mal wieder einen visuell beeindruckenden Film würdigen möchte und ausnahmsweise nicht so viel Wert auf die Gewichtung der Schauspieler legt. Statistisch gesehen sprechen der Sieg des Producer Guild Award, Director Guild Award und Critics Choice Award für Guillermo Del Toros Film.
Three Billboards Outside Ebbing, Missouri gewinnt, wenn die Academy sich kaum verändert hat, nach wie vor auf hohe Schauspielkunst setzt und dem Beispiel von BAFTA sowie Golden Globe folgt. Wenn sie eine Geschichte auszeichnen möchte, die fern ab von jedem Schwarz-Weiß-Denken lebt.
Und Dunkirk gewinnt, wenn die eben genannten Kandidaten zu wenige Erst- und Zweitstimmen erhalten und auf den folgenden Rängen der bereits ausgeschlossenen Filme eben Christopher Nolans Kriegsdrama steht.
Lady Bird gewinnt nicht, weil dem Film viele entscheidende Nominierungen fehlen (darunter für Schnitt oder überhaupt irgendeine technische Kategorie), er bei den BAFTAs sehr schlecht weggekommen und kein einziger Gildenpreis herausgesprungen ist.
Get Out gewinnt nicht, weil auch hier viele wichtige Nominierungen fehlen (d.h. die gleichen wie bei Lady Bird), Genre-Filme stets einen schweren Stand in der Academy haben und abseits des Writer Guild Awards auch hier viel zu viele Gildennominierungen ins Leere verlaufen sind.
The Shape of Water gewinnt nicht, weil der Film von seiner Art her überhaupt nicht nach Best Picture riecht, es schon bei den BAFTAs nicht geklappt hat (trotz führender Nominierungsanzahl) und diese vermaledeite Nominierung für das beste Schauspieler-Ensemble der Screen Actor Gilde fehlt – ein statistisch enorm mächtiges Hindernis, dass bislang nur Braveheart überwinden konnte.
Three Billboards Outside Ebbing, Missouri gewinnt nicht, weil der Film tatsächlich so umstritten ist, wie es das Internet vermutet, und die Nicht-Nominerung für die beste Regie mehr als nur Pech aufgrund der großen Konkurrenz war.
Dunkirk gewinnt nicht, wenn die Academy nach wie vor Wert auf ein tolles Drehbuch legt und mehr oder weniger improvisierten Geschichten keine Beachtung schenken möchte.
Aus diesen Argumenten schließe ich: Three Billboards Outside Ebbing, Missouri macht’s. Der Film wird vom europäischen Block der Academy gepusht (siehe Golden Globes und BAFTA), ist wohl doch nicht so umstritten wie von vielen gedacht und die fehlende Regie-Nominierung fällt in dieser Zeit nicht mehr so sehr ins Gewicht, weil seit einigen Jahren das Drehbuch eine stärkere Bedeutung hat.
Ich gehe sogar noch weiter: Sollte Martin McDonagh den Drehbuchoscar gewinnen, dann steht der Sieger fest. Mehr dazu weiter unten.
The Shape of Water ist gleichwohl ein sehr ernstzunehmender Kandidat, allein weil dieser dämliche Screen-Actor-Ensemble-Fluch mal brechen muss. Der Film hat bereits den Segen der Produzenten und der Regisseure, zudem Guillermo Del Toro fast sicher den Regie-Preis einheimst. Auch hier gilt: Sollte er zudem für das Drehbuch gewinnen (was allerdings sehr, sehr unwahrscheinlich ist), dann ist das Rennen gelaufen.
Und auch wenn es nach Wunschdenken riecht: Get Out ist nicht völlig vom Tisch und könnte dank des präferenziellen Wahlsystems sogar Best Picture ohne einen weiteren Oscar gewinnen. Wie bereits argumentiert: Es muss einen Grund geben, warum Jordan Peeles Horror-Drama-Thriller-Dokumentar-Komödie immer noch so viel Beachtung erhält. Zudem stört ihn keine negative Kampagne, während Three Billboards gegen den Vorwurf des Rassismus und The Shape of Water gegen den des Plagiarismus kämpft.
Front-runner: Three Billboards Outside Ebbing, Missouri
Runner-up: The Shape of Water, Get Out
My vote: Get Out
Missing: Baby Driver
Personal Ranking
1. Get Out
2. Lady Bird
3. Phantom Thread (Der seidene Faden)
4. Call Me By Your Name
5. Dunkirk
6. The Shape of Water
7. Three Billboards Outside Ebbing, Missouri
8. The Post
9. Darkest Hour (Die dunkelste Stunde)
Beste Regie
Während Best Picture in der Luft hängt, ist Guillermo Del Toro der Regiepreis nahezu sicher. Er hat wirklich alles relevante gewonnen, darunter den Golden Globe, den BAFTA, den Critics Choice Award und vor allem den Dircetor Guild Award. Auch wenn er bei mir am Ende des Fünferfeldes steht (was an einzelnen Szenen liegt, die mich bei jedem Film von Del Toro aufregen), so ist die visuelle Umsetzung ganz im Trend von anderen Oscar-Siegern der letzten Jahre – siehe Ang Lees Life of Pi Alfonso Cuarons Gravity oder Damien Chazelles La La Land.
Der einzige Spoiler, den ich derzeit sehe, ist NICHT Christopher Nolan, sondern Jordan Peele: Sein unvergleichlicher Genre-Mix wird sicherlich einige Stimmen auf sich ziehen und ich verstehe sowieso nicht, wieso Universal Pictures hier keine Kampagne á la “Der erste afroamerikanische Regiegewinner” gefahren hat.
Front-runner: Guillermo Del Toro (The Shape of Water)
Runner-up: Jordan Peele (Get Out)
My vote: Jordan Peele (Get Out)
Missing: Luca Guadagnino (Call Me By Your Name)
Personal Ranking
1. Jordan Peele (Get Out)
2. Paul Thomas Anderson (Phantom Thread (Der seidene Faden))
3. Christopher Nolan (Dunkirk)
4. Greta Gerwig (Lady Bird)
5. Guillermo Del Toro (The Shape of Water)
Bester Hauptdarsteller
Es passiert inzwischen eher selten, aber so manchmal klappt es dann doch: den geplanten Oscarsieg. Gary Oldmans Leistung als Winston Churchill schreit gerade nach Academy Award und das in mehrfacher Hinsicht. Die Academy liebt Umsetzungen realer Persönlichkeiten und sie verehrt Transformationen jedweder Art. Oldman ist nirgends mehr in seinem Churchill wieder zu erkennen – und darüber hinaus einer der beliebtesten Schauspieler, die noch nie gewonnen haben.
Dazu passend ist sein stärkster Konkurrent Timothée Chalamet viel zu jung für einen Best-Actor-Oscar – er würde den derzeitigen Rekordhalter Adrian Brody um mehr als sieben Jahre (!) schlagen.
Front-runner: Gary Oldman (Darkest Hour (Die dunkelste Stunde))
Runner-up: Timothée Chalamet (Call Me By Your Name)
My vote: Gary Oldman (Darkest Hour (Die dunkelste Stunde))
Missing: James Franco (The Disaster Artist)
Personal Ranking
1. Gary Oldman (Darkest Hour (Die dunkelste Stunde))
2. Timothée Chalamet (Call Me By Your Name)
3. Daniel Kaluuya (Get Out)
4. Daniel Day-Lewis (Phantom Thread (Der seidene Faden))
5. Denzel Washington (Roman Israel, Esq)
Beste Hauptdarstellerin
Frances McDormand hat bereits einen Oscar, aber ihre Leistung in Three Billboards Outside Ebbing, Missouri ist derart dominant, weshalb ihr der zweite praktisch sicher ist. Selbst ich, der den Film nicht ganz so spektakulär empfand und ein sehr großer Fan ihrer Konkurrentin Saorise Ronan ist, würde sie für ihre Hasserfüllte Gefühls-Tour-de-Force ohne Reue wählen.
Front-runner: Frances McDormand (Three Billboards Outside Ebbing, Missouri)
Runner-up: Saoirse Ronan (Lady Bird)
My vote: Frances McDormand (Three Billboards Outside Ebbing, Missouri)
Missing: Michelle Williams (All the Money in the World)
Personal Ranking
1. Frances McDormand (Three Billboards Outside Ebbing, Missouri)
2. Saoirse Ronan (Lady Bird)
3. Margot Robbie (I, Tonya)
4. Sally Hawkins (The Shape of Water)
5. Meryl Streep (The Post)
Bester Nebendarsteller
Eigentlich hatte ich Christopher Plummers Nominierung für All the Money in the World als eine reine #MeToo-Reaktion gesehen – beziehungsweise als eine gesonderte Belohnung, dass ein 88 Jahre alter Mann derart kurzfristig eine so hochkarätige Rolle ersetzen kann.
Aber ganz ehrlich? Dürfte ich wählen, ich würde gar seinen Namen für den Oscar ankreuzen. Man spürt regelrecht, wie er sein eigenes Ding durchzieht und Paul Getty in einen herrlich alten Drecksack verwandelt, ohne an Stil zu verlieren.
Für die Oscar-Verleihung ist der Sack allerdings zu, denn da kommt niemand an Sam Rockwell vorbei. Der Junge hat ebenfalls alles wichtige gewonnen: Golden Globe, Critics Choice, Screen Actor, BAFTA. Mehr geht nicht. Und bitte wundert euch nicht, dass ich dieses Argument hier und heute mehrfach wiederhole. Doch was die Schauspieler anbelangt, ist das Rennen bereits seit Mitte Januar gelaufen.
Front-runner: Sam Rockwell (Three Billboards Outside Ebbing, Missouri)
Runner-up: Willem Dafoe (Florida Project)
My vote: Christopher Plummer (All the Money in the World)
Missing: Patrick Stewart (Logan)
Personal Ranking
1. Christopher Plummer (All the Money in the World)
2. Sam Rockwell (Three Billboards Outside Ebbing, Missouri)
3. Woody Harrelson (Three Billboards Outside Ebbing, Missouri)
4. Willem Dafoe (Florida Project)
5. Richard Jenkins (The Shape of Water)
Beste Nebendarstellerin
Das hier wird für mich der schmerzlichste Moment sein, denn bei aller Liebe zu Allison Janney: Ich verstehe nicht, wieso sie und nicht Laurie Metcalf den Golden Globe, den Screen Actor, den BAFTA und den Golden Globe gewonnen hat.
Ich meine: Janney ist nicht schlecht und mimt eine typisch fiese Antagonisten-Mutter, mit der sie in jeder Szene eindrucksvoll auffällt. Aber es ist eine Schwarz-Weiß-Rolle, während Metcalf sowohl die größere Herausforderung als mal liebende, mal motzende Mutter hat und diese auch um Welten besser bewältigt.
Aber wie bereits gesagt: Janney hat wirklich alles im Vorfeld gewonnen, was in Richtung Oscar-Verleihung schielt, und es wäre eine kleine Sensation, wenn es doch noch Metcalf schafft.
Front-runner: Allison Janney (I, Tonya)
Runner-up: Laurie Metcalf (Lady Bird)
My vote: Laurie Metcalf (Lady Bird)
Missing: Catherine Keener (Get Out)
Personal Ranking
1. Laurie Metcalf (Lady Bird)
2. Lesley Manville (Phantom Thread (Der seidene Faden))
3. Allison Janney (I, Tonya)
4. Octavia Spencer (The Shape of Water)
5. Mary J. Blige (Mudbound)
Bestes Originaldrehbuch
Die Killerkategorie des Abends und der Vorzeigebote schlechthin, wer am Ende “Best Picture” abräumen könnte. Von den fünf nominierten Filmen hat einer leichte und drei sehr ernsthafte Gewinnchancen.
Sollte The Shape of Water siegen, dann könnt ihr den Fernseher bezüglich Best Picture ausschalten: Dann ist Guillermo Del Toros modernes Märchen nicht mehr zu bremsen.
Sollte Three Billboards Outside Ebbing, Missouri gewinnen, dann können Fans von Martin McDonagh ebenfalls ernsthaft träumen – trotz der fehlenden Regienominierung.
Sollte Get Out oder Lady Bird gewinnen, dann bleibt es bis zur letzten Sekunde hochspannend.
Ich gehe mit meinem Tipp auf Nummer sicher, werde aber bei Get Out durch die Decke gehen. Und die Chancen, dass die Academy Jordan Peele irgendwo und irgendwie auszeichnen möchte, sind nicht von der Hand zu weisen….
Front-runner: Three Billboards Outside Ebbing, Missouri
Runner-up: Get Out
My vote: Get Out
Missing: The Square
Personal Ranking
1. Get Out
2. Lady Bird
3. Three Billboards Outside Ebbing, Missouri
4. The Shape of Water
5. The Big Sick
Bestes adaptiertes Drehbuch
Meine Güte, was ist das denn für eine Mickerkategorie? Nur ein Best-Picture-Kandidat? Und abseits davon solch Sachen wie The Disaster Artist? Oder Logan, eine Superheldenverfilmung (wenn auch ein außer- wie ungewöhnliche)?
Nun denn, so soll das hier wenigstes James Ivorys lang verdienter Oscar sein. Dreimal zuvor war er als Regisseur nominiert (von Zimmer mit Aussicht bis Was vom Tage übrig blieb), nie hatte er eine Chance auf den Sieg. Jetzt ist er als Drehbuchautor tätig gewesen und wäre mit 88 Jahren der älteste Gewinner eines Oscars (Ehrenpreise ausgeklammert).
Ebenfalls hilfreich: Sein größter Konkurrent ist Aaron Sorkin… und der ist bei der Academy bislang gar nicht mal so beliebt, wenn man allein die vielen nicht nominierten Drehbücher für A Few Good Men oder Steve Jobs in Betracht zieht.
Front-runner: Call Me By Your Name
Runner-up: Molly’s Game
My vote: Molly’s Game
Personal Ranking
1. Molly’s Game
2. Call Me By Your Name
3. The Disaster Artist
4. Logan
5. Mudbound
Bester Filmschnitt
Der beste Filmschnitt hängt sehr eng mit Best Picture zusammen – weshalb es umso ungewöhnlicher ist, dass mit Baby Driver sowie I, Tonya zwei kleine Favoriten um den Preis kämpfen, die eben nicht für Best Picture nominiert sind.
Aber auch wenn in einer fairen Welt Edgar Wrights Roadmovie locker gewinnen müsste (so wie bei den BAFTAs, nebenbei erwähnt), so dürfte hier kein Weg an Lee Smith vorbeigehen. Schließlich hat der Mann für Dunkirk drei Zeitebenen gestemmt, die stimmig parallel laufen müssen.
Front-runner: Dunkirk
Runner-up: Baby Driver
My vote: Baby Driver
Missing: Get Out
Personal Ranking
1. Baby Driver
2. Dunkirk
3. I, Tonya
4. Three Billboards Outside Ebbing, Missouri
5. The Shape of Water
Bester Tonschnitt
Es ist nie verkehrt, den Unterschied zwischen Tonschnitt und Tonabmischung zu erklären: Der Tonschnitt zeichnet die Effekte aus, die (mutmaßlich künstlich) für den Film erstellt und hineingeschnitten wurden.
In der Hinsicht hat mich ein Film dieses Jahr wahrlich umgehauen: Jedes Mal, wenn in The Shape of Water eine Waffe abgefeuert wurde, ging der Ton bei mir direkt unter die Haut. Genau so müssen laute und regelecht weckende Schüsse klingen, damit sie die richtige Wirkung erzielen.
Bei der Academy wiederum sind hier entweder wuchtige Kriegsfilme (ergo Dunkirk) oder exotische Science-Fiction-Streifen (siehe Blade Runner 2049) beliebt, die in der Tat auch beide sehr stark sind und entsprechend das Rennen um den Oscar machen.
Front-runner: Dunkirk
Runner-up: Blade Runner 2049
My vote: The Shape of Water
Personal Ranking
1. The Shape of Water
2. Baby Driver
3. Dunkirk
4. Blade Runner 2049
5. Star Wars: The Last Jedi (Star Wars: Die letzten Jedi)
Beste Tonabmischung
Da mache ich keinen Hehl draus: Die beste Einzelleistung eines Filmes aus dem Jahrgang 2017 ist Baby Drivers Millisekunden perfekt getimte Tonabmischung. Sie sollte auf ewig als Lehrbeispiel dienen, was mit dieser kryptischen Bezeichnung gemeint ist: die korrekte Abmischung der einzelnen Tonspuren, egal ob Sprache, Effekte oder Musik. Es muss die Lautstärke stimmen, nichts darf übersteuert sein und der Fokus muss je nach Bedarf von Aspekt zu Aspekt wechseln.
Baby Driver ist deshalb so bastardig stark, weil es neben den üblichen Elemente wie die Stimmen der Schauspieler oder die Hintergrundgeräusche auch noch die ungewöhnliche Rolle der Musik berücksichtigen muss. In den entscheidenden Szenen hört der Protagonist sie via Kopfhörer, weshalb sie für den Zuschauer richtig laut und richtig dominant sein muss. Sie darf aber auch nicht alles andere übertönen, weil ansonsten die Szene zu weit von der Glaubwürdigkeit abdriften würde.
Es ist jedenfalls ein Jammer, dass Baby Driver vermutlich keine Chance hat – weil ein Film ohne Best-Picture-Nominerung hat es hier nun mal richtig schwer. Deshalb wird es dann genau beim Tonschnitt der typische Kriegsfilm und der heißt in diesem Jahr Dunkirk.
Ach ja, ein Wort zum nicht-nominierten Get Out: Allein die gesamte Sunken-Place-Szene hätte dem Film diese Oscar-Nominierung sichern müssen. Ich sag nur Löffel und Tasse…
Front-runner: Dunkirk
Runner-up: Baby Driver
My vote: Baby Driver
Missing: Get Out
Personal Ranking
1. Baby Driver
2. Baby Driver
3. Baby Driver
4. Baby Driver
5. Baby Driver
6. Dunkirk
7. The Shape of Water
8. Star Wars: The Last Jedi (Star Wars: Die letzten Jedi)
9. Blade Runner 2049
Beste Filmmusik
Mit Verlaub: Meine Lieblingskategorie ist in diesem Jahr stinklangweilig. Allein die Nominierung von Star Wars: The Last Jedi ist haarsträubend uninspirierend, weil die einzige Szene, in der John Williams Musik wirklich auffällt, mit einer alten Komposition begeistert. Und, nein: Ich hätte auch nicht The Post nominiert, ein weiteres 08/15-Beispiel einer Legende, die leider auch nicht jünger wird.
Three Billboards Outside Ebbing, Missouri hat zumindest ein stimmiges Hauptthema und Dunkirk zählt zu zu den typischen Hans-Zimmer-Krach-Wumms-Werken, bei dem er diesmal in meinen Ohren dann doch etwas zu weit vom Komponieren weg ist und eher eine lautstarke Effektkulisse abliefert.
Bleiben noch Jonny Greenwoods Phantom Thread und Alexandre Desplats The Shape of Water, die den anderen drei Konkurrenten um Welten voraus sind. Greenwood schafft es tatsächlich, mit einem klassischen Dauergedudel zu gefallen, während Desplats französisch angehauchte Mundharmonika-Pfeif-Kombination die Atmosphäre des Filmes bis zum äußersten Rand dehnt und deshalb zurecht gewinnen wird.
Front-runner: The Shape of Water
Runner-up: Phantom Thread (Der seidene Faden)
My vote: The Shape of Water
Missing: Darkest Hour (Die dunkelste Stunde)
Personal Ranking
1. The Shape of Water
2. Phantom Thread (Der seidene Faden)
3. Dunkirk
4. Three Billboards Outside Ebbing, Missouri
5. Star Wars: The Last Jedi (Star Wars: Die letzten Jedi)
Bester Song
Diese Kategorie regt mich auf und zwar aus zwei Gründen: Zum einen hätte ich kein Problem mit einem Sieg für The Greatest Showman, wenn doch nur irgendein anderes Land als das überzogen-kitschige This is me nominiert wäre. Zum anderen will es nicht in meinen Kopf, wieso Mystery of Love aus Call Me By Your Name nicht mit einem kilometerweiten Abstand der haushohe Favorit ist. Dieses majestätisch-magisch komponierte, instrumentierte sowie getextete Lied klatscht die 08/15-klingende Konkurrenz gegen drei Wände hintereinander.
Front-runner: This is me (The Greatest Showman)
Runner-up: Remember Me (Coco)
My vote: Mystery of Love (Call Me By Your Name)
Missing: Never Enough (The Greatest Showman)
Personal Ranking
1. Mystery of Love (Call Me By Your Name)
2. Remember Me (Coco)
3. This is me (The Greatest Showman)
4. Mighty River (Mudbound)
5. Stand Up for Something (Marshall)
Beste Kamera
Alle Oscarwatcher und Filmfanatiker blicken mal wieder auf diese Kategorie: Wird Roger Deakins endlich seinen Oscar gewinnen? Beim 14ten (!) Anlauf? Der Mann hat bereits so viele Preise gewonnen, aber noch nie einen Academy Award. So oft galt er als Favorit (The Man Tho Wasn’t There, True Grit), doch stets scheiterte er an einem “hübscheren” Film wie Life of Pi oder Der Herr der Ringe.
Immerhin hat Deakins bereits alle wichtigen Preise für Blade Runner 2049 eingeheimst und tatsächlich ist es auch die beste Kameraleistung des Jahres. Allein die Regenszenen sind unvergleichlich.
Doch ich befürchte: Es wird wieder nichts. Denn erneut lauert ein Film im Hintergrund, der im Gesamtpaket mehr Showwert hat und unterm Strich „hübscher“ ist: The Shape of Water. Und wenn die Academy komplett auf der #MeToo-Welle reitet, dann achtet auf Mudbound: Rachel Morrison ist die erste Frau überhaupt, die für die Beste Kamera nominiert ist – wieso also nicht gleich den Gewinn obendrauf packen?
Front-runner: The Shape of Water
Runner-up: Blade Runner 2049
My vote: Blade Runner 2049
Missing: Call Me By Your Name
Personal Ranking
1. Blade Runner 2049
2. Dunkirk
3. The Shape of Water
4. Darkest Hour (Die dunkelste Stunde)
5. Mudbound
Bestes Produktonsdesign
Egal wie weit The Shape of Water kommt, zwei Oscars sind praktisch sicher: Regie und Ausstattung. Letztere ist auch hochgradig verdient, weil kein anderer Film eine derart volle und lebendige Kulisse vorzuweisen hat. Allein die Farbkomposition ist sensationell atmosphärisch und eine satte Hommage an Jean-Pierre Jeunet oder Terry Gilliam. Nur in besser und in stilvoller.
Gegen das dick ausgestattete Appartment und die detaillierten Laborräume haben auch die ausschweifenden Bauten von Blade Runner 2049 oder das kunterbunte Schloss aus Die Schöne und das Biest keine Chance.
Front-runner: The Shape of Water
Runner-up: Blade Runner 2049
My vote: The Shape of Water
Missing: The Post
Personal Ranking
1. The Shape of Water
2. Blade Runner 2049
3. Beauty and the Biest (Die Schöne und das Biest))
4. Darkest Hour (Die dunkelste Stunde)
5. Dunkirk
Beste Kostüme
Ich beginne mit einem Seitenhieb: Die Nominierung für Beauty and the Biest ist in meinen Augen fehl am Platz. Warum? Weil der Film herrlich demonstriert, wie man ein Kostümsetting viel zu sehr überladen kann. Mir ist das jedenfalls zu gekünstelt und zu überladen.
Deutlich dezenter und glaubwürdiger schafft es Mark Bridges, der mit Phantom Thread seinen zweiten Oscar kriegen dürfte. Schließlich handelt der Film von einem Modedesigner und entsprechend viel Liebe zum Detail steckt in der Kleidung. Gleichzeitig sind diese auch mal einfach und schlicht, so wie es eben der Story entspricht.
Trotzdem hat die Gilde der Kostümdesigner überraschenderweise The Shape of Water gewählt – ähnliches ist Bridges bereits mit The Artist widerfahren, weshalb der Oscar-Gewinner in dieser Kategorie alles andere als in Stein gemeißelt ist.
Front-runner: Phantom Thread (Der seidene Faden)
Runner-up: The Shape of Water
My vote: Phantom Thread (Der seidene Faden)
Missing: The Greatest Showman
Personal Ranking
1. Phantom Thread (Der seidene Faden)
2. Victoria and Abdul
3. Darkest Hour (Die dunkelste Stunde)
4. The Shape of Water
5. Beauty and the Beast (Die Schöne und das Biest))
Bestes Make-up & Haarstyling
Der sicherste Oscar des Abends: Die perfekte Transformation von Gary Oldman als Winston Churchill ist nicht zuletzt eine großartige Leistung des Make-up-Teams. Deshalb haben die tollen Perücken von Victoria and Abdul und das entstellte Gesichte des Jungen in Wonder keine Chance.
Front-runner: Darkest Hour (Die dunkelste Stunde)
Runner-up: –
My vote: Darkest Hour (Die dunkelste Stunde)
Missing: All the Money in the World
Personal Ranking
1. Darkest Hour
2. Victoria and Abdul
3. Wonder
Beste Visuelle Effekte
Also, irgendwie packt mich dieses Jahr keiner der Filme in dieser Kategorie. Aus dem Grund sehe ich sowohl persönlich als auch in Bezug des Oscar-Rennen den inhaltlich hochwertigsten Kandidaten als knappen Sieger, der da wäre: Blade Runner 2049. Es ist der einzige nominierte Film, bei dem sich die Effekte natürlich in die Umgebung einbetten und der in keiner Weise überladen wirkt. Ganz im Gegensatz zu einem Guardians of the Galaxy Vol. 2, das selbst einen so Farben bliebenden Menschen wie mich mit seiner bunten Vielfalt erschlägt.
Andere Experten sehen War of the Planet of the Apes als sicheren Sieger – allerdings haben die gleichen Prognostiker bereits die beiden Vorgänger als Frontrunner bezeichnet. Und bislang ging es nie gut aus für die Affensaga – wieso also dann in diesem Jahr?
Front-runner: Blade Runner 2049
Runner-up: War of the Planet of the Apes (Planet der Affen: Survival)
My vote: Blade Runner 2049
Missing: The Shape of Water
Personal Ranking
1. Blade Runner 2049
2. Kong: Skull Island
3. War of the Planet of the Apes (Planet der Affen: Survival)
4. Star Wars: The Last Jedi (Star Wars: Die letzten Jedi)
5. Guardians of the Galaxy Vol. 2
Bester fremdsprachiger Film
Es ist die einzige Kategorie in diesem Jahr, in der ich nicht alle nominierten Filme gesehen habe – und mit L’insulte ist zudem ein Kandidat dabei, der laut einigen Oscar-Bloggern gute Chancen auf einen Sieg hat. Er hat jedenfalls in den letzten Wochen zunehmend an Reputation gewonnen und würde somit ganz im Sinne anderer Last-Minute-Sieger wie El secreto de sus ojos (In ihren Augen), Forushande (The Salesman) oder Okuribito (Nokan – Die Kusnt des Ausklangs) stehen.
Die drei Filme, die ich gesehen habe, sind zwar allesamt gut – aber keine typischen Oscar-Gewinner. Teströl és lélekröl ist zu harmlos und The Square zu verrückt. Das von vielen im Vorfeld getippte Una Mujer Fantástica schafft immerhin die Gratwanderung zwischen Dramatik und angenehme Unterhaltung, weil es sowohl ein ernstes Thema behandelt als auch wunderschöne Einstellungen besitzt.
Weil es mich zudem von der Art und der Inszenierung an Pedro Almodovars Todo sobre mi madre (Alles über meine Mutter) erinnert, halte ich am Beitrag von Chilé fest – gleichwohl ich bezüglich dem nicht von mir gesehenen L’insulte leichte Bauchschmerzen bezüglich dieser Vorhersage habe.
Front-runner: Una Mujer Fantástica (Eine fantastische Frau)
Runner-up: L’insulte (The Insult)
My vote: The Square
Personal Ranking
1. The Square
2. Una Mujer Fantástica (Eine fantastische Frau)
3. Teströl és lélekröl (Körper und Seele)
Not seen: Nelyubov (Loveless) & L’insulte (The Insult)
Bester animierter Film
Es ist selten, dass ich persönlich gegen den favorisierten Pixar-Film wählen würde – aber die zeichnerischen Qualitäten von The Beadwinner sind einfach atemberaubend. Deshalb sehe ich den Film auch bei der Academy auf den zweiten Platz, gleichwohl das reines Wunschdenken ist.
Coco ist wie viele Pixar-Filme der Konkurrenz in Punkto Bekanntheitsgrad und Beliebtheit um Welten überlegen – was ich rein objektiv aufgrund der erneut sehr gut geschriebenen Geschichte auch verstehen kann. Aber trotzdem: Ich hoffe, dass irgendwann einmal Carton Saloon gewinnt. The Breadwinner ist nach The Secret of Kells und Song of the Sea ihr dritter Film und allesamt sind sie ein optischer Augenschmaus.
Front-runner: Coco
Runner-up: The Breadwinner
My vote: The Breadwinner
Personal Ranking
1. The Breadwinner
2. Coco
3. Loving Vincent
4. Ferdinand
5. The Boss Baby
Bester Dokumentarfilm
Viele Oscar-Blogger gehen hier von einem sicheren Sieg für Visages Villages aus, weil die legendäre Dokumentarfilmerin Agnes Varda noch nie gewonnen hat. Allerdings hat sie ausgerechnet für dieses Saison bereits einen Ehren-Oscar erhalten, weshalb ich keine Wetten anschließen würde.
Hinzu kommt, dass Visages Villages zwar ein interessantes Konzept aufweist (Varda reist mit ihrem Co-Regisseur JR durch die Provinzen Frankreichs, befragt sowie fotografiert ganz gewöhnliche Menschen und klebt sie in metergroßen Schwarz-Weiß-Kopien an Häusermauern), aber sowohl De sidste mænd i Aleppo als auch Icarus die bei Weitem brisanteren sowie aktuell wichtigeren Themen behandeln.
Meine Rangreihenfolge ist etwas irreführend, denn die ersten vier Plätze sitzen hauchdünn beieinander. Sie sind allesamt interessant gedreht, wirken mir aber phasenweise zu sehr gestellt – was ich bei Dokumentarfilmen stets bedenklich finde. Mein Tipp bezüglich Icarus basiert deshalb auf den Vorhersagen anderer Oscar-Blogger.
Front-runner: Icarus (Ikarus)
Runner-up: Visages Villages (Augenblicke: Gesichter einer Reise)
My vote: De sidste mænd i Aleppo (Die letzten Männer von Aleppo)
Personal Ranking
1. De sidste mænd i Aleppo (Die letzten Männer von Aleppo)
2. Visages Villages (Augenblicke: Gesichter einer Reise)
3. Abacus: Small Enough to Jail
4. Icarus (Ikarus)
5. Strong Island
Bester Dokumentarkurzfilm
Wie so oft ist der Oscar für den besten Dokumentarkurzfilm der für mich am schwersten zu deutende. Meist hängt der Sieg weniger von der Qualität und mehr von dem zu behandelnden Thema ab – und dies zu beurteilen ist diesmal richtig kniffelig.
Knife Skills zeigt den Arbeitsalltag eines Restaurants, das ehemalige Sträflinge als Köche, Kellner oder Küchenhilfen beschäftigt. Die Idee ist nett, aber mehr nicht. Der nächste bitte.
Traffic Stop erzählt die Geschichte einer afro-amerikanischen Lehrerin, die bei einer zunächst harmlosen Verkehrskontrolle die vorurteilsbehaftete Aggressivität eines weißen Polizisten zu spüren bekommt. Die Inszenierung hier ist schon interessanter, zudem das Leben der Lehrerin abseits des Vorfalls erörtert wird. Jedoch gibt es sehr laute Stimmen, die ihr eine Mitschuld für ihre ruppige Behandlung seitens der Polizei geben.
Heaven Is a Traffic Jam on the 405 schildert das Leben einer 56-jährigen Künstlerin, die ihr ganzes Leben lang mit psychischen Erkrankungen zu kämpfen und die volle Behandlungsbreitseite inklusive elektronischer Schocktherapie durch hat. Neben ihrer sehr ruhigen Erzählstimme sticht vor allem ihre Arbeit als Zeichnerin und Skulpturerstellerin hervor.
Heroin(e) berichtet über den Kampf dreier Frauen gegen die unbändige Drogensucht Amerikas. Jede von ihnen hat eine andere Aufgabe: Die erste ist bei der Feuerwehr beschäftigt und geht Notrufen nach, um meist aufgrund einer Überdosis nur noch den Tod festzustellen. Die zweite ist eine Art Missionarin und kümmert sich um Frauen, die wegen ihrer Drogensucht auf dem Strich gelandet sind. Die dritte ist Richterin und urteilt über meist wiederholt straffällige Süchtige.
Edith+Eddie dokumentiert die letzten Monate einer schwarzen Frau und einem weißen Mann, die sich erst im hohen Alter kennen und lieben gelernt haben. Genaugenommen sind sie die ältesten Menschen mit verschiedener Hautfarbe, die je in Amerika geheiratet haben.
Sowohl Knife Skills als auch Traffic Stop sind auf dem Papier interessanter als in er Umsetzung – was nicht nur meine Meinung ist.
Mein Favorit Heroin(e) mag zwar eine nicht allzu neue Geschichte erzählen, allerdings gefällt mir der Part mit der Richtern ungemein. Ihre Warmherzigkeit und Offenheit zeigt im Gegensatz zu anderen Filmen dieser Art, dass es durchaus auch hoffnungsvolle Aspekte bezüglich des Kampfes gegen Drogen gibt.
Heaven Is a Traffic Jam on the 405 gilt für viele als Favorit und in der Tat ist die Geschichte rund um Mindy Alper sehr interessant erzählt und wird durch ihre mal schlichte, mal komplexe Kunst untermalt. Allerdings fehlt mir auch hier das “Besondere” – es ist ja nicht so, als ob es noch nie einen Film über einen psychisch kranken Künstler gab, und so außergewöhnlich sind Alpers Arbeiten nun auch nicht.
Edith+Eddie wiederum wirkt irgendwie interessant und zugleich wichtig. Der Film zeigt nicht nur die Kauzigkeit zweier Menschen über 90, die in jedweder Hinsicht völlig unterschiedlich zu sein scheinen und trotzdem füreinander da sein wollen. Er verweist auf die traurigen Vorbehalte der beiden Familien, speziell nachdem Edith aufgrund von Demenz nicht mehr für sich sorgen kann und sie von Eddie gegen ihren Willen getrennt wird.
Aufgrund dieser Mischung aus Brisanz und Originalität ist Edith+Eddie mein Tipp für den Oscar.
Front-runner: Edith+Eddie
Runner-up: Heaven Is a Traffic Jam on the 405
My vote: Heroin(e) (Heroin(en))
Personal Ranking
1. Heroin(e) (Heroin(en))
2. Edith+Eddie
3. Heaven Is a Traffic Jam on the 405
4. Traffic Stop
5. Knife Skills
Bester animierter Kurzfilm
Dieses Jahr sind es wahrlich “Kurz”-filme, die uns in der animierten Kategorie beglücken. Abseits des halbstündigen Revolting Rhymes (das zudem auch nur für den ersten von zwei Teilen nominiert ist), kommt keiner der Konkurrenten auf zehn Minuten.
Besonders krass wirkt Negative Space, dem sicherlich umstrittensten Kandidaten und meinem persönlichen Favoriten. Eine männliche Knetfigur erzählt, wie sein Vater ihm das Kofferpacken zeigt. Im Zeitraffer sieht man eine Handvoll Lebensstationen, in denen der Junge fleißig hilft. Und plötzlich steht er als Erwachsener vor einem Sarg, in dem sein Vater aufgebahrt liegt. Sein einziger Kommentar: Wie viel Platz darin doch sei…
Dieser Schlusssatz hat mich regelrecht niedergeschlagen, weil er für ein viel zu frühes Ableben eines Mannes steht, der nie wirklich das erreicht hat, was er hätte erreichen können.
Im Gegensatz dazu ist Garden Party ein purer Augenschmaus und punktet mit seiner erstklassigen technischen Umsetzung. Schauplatz ist eine prunkvolle wie zugleich verwahrloste Villa, in der sich zahlreiche Amphibien breit machen. Die virtuelle Kamera bewegt sich durch die Wohnzimmer und Essensräume bis hin zum versifften Swimmingpool, in dem ein gleichermaßen grausiges wie groteskes Geheimnis auf den Zuschauer lauert.
Die Geschichte von Garden Party mag etwas arg subtil sein, aber die wahrlich hochwertige Optik könnte für den Oscar-Sieg reichen. Jedenfalls sehe ich mehr Chance im Vergleich zum anderen hoch gehandelten Favoriten Dear Basketball, einer kurzen Odé an die Sporart… nun ja, Basketball eben.
In der Tat ist der auf Handzeichnungen getrimmte Stil äußerst schick und die Animationen geben das Flair des Erzählers wieder. Der wiederum ist Kobe Bryant höchstpersönlich, der dank seiner Funktion als Autor selbst für den Oscar nominiert ist. Deshalb sehen viele Dear Basketball als Favoriten – allerdings ist die Academy gar nicht mal so sehr dafür bekannte Berühmtheiten jenseits der Filmkunst gleich bei der erstbesten Nominierung zu würdigen. Zudem Bryant im Zuge der #MeToo-Kampagne keine unumstrittene Persönlichkeit ist…
Pixar darf natürlich auch mitmischen und erschafft mit Lou eine skurrile Kreatur, die in der öffentlichen Fundbox eines Spielplatzes lebt. Sie beobachtet, wie ein Junge anderen Kindern ihre Spielsachen wegnimmt, und versucht dies zu verhindern. Dabei stellt die Kreatur fest, dass in der Box wohl der alte Lieblingsteddy des Jungen liegt – womit die Moralbotschaft des Kurzfilmes in Stein gemeiselt ist.
Lasst euch jedenfalls nicht von meinem persönlich niedrigen Ranking täuschen: Das Fünferfeld ist dieses Jahr sehr stark und Lou leidet im Vergleich zu den anderen Filmen unter der fehlenden Frische. Jedenfalls wirkt der Film trotz (oder vielleicht auch gerade wegen) seiner Pixar-typischen Umsetzung und dem originellen Konzept leicht altbacken.
Umso mehr überrascht war ich von Revolting Rhymes – Part One: Die 3D-Animationen wirken auf den ersten Blick völlig veraltet, doch dafür sind die von Roald Dahl geschriebenen Gedichte ein herrliches Potpourri bekannter Märchengeschichten, die mit einem modernen Anstrich und interessanten Twists versehen sind.
Front-runner: Garden Party
Runner-up: Dear Basketball
My vote: Negative Space
Missing: In a Heartbeat
Personal Ranking
1. Negative Space
2. Garden Party
3. Revolting Rhymes – Part One
4. Dear Basketball
5. Lou
Bester Kurzfilm
Die fünf nominierten Kurzfilme haben eines gemeinsam: Die Schauspieler sind allesamt richtig gut. Müsste ich allein dessen eine Rangliste abliefern, würde ich wohl eher würfeln anstatt nachgrübeln. Dafür gibt es aber immense Unterschiede bei der Inszenierung und in der Geschichte:
Dekalb Elementary spielt aus Sicht einer Sekretärin, die in einer Schule arbeitet. Plötzlich platzt ein junger Mann herein und bedroht sie und ihre Kollegin mit einer Waffe. Er ist sichtlich unsicher bei dem, was er da gerade anrichtet, weshalb auch seine Nerven schnell blank liegen. Die Sekräterin schafft es jedoch, zwischen ihm und der Polizei zu vermitteln. Am Ende geht die Geschichte erstaunlich gut aus – jedenfalls kommt niemand zu Schaden, was man bei solch einer brisanten Thematik nicht erwartet.
Somit steckt der Film irgendwo zwischen bedrückend und glücklich. Einerseits ist man Zeuge einer Extremsituation, andererseits endet sie in keinem Blutbad. Mir persönlich ist die Inszenierung etwas zu zahm und das Drehbuch zu schlicht. Aber in Anbetracht der jüngsten Ereignisse in Florida trifft Dekalb Elementary gerade jetzt, wo die Oscar-Jury gewählt hat, einen Nerv. Zudem erfüllt Dekalb Elementary gerade so das ungeschriebene Gesetz, dass in dieser Kategorie so gut wie nie ein allzu deprimierender Film gewinnt.
Das zuletzt genannte Argument ist der Grund, weshalb ich meinen persönlichen Favoriten The Eleven O’Clock als alternativen Gewinner in Betracht ziehe. Es handelt sich um den einzigen, wirklich lustigen nominierten Kurzfilm: Ein Psychiator empfängt einen neuen Patienten, der unter einer interessanten Neurose leider. Er behaupt nämlich selbst ein Psychiater zu sein!
Gleichwohl das Ende vorhersehbar ist, sind die Inszenierung und das Wechselspiel zwischen Psychiater und Patient hervorragend. The Eleven O’Clock ist zudem ein Film, dem man sich zwangsweise mehrmals hintereinander anschaut und beim zweiten Mal auf ganz andere Dinge achtet – nur um festzustellen, dass der Regisseur eine nahezu einwandfreie Arbeit abgeliefert hat.
Ebenfalls sehr stark ist The Silent Child, das zunächst an eine Kurzversion des Theaterstücks A Miracle Worker erinnert. Ein stummes Mädchen bekommt ein neues Kindermädchen, die zugleich Lehrerin für Gebärdensprache ist. Die beiden freunden sich sehr schnell an und es entsteht ein vertrautes Band, das die Mutter des Mädchen mit viel Neid und Eifersucht beobachtet.
Hier sticht vor allem die brillante Kameraführung hervor und das Auge des Regisseurs, atmosphärische Bilder einzufangen. Allerdings endet die Geschichte eher deprimierend und zeigt mit dem Moralfinger auf den Missstand, dass heutzutage noch viel zu viele stumme Kinder keinen fachgerechten Unterricht erhalten. Das dürfte dem typischen Academy-Wähler zu ernst für diese Kategorie sein.
Ebenfalls eher bedrückend ist Watu Wote: All of Us: Eine afroamerikanische Frau und überzeugte Christin fährt in einem Bus voller Muslime, als dieser von Fanatikern überfallen wird. Sie verlangen, dass alle Christen enttarnt werden – um sie mutmaßlich zu liquidieren. Allerdings weigern sich sämtliche Fahrgäste und bezahlen damit teilweise mit ihrem Leben.
Die Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit und wirkt umso glaubwürdiger. Watu Wote: All of Us ist rein produktionstechnisch der wohl professionellste Beitrag. Jedoch hindert auch hier das Downer-Ende einen möglichen Sieg, das zudem primär in Textform gezeigt wird.
My Nephew Emmett basierend ebenfalls auf einer wahren Geschichte, die sich in den 1950er Jahren zugetragen hat. Demnach wurde ein gerade mal 14-jähriger Junge afroamerikanischer Herkunft von weißen Rassisten aus seinem Haus gezerrt und gelyncht. Die Geschichte sorgte bereits zu ihrer Zeit für viel Aufruhr, weil die Täter zwar gefasst, aber von der Jury für nicht schuldig gesprochen wurden.
Während Idee und Hintergrund durchaus für einen Film dieser Art zu gebrauchen sind, verliert My Nephew Emmett viele Sympathien aufgrund der eher langweiligen Inszenierung. Neben ein paar Dialogen, die vor und während des Überfalls stattfinden, gibt es jedenfalls nicht wirklich etwas zu sehen.
Front-runner: Dekalb Elementary
Runner-up: The Eleven O’Clock
My vote: The Eleven O’Clock
Personal Ranking:
1. The Eleven O’Clock
2. The Silent Child
3. Watu Wote: All of Us
4. Dekalb Elementary
5. My Nephew Emmett