IFMCA 2014/2015: Nominierungen

Zwar existiert keine offizielle Gilde von Filmkomponisten, die vor den Oscars ihre eigenen Awards verleihen. Aber es gibt immerhin die International Film Music Critics Assocation (kurz IFMCA), die seit einigen Jahren als Ersatz dient. Dabei legt die Organisation sehr großen Wert darauf, hochwertige Musik unabhängig von der Qualität des eigentlichen Filmes zu honorieren. Entsprechend tauchen in jedem Jahr ein paar besonders obskure Kandidaten auf, während andere hoch gehandelte Namen über Bord fallen. Doch dieses Jahr hat sich die IFMCA selbst übertroffen…

In der Kategorie “Beste Filmmusik“ sind zwei landläufig bekannte Kandidaten dabei: The Grand Budapest Hotel von Alexandre Desplat und Interstellar von Hans Zimmer. Letzteres erfreut mich ungemein, gleichwohl es mich etwas erstaunt – denn Zimmer gilt unter vielen Filmmusikexperten als eher unbeliebt, weil der Mann weniger aufgrund glorreicher Komposition und mehr durch bombastische Effekthascherei auffalle. Was in meinen Augen Unsinn ist, bevor jemand fragt.

Abseits dieses Duo, das ebenso bei den Oscars mit dabei ist, entschied sich die IFMCA für Maleficent von James Newton Howard und Drachenzähmen leicht gemacht 2 von John Powell. Auch das ist jetzt nicht so eine riesige Überraschung: Bezüglich ersterem hatte ich bereits hie und da es läuten gehört, dass die Musik unter Enthusiasten sehr beliebt sei (für mein Ohr fiel sie ehrlich gesagt nicht großartig auf, aber ich habe sie auch noch nicht unabhängig vom Film gehört). Und letzterer ist die astreine Fortsetzung eines der besten Scores der letzten zwanzig Jahre.

Der fünfte Kandidat hingegen ist… wahrlich ungewöhnlich. Die Rede ist von Christopher Youngs The Monkey King, einem angeblich abenteuerlich schlechten Fantasyfilm aus China. Ich gebe es gleich zu: Ich habe noch nie etwas von dem Ding gehört und auch nach einer kurzen Recherche bin ich wenig schlauer. The Monkey King basiert auf dem klassischen Roman Die Reise nach Westen, der irgendwann im 16. Jahrhundert zu Zeiten der Ming-Dynastie entstand. Offizielle DVD-Veröffentlichungen scheint es bislang nur in Fernost und in Australien (!) zu geben. Zudem schlummern auf Youtube mehrere vollständige Kopien, jedoch in minderer Qualität.

Auch die Musik selbst ist schwer aufzutreiben: Ein Album, egal ob in CD- oder MP3-Form, gibt es schon mal nicht. Christopher Young hat aber immerhin sechs recht lange Stücke auf seinem YouTube-Kanal veröffentlicht, die tatsächlich nicht übel klingen. Aber beste Filmmusik des Jahres? Ich bleibe skeptisch, bis ich mir das gesamte Machwerk angesehen habe…

Jedenfalls ist es erstaunlich, was stattdessen nicht nominiert ist: Desplats grandiose Arbeiten zu The Imitation Game wurde genauso übergangen wie Jóhann Jóhannssons groß gefeierter Beitrag zu Die Entdeckung der Unendlichkeit. Beide sind immerhin in der Nebenkategorie „Beste Filmmusik (Drama)“ dabei, während Antonio Sanchez Birdman sowie Mica Levis Under the Skin komplett ignoriert wurden, gleichwohl auch sie viel Lob ernteten. Einzig der Ausschluss von Gone Girl ist wenig wunderlich, denn Trent Reznor und Atticus Finch gelten seit The Social Network als “Anti-Christen“ unter den Filmmusikliebhabern (was genau so idiotisch ist, wie die sture Denkensweise bezüglich Hans Zimmer).

Als Nächstes fällt auf, dass in der Kategorie “Beste Filmkomposition“ ein Thema aus Exodus: Götter und Könige nominiert wurde, während der Score selbst in keiner anderen Kategorie Platz fand – was in Anbetracht der Länge der gesamten Liste seltsam wirkt.

Wirklich übel ist (mal wieder) das Quintett der fünf “besten“ Videospielsoundtracks: Dort ist die IFMCA oberflächlicher, als die Oscars es je sein könnten. Anstatt solch brillante Arbeiten wie Child of Light, Alien: Isolation oder Donkey Kong Country: Tropical Freeze zu honorieren, sind fast ausschließlich Fortsetzungen von Serien dabei, die dem Mainstreammob geläufig sind. Die einzige Ausnahme ist The Banner Saga, jedoch wette ich, dass das mehr mit dem Namen Austin Wintory zusammenhängt, der bereits vor Journey dem einen oder anderen Filmmusikjunkie bekannt war. Insofern kann ich nicht mal Kudos für die Erwähnung von Castlevania: Lords of Shadow 2 aussprechen: Zwar ist dieser Soundtrack WIRKLICH eine Granate und einer der besten des vergangenen Jahres gewesen – aber genau wie Wintory ist Oscar Araujo im Land der Filmmusikkenner kein völlig unbekannter Name.

Genug gemotzt: Im folgenden könnt ihr selbst die komplette Liste einsehen, die heute auf der offiziellen Seite des IFMCA veröffentlicht wurde.

 

Beste Filmmusik

The Grand Budapest Hotel (Alexandre Desplat)
Drachenzähmen leicht gemacht 2 (John Powell)
Interstellar (Hans Zimmer)
Maleficent (James Newton Howard)
The Monkey King [Xi You Ji: Da Nao Tian Gong] (Christopher Young)

Bester Komponist

Marco Beltrami
Alexandre Desplat
James Newton Howard
John Powell
Hans Zimmer

Größter Durchbruch eines Komponisten

Alexander Cimini
Gustavo Dudamel
Mica Levi
Matthew Llewellyn
John Paesano

Bester Originalmusik (Drama)

The Homesman (Marco Beltrami)
The Imitation Game (Alexandre Desplat)
The Liberator [Libertador] (Gustavo Dudamel)
The Monuments Men (Alexandre Desplat)
Die Entdeckung der Unendlichkeit (Jóhann Jóhannsson)

Beste Originalmusik (Comedy)

Cantinflas (Roque Baños)
The Grand Budapest Hotel (Alexandre Desplat)
A Million Ways to Die in the West (Joel McNeely)
Nachts im Museum – Das geheimnisvolle Grabmal (Alan Silvestri)
Wishin’ and Hopin’ (Matthew Llewellyn)

Beste Originalmusik (Action/Adventure/Thriller)

Die Tribute von Panem: Mockingjay, Part I (James Newton Howard)
Inherent Vice (Jonny Greenwood)
Maze Runner (John Paesano)
The Monkey King [Xi You Ji: Da Nao Tian Gong] (Christopher Young)
No God No Master (Nuno Malo)

Beste Originalmusik (Fantasy/Science-Fiction/Horror)

Autómata (Zacarías M. de la Riva)
Godzilla (Alexandre Desplat)
Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Armeen (Howard Shore)
Interstellar (Hans Zimmer)
Maleficent (James Newton Howard)

Beste Originalmusik (animierter Film)

Asterix im Land der Götter (Philippe Rombi)
Die Boxtrolls (Dario Marianelli)
Drachenzähmen leicht gemacht 2 (John Powell)
Son of Batman (Frederik Wiedmann)
Tarzan (David Newman)

Beste Originalmusik (Dokumentarfilm)

Ballet Boys (Henrik Skram)
Bären (George Fenton)
Unser Kosmos: Die Reise geht weiter (Alan Silvestri)
Hidden Kingdoms (Ben Foster)
The Unknown Known (Danny Elfman)

Beste Originalmusik (TV-Serie)

Fargo (Jeff Russo)
Gunshi Kanbei (Yūgo Kanno)
Isabel (Federico Jusid)
The Leftovers (Max Richter)
Penny Dreadful (Abel Korzeniowski)

Beste Originalmusik (Videospiel oder interaktives Medium)

Assassin’s Creed: Unity (Chris Tilton & Sarah Schachner)
The Banner Saga (Austin Wintory)
Castlevania: Lords of Shadow 2 (Óscar Araujo)
Sid Meier’s Civilization: Beyond Earth (Geoff Knorr, Griffin Cohen, Michael Curran & Grant Kirkhope)
World of Warcraft: Warlords of Draenor (Russell Brower, Neal Acree, Clint Bajakian, Sam Cardon, Craig Stuart Garfinkle, Edo Guidotti & Eímear Noone)

Beste Veröffentlichung einer bereits existierenden Musik (Neuveröffentlichung oder Neuaufnahme)

The Abyss (Alan Silvestri)
Das Reich der Sonne (John Williams)
Lair (John Debney)
Der König der Löwen (Hans Zimmer)
Die Faust im Nacken (Leonard Bernstein)

Beste Veröffentlichung einer bereits existierenden Musik (Sammlung)

The Ava Collection (Elmer Bernstein)
Batman: The Animated Series Volume 3 (Shirley Walker, Carlos Rodriguez, Peter Tomashek, Todd Hayen, Harvey R. Cohen, Michael McCuistion, Lars Clutterham, Stuart Balcomb, Mark Koval, Lolita Ritmanis, Richard Bronskill, Tamara Kline, Carl Johnson, Steve Chesne & James Stemple)
Elmer Bernstein: The Wild Side (Elmer Bernstein)
Henry Mancini: The Classic Soundtrack Collection (Henry Mancini)
The Naked Gun Trilogy (Ira Newborn)

Bestes Filmmusiklabel

Intrada Records
La-La Land Records
Moviescore Media
Quartet Records
Varèse Sarabande

Beste Filmmusikkomposition

“Flying With Mother” / Drachenzähmen leicht gemacht 2 (John Powell)
“The Hanging Tree” / Die Tribute von Panem: Mockingjay, Part I (Jeremiah Fraites,
Wesley Schultz, James Newton Howard & Suzanne Collins)
“Maleficent Flies” / Maleficent (James Newton Howard)
“Maleficent Suite” / Maleficent (James Newton Howard)
“Tsunami” / Exodus: Götter und Könige (Harry Gregson-Williams)