BAFTA 2014/2015: Nominierungen

In knapp einer Woche gibt die Academy of Motion Picture Arts and Sciences ihre Oscar-Nominierungen bekannt, doch hier und heute haben erst einmal die Briten mit ihrem hauseigenen BAFTA das Sagen. Und sie unterstreichen etwas, was vor gut einem Monat noch für unmöglich galt: Das The Grand Budapest Hotel ein ernst zu nehmender Kandidat für den Titel “Best Picture 2014“ ist – denn es ist Wes Andersons Film, der mit elf Nominierungen völlig überraschend das Feld im englischen Lande anführt.

Diese Ehre sollte eigentlich an Birdman oder The Imitation Game gehen – ersterer profitiert von einer Mischung aus starkem Schauspieler-Gespann und technischer Raffinesse. Letzterer hingegen ist der britische Hoffnungsträger des Jahres und zudem laut Oscar-Insidern ein absoluter Hit unter den Academy-Wählern. Doch der Film rund um Alan Turing hat nun einen gewaltigen Dämpfer erhalten, weil bei den BAFTAs trotz neun Nominierungen keine für die Regieleistung von Morten Tyldum heraus sprang. Die bekam dafür James Marsh, der mit Die Entdeckung der Unendlichkeit ebenfalls ein britisch produziertes Biopic im Rennen hat. Da werden sich doch nicht etwa zwei ähnlich geeichte Filme gegenseitig die Stimmen weg schnappen…?

Ein Grund zum Feiern für Boyhood, der seit geraumer Zeit gefühlt unbesiegbar erscheint? Nein, denn auch Richard Linklaters Meisterwerk bekam heute eine unscheinbare, aber eventuell entscheidende Ohrfeige verpasst: Der Filmschnitt wurde ignoriert. Dazu muss man wissen: Rein statistisch gesehen ist der Schnitt zusammen mit der Regiearbeit die wichtigste Nominierungen, die ein Film benötigt, damit er am Ende bei den Oscars den Best-Picture-Preis bekommt. Zugegebenermaßen gelten bei den BAFTAs andere Regeln – aber es ist schon mehr als seltsam, dass die Briten die Arbeit der Cutterin Sandra Adair, die schließlich Szenen aus zwölf Jahren Dreharbeiten nahezu perfekt zusammen gepfriemelt hat, “vergessen“ haben.

Richtig böse sieht es inzwischen für Selma aus, ebenfalls ein Biopic, diesmal jedoch über Martin Luther King und gedreht von Ava DuVernay, einer Frau afroamerikanischer Abstammung, die eigentlich bei den Oscars Geschichte schreiben sollte. Die BAFTAs konnten sich jedenfalls für keine Nominierung durchringen und bevor einer fragt: Ja, der Film war auch in England für das Jahr 2014 “qualifiziert“. Allgemein wird Selma derzeit von nahezu allen wichtigen Preisveranstaltungen abseits der Golden Globes gedisst und angeblich gibt es dafür auch einen total einfachen, wie selten dämlichen Grund: Niemand hat ihn gesehen. Der Film läuft nämlich erst seit kurzem in ausgewählten US-Kinos und Distributor Paramount war sich zu fein, Screener-DVDs an die zahlreichen Gilden- oder eben die BAFTA-Mitglieder zu verschicken. Einzig Oscar-Wähler hätte man bedacht und die Globe-Jungs organisieren seit eh und je ihre hausinternen Vorführungen.

Sonst noch etwas auffälliges? Oh ja: Steve Carrell stand bereits auf wackeligen Füßen, was seine Oscar-Chancen für seine Rolle in Foxcatcher anbelangt – der mächtigen Konkurrenz von Keaten bis Cumberbatch sei dank. Aber nun haben die BAFTAs ihn als Neben- anstatt Hauptdarsteller nominiert, was für mächtig Verwirrung stiften könnte. Denn was ist, wenn sich die Oscar-Wähler uneins sind und sich die Stimmen für Carrell unglücklich auf die beiden Kategorien verteilen?

Weitere Auffälligkeiten in Stichworten:

  • Nightcrawler verpasst zwar den Sprung in der Bester-Film- und Beste-Regie-Riege, ist aber dank Drehbuch, Filmschnitt, Hauptdarsteller und Nebendarstellerin gleichwohl stark vertreten. Besonders letzteres gilt als Überraschung, die bereits einige Filmfans mit Applaus kommentieren.
  • Ebenfalls immer stärker wird Whiplash, der unter anderem für die Beste Regie und den Besten Filmschnitt im Rennen ist.
  • Drachenzähmen leicht gemacht 2 verpasst die Kategorie Bester animierter Film. Zwar beschränken sich die BAFTAs auf drei Nennungen, doch galt der Film ursprünglich mal als einzig ernsthafte Konkurrenz zum Frontrunner LEGO Movie.
  • Clint Eastwood und BAFTA sind bekanntlich keine großen “Freunde“, weshalb das Fehlen von American Sniper in den großen Kategorien nicht weiter verwundert. Deshalb erstaunt es umso mehr, dass immerhin der Drehbuchautor eine Nominierung geschafft hat.
  • Mr. Turner ist nur in ein paar unwichtigen Kategorien vertreten, was für einen Film aus der Feder des englischen Kultregisseurs Mike Leigh dezent verwundert. Selbst in der Kategorie Bester britischer Film war kein Platz über.
  • Angelina Jolies Unbroken fehlt – welch “Überraschung“ – völlig
  • Schwarz-Weiß ist und bleibt der Hit unter Kameramännern/-frauen – weshalb die Erwähnung von Ida in der betreffenden Kategorie den Insider wenig verwundert.

Freilich darf man diese BAFTA-Nominierungen nicht auf die Goldwaage legen, wenn es um die Oscar-Vorhersage geht – speziell die Schnittmenge der Gewinner ist eher dürftig und beide Organisationen haben sichtlich ihre eigenen Vorlieben (wie bereits angedeutet: fragt mal Clint Eastwood…). Aber es gibt eine Handvoll Wähler, die in beiden Gruppierungen mitmischen dürfen – und deshalb ist der BAFTA “aussagekräftiger“ als beispielsweise die Golden Globes.

Bester Film

Birdman
Boyhood
The Grand Budapest Hotel
The Imitation Game
Die Entdeckung der Unendlichkeit

Beste Regie

Alejandro Gonzales Inarritu (Birdman)
Richard Linklater (Boyhood)
Wes Anderson (The Grand Budapest Hotel)
James Marsh (Die Entdeckung der Unendlichkeit)
Damien Chazelle (Whiplash)

Bester Hauptdarsteller

Benedict Cumberbatch (The Imitation Game)
Ralph Fiennes (The Grand Budapest Hotel)
Jake Gyllenhaal (Nightcrawler)
Michael Keaton (Birdman)
Eddie Redmayne (Die Entdeckung der Unendlichkeit)

Beste Hauptdarstellerin

Amy Adams (Big Eyes)
Felicity Jones (Die Entdeckung der Unendlichkeit)
Julianne Moore (Still Alice)
Rosamund Pike (Gone Girl)
Reese Witherspoon (Wild)

Bester Nebendarsteller

Steve Carrell (Foxcatcher)
Edward Norton (Birdman)
Ethan Hawke (Boyhood)
Mark Ruffalo (Foxcatcher)
J.K. Simmons (Whiplash)

Beste Nebendarstellerin

Emma Stone (Birdman)
Imelda Staunton (Pride)
Keira Knightley (The Imitation Game)
Patricia Arquette (Boyhood)
Rene Russo (Nightcrawler)

Bestes Drehbuch (original)

Birdman
Boyhood
The Grand Budapest Hotel
Nightcrawler
Whiplash

Bestes Drehbuch (adaptiert)

American Sniper
Gone Girl
The Imitation Game
Paddington
Die Entdeckung der Unendlichkeit

Beste Originalmusik

Birdman
The Grand Budapest Hotel
Interstellar
Die Entdeckung der Unendlichkeit
Under the Skin

Beste Kamera

Birdman
The Grand Budapest Hotel
Ida
Interstellar
Mr. Turner

Bester Filmschnitt

Birdman
The Grand Budapest Hotel
The Imitation Game
Nightcrawler
Die Entdeckung der Unendlichkeit
Whiplash

Bestes Produktionsdesign

Big Eyes
The Grand Budapest Hotel
The Imitation Game
Interstellar
Mr. Turner

Beste Kostüme

The Grand Budapest Hotel
The Imitation Game
Into the Woods
Mr. Turner
Die Entdeckung der Unendlichkeit

Bestes Make-up & Haarstyling

The Grand Budapest Hotel
Guardians of the Galaxy
Into the Woods
Mr. Turner
Die Entdeckung der Unendlichkeit

Bester Sound

American Sniper
Birdman
The Grand Budapest Hotel
The Imitation Game
Whiplash

Beste visuelle Effekte

Plabet der Affen: Revolution
Guardians of the Galaxy
Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere
Interstellar
X-Men: Zukunft ist Vergangenheit

Bester britischer Film

71
The Imitation Game
Paddington
Pride
Die Entdeckung der Unendlichkeit
Under the Skin

Bestes Debüt eines britischen Drehbuchautoren, Regisseurs oder Produzenten

Elaine Constantine (Drehbuch/Regie) für Northern Soul
Gregory Burke (Drehbuch) & Yann Demange (Regie) für 71
Hong Khaou (Drehbuch/Regie) für Lilting
Paul Katis (Drehbuch/Regie) & Andrew de Lotbinere (Produzent) für Kajaki: The True Story
Stephen Beresford (Drehbuch) & David Lingstone (Produzent) für Pride

Bester fremdsprachiger Film

Ida
Leviathan
The Lunchbox
Trash
Two Days, One Night

Bester Dokumentarfilm

20 Feet from Stardom
20.000 Days on Earth
CITIZENFOUR
Finding Vivian Maier
Virunga

Bester animierter Film

Baymax
Die Boxtrolls
The LEGO Movie

Bester britischer Kurzfilm

Boogaloo and Graham
Emotional Fusebox
The Karaman Line
Slap
Three Brothers

Bester britischer Kurzfilm (animiert)

The Bigger Picture
Monkey Love Experiments
My Dad

EE Rising Star Award

Gugu Mbatha-Raw
Jack O’Connell
Margot Robbie
Miles Teller
Shailene Woodley