Emmy Tippschein 2018/19: Limitierte Serien & TV-Filme

Die Emmys honorieren nicht nur die bekannten Drama- und Comedy-Serien, sondern stürzen sich auch auf „Kleinkram“, der bereits nach einem Jahr abgeschlossen sind. Und diesmal gibt es erstaunlicherweise keine Trickser á la American Crime Story oder Genius, die zwar technisch gesehen aus mehreren Staffeln bestehen, jedoch aufgrund eines stets komplett neuen Casts als eine Kollektion von Mini-Serien betrachtet werden.

Beste limitierte Serie

Oh bitte, lass es When They See Us werden: Gleichwohl auch Chernobyl eine grandiose Serie ist, spielt Ava DuVernays Gerichts-/Jugenddrama meines Erachtens in einer eigenen Liga.

Es dürfte allerdings knapp werden: Chernobyl hat bei den Creative Arts Emmy mächtig abgeräumt, womit ich nach den Diskussionen über den Wahrheitsgehalt der Serie nicht so wirklich gerechnet hätte. Allerdings war dort When They See Us kaum vertreten, eben weil die Serie wenig mit Effekten, Kameraschnörkeleien oder Musikglanz spielt und voll & ganz auf Regie, Drehbuch sowie Schauspieler setzt. Und gerade letztere haben Nominierungen ohne Ende eingeheimst, dass es nur so eine helle Freunde ist. All das erinnert mich jedenfalls sehr an das Rennen zwischen den ersten Staffeln von Westworld und The Handmaid’s Tale von vor zwei Jahren.

Noch ein paar Worte zu den anderen Serien: Sharp Objects ist ein brillantes und zutiefst bösartiges Psychodrama, dessen Ende ich nicht so schnell vergessen werde und wo ich mich ernsthaft frage, wieso hier weder Regie noch Drehbuch im Rennen sind.

Etwas bodenständiger, aber ebenfalls richtig stark ist die Bioserie Fosse/Verdon, gleichwohl mir Sam Rockwell eine Spur zu distanziert rüber kommt und Michelle Williams zu sehr dominiert. Doch allein die tollen Intros einer jeden Folge, die herrlich Bob Fosses größten Theater-&-Film-Erfolge widerspiegeln, sorgen für satt viel Laune.

Ben Stellers Escape at Dannemora hingegen hat mich persönlich überhaupt mitgezogen und ist für mich die Enttäuschung der Saison 2018/19. Sie ist mir viel zu bieder, viel zu langatmig und auch viel zu lasch inszeniert. Einzig Patricia Arquette ist absolut grandios – aber beim Rest bin ich echt baff, wieso diese Serie ursprünglich gar als Front-runner für den Emmy-Sieg gehandelt wurde. Mehrere nicht-nominierte Mini-Serien wie A Very English Scandal oder The Act sind in meinen Augen in allen Belangen besser.

Fun-Fact zum Abschluss: Wer denkt, die Emmys sind endgültig satt was American Horror Story anbelangt, der irrt. Denn die achte Staffel Apocalypse konnte diesmal nicht wie sonst als limitierte Serie nominiert werden, weil sie Charaktere aus der ersten und der dritten beinhaltet – und somit nur in der viel zu vollen Drama-Series-Kategorie hätte unterkommen können.

Front-runner: When They See Us
Spoiler: Chernobyl

Personal ranking:

1.When They See Us
2.Chernobyl
3.Sharp Objects
4.Fosse/Verdon
5.Escape at Dannemora

Bester TV-Film

Da ist sie wieder: Die Micker-Kategorie der besten TV-Filme, die qualitätstechnisch deutlich hinter all den Top-Serien dümpeln. Das heißt: In meinen Augen ist das interaktive Bandersnatch ein kleiner Meilenstein und zählt gar zu meinen absoluten Highlights der Saison 2018/19. Aber ich weiß auch ganz genau, dass es nie und nimmer gewinnen wird.

Weil die Konkurrenz mal wieder so schwach ist, ist Bandersnatch gleichwohl mein Spoiler-Tipp – und Deadwood – The Movie mit riesigem Abstand der Favorit. Schließlich basiert der Film auf einer beliebten Serie und wird dieser auch ganz gut gerecht.

Front-runner: Deadwood – The Movie
Spoiler: Black Mirror: Bandersnatch

Personal ranking:

1.Black Mirror: Bandersnatch
2.Deadwood – The Movie
3.Brexit
4.King Lear

Nicht gesehen (und dafür vielen „Dank“ an die trödelige Post):

My Dinner With Hervé

Bestes Drehbuch einer limitierten Serie oder eines TV-Films

Das Fehlen von Bandersnatch zeigt: Der Black-Mirror-Hype bei den Emmys ist vorbei. Doch wieso zum Fick wurden gleich zwei Episoden von Escape At Dröge… äh… Dannemora nominiert? Das will mir nicht in den Kopf… und ich lauf Amok, wenn eine davon gegen das minutiös ausgearbeitete Chernobyl oder die fantastisch geschriebenen Dialoge von When They See Us gewinnt.

Front-runner: When They See Us
Spoiler: Chernobyl

Personal ranking:

1.When They See Us (Part Four)
2.Chernobyl
3.A Very English Scandal
4.Escape At Dannemora (Episode 6)
5.Fosse/Verdon (Providence)
6.Escape At Dannemora (Episode 7)

Bester Hauptdarsteller einer limitierten Serie oder eines TV-Films

Ich hoffe, die Emmys bauen hier keinen Scheiß: Jared Harris für Chernobyl und Jharrel Jerome für When They See Us sind um Welten besser als die Konkurrenz. Und lustigerweise hat mir ersterer sogar besser gefallen – um genau zu sein ist es für mich Harris, der die Serie zu der Ikonie macht, die sie nach nur wenigen Monaten geworden ist.

Aber Jharrel Jerome hat einen nicht zu verachtenden Vorteil: Er spielt mit weitem Abstand den interessantesten Charakter von When They See Us. Die Serie wird allgemein für ihre Schauspielerleistung gelobt, jedoch wirken die anderen Figuren zu verstreut. Man kann bei ihnen kaum festmachen: Wer ist hier besser, wer sticht hervor.

Jerome hingegen schafft eben genau das: Er fällt auf. Und weil die Serie allgemein nicht nur bei mir sehr beliebt zu sein scheint, tippe ich auf ihn als Emmy-Sieger.

Front-runner: Jharrel Jerome (When They See Us)
Spoiler: Jared Harris (Chernobyl)

Personal ranking:

1.Jared Harris (Chernobyl)
2.Jharrel Jerome (When They See Us)
3.Hugh Grant (A Very English Scandal)
4.Sam Rockwell (Fosse/Verdon)
5.Mahershala Ali (True Detective)
6.Benicio Del Toro (Escape At Dannemora)

Beste Hauptdarstellerin einer limitierten Serie oder eines TV-Films

Joey King, hallulujah, wo kommt denn diese junge Frau auf einmal her!? Ihr Portfolio ist gespickt mit niedlichen Kinder- und massig kleinen Nebenrollen. Doch mit The Act dürfte sich ihre Karriere schlagartig wandeln, weil sie hier mal so nebenbei altgedienten Größen wie Amy Adams oder Michelle Williams den Rang abläuft.

Allgemein sind alle sechs nominierten Darstellerinnen stark, weshalb diese Kategorie in diesem Jahr gehaltvoller wirkt als das Pendant für die Beste-Drama-Serie. Patricia Arquette gilt jedenfalls als haushohe Favoritin für Escape At Dannemora… nur ginge es nach mir, dann würde ich ihr den Emmy auf eine andere Weise unterjubeln.

Front-runner: Patricia Arquette (Escape At Dannemora)
Spoiler: Joey King (The Act)

Personal ranking:

1.Joey King (The Act)
2.Amy Adams (Sharp Objects)
3.Michelle Williams (Fosse/Verdon)
4.Patricia Arquette (Escape At Dannemora)
5.Niecy Nash (When They See Us)
6.Aunjanue Ellis (When They See Us)

Bester Nebendarsteller einer limitierten Serie oder eines TV-Films

Hier fällt mir ein Tipp auf den möglichen Emmy-Sieger so mit am schwersten. Gleichwohl ich erneut Chernobyl und Stellen Skarsgard präferiere, so könnte dies eher an dem Schauspieler an sich und nicht an seiner Leistung/Rolle in der Serie liegen. Irgendwie hat’s mir sein Akzent angetan – und ob das der Emmy-Jury reicht?

Michael K. Williams hat das Problem, gegen zwei weitere Darsteller aus When They See Us anzutreten. Trotzdem ist sein Charakter vergleichbar mit jenem von Jharrel Jerome ungewöhnlich stark und präsent, weshalb es zum Sieg reichen dürfte.

Beim Spoiler schiele ich auf Starruhm: Ben Wishaw ist einer dieser Schauspieler, die universell gefeiert sind und trotzdem so gut wie nie für irgendwelche Preise nominiert werden. Den Golden Globe hat er bereits in der Tasche – und in der Tat ist sein Charakter in A Very English Scandal viel interessanter, als es auf dem Papier aussieht.

Front-runner: Michael K. Williams (When They See Us)
Spoiler: Ben Whishaw (A Very English Scandal)

Personal ranking:

1.Stellen Skarsgard (Chernobyl)
2.Michael K. Williams (When They See Us)
3.Ben Whishaw (A Very English Scandal)
4.Asante Blackk (When They See Us)
5.John Leguizamo (When They See Us)
6.Paul Dano (Escape at Dannemora)

Bester Nebendarsteller einer limitierten Serie oder eines TV-Films

Bei aller Liebe zu Fosse/Verdon: Was hat Margaret Qualley in dieser Serie geleistet, außer hübsch auszusehen? Und während mir die nominierten Frauen aus When They See Us deutlich besser gefallen, so tut es mir ein wenig Leid um die Performance von Felicity Huffman: Sie wäre sicherlich nominiert worden und hätte vielleicht gar gewinnen können, wenn nicht der Bestechungsskandal hochgekommen wäre.

Nicht falsch verstehen: Huffman muss auch aus meiner Sicht einiges an Absolution leisten, um sich wieder rein zu waschen. Aber allein ihre Schauspielerleistung in Betracht gezogen, gehört sie zu den Highlights des When-They-See-Us-Ensembles.

Zurück zu den Nominierten: Patricia Clarkson gilt als klare Favoritin für Sharp Objects und das auch zurecht. Ihr Charakter ist nicht nur hochkomplex, sondern auch astrein umgesetzt. Nur gilt dies in meinen Augen ebenso für Patricia Arquette in The Act, weshalb ich eher ihr den Emmy gönne – und damit sie bei den Hauptdarstellerinnen den Weg für Joey King frei macht…

Front-runner: Patricia Clarkson (Sharp Objects)
Spoiler: Patricia Arquette (The Act)

Personal ranking:

1.Patricia Arquette (The Act)
2.Patricia Clarkson (Sharp Objects)
3.Emily Watson (Chernobyl)
4.Vera Farmiga (When They See Us)
5.Marsha Stephanie Blake (When They See Us)
6.Margaret Qualley (Fosse/Verdon)

Beste Regie einer limitierten Serie oder eines TV-Films

Der Regie-Emmy für eine limitierte Serie (oder eines TV-Films, gleichwohl dieses Jahr nicht ein einziger jenseits der Kategorie Bester TV-Film nominiert ist) geht oftmals eigene Wege. Hier befürchte ich im stillen Kämmerlein, dass Ben Stiller für Escape At Dannemora ausgezeichnet wird. Wofür auch immer.

Doch wenn ich recht mit meiner universellen Liebe bezüglich When They See Us habe, dann könnte Chernobyl genau hier seinen großen Moment einfahren. In der Tat würde es auch Sinn ergeben, weil die Inszenierung der Tschernobyl-Katastrophe um einiges komplizierter gewesen sein dürfte als Ava DuVernays Meisterstück.

Ginge es allein nach mir, dann müsste Fosse/Verdon für die grandiose Glory-Folge gewinnen: Sie zeigt im Zeitraffer Bob Fosses erfolgreichstes Jahr, in dem er einen Oscar, zwei Tonnys und drei Emmys gewann. Sie ist packend geschrieben, zackig inszeniert und sensationell gut geschnitten – und somit die perfekte Hommage an Fosse.

Front-runner: Chernobyl
Spoiler: Escape At Dannemora

Personal ranking:

1.Fosse/Verdon (Glory)
2.When They See Us
3.Chernobyl
4.A Very English Scandal
5.Fosse/Verdon (Who’s Got the Pain)
6.Escape At Dannemora