Emmy Tippschein 2018/19: Beste Variety Serien

Die heutige Welt der Variety-Serien ist breitgefächert: Von Talk-Shows, über Polit-Comedy bis hin zu Live-Auftritten ist die Mischung kunterbunt… und doch gewinnen jedes Jahr die “gleichen”.

Beste Variety Talk Serie

Ich liebe Late Week Tonight With John Oliver und gönne ihm jeden Emmy. Aber ich liebe auch The Late Show With Stephen Colbert. Und Full Frontal With Samantha Bee. Und in dieser Saison ganz besonders The Daily Show With Trevor Noah, weil Noah endlich seine „eigene“ Show geformt hat. Ginge es nach mir, dann müssten diese vier im Wechsel Emmys einheimsen.

Aber nein: Die Emmy-Jury ist „langweilig“ und dürfte John Oliver zum vierten Sieg in Folge verhelfen. Auf das Jon Stewarts elf Siege für die Daily Show irgendwann gebrochen werden…

Weiterhin in meiner Gunst weit abgeschlagen sind Jimmy Kimmel Live! und The Late Late Show With James Cordon, wobei letzterer etwas „gewonnen“ und ersterer leicht „verloren“ hat. Kimmel ist mir in letzter Zeit zu sehr darauf aus, seine Agenda zu vermarkten, ohne jedoch wirklich etwas neues oder gar originelles zu sagen und weshalb mich seine Monologe mehr und mehr kalt lassen. In der Hinsicht sind Colbert und Noah um Welten besser.

Front-runner: Last Week Tonight With John Oliver
Spoiler: The Late Show With Stephen Colbert

Personal ranking:

1.The Daily Show With Trevor Noah
2.Last Week Tonight With John Oliver
3.The Late Show With Stephen Colbert
4.Full Frontal With Samantha Bee
5.The Late Late Show With James Cordon
6.Jimmy Kimmel Live!

Beste Variety Sketch Serie

Das könnte interessant werden: Freilich gilt erneut der altgediente Veteran namens Saturday Night Live als Front-runner. Jedoch ist Who Is America? derart originell und kaltschnäuzig, weshalb mich ein Überraschungssieg nicht wundern würde.

Das Problem für Who Is America?: Die Serie ist teilweise unerträglich fremdschämig, weshalb sie bei mir auch recht weit unten platziert liegt. Das ist jedoch nichts gegenüber dem Debakel, den Sarah Silverman für ihre zweite (und letzte) Staffel von I Love You America With Sarah Silverman hingelegt hat.

Liebe Sarah… es ist ja toll, wenn du dich mit den Hardlinern der Republikanern triffst, mit ihnen redest und versuchst eine Bande zu knüpfen. Doch verläuft es jedes Mal im Sand und am Ende fühlt es sich wie verschwendete Zeit an, weil niemand auch nur irgendeine neue Erkenntnisse gewonnen hat. Zudem sind die Monologe zu Beginn einer jeden Folge einfach nur deprimierend.

Nicht falsch verstehen: Silverman sagt die Wahrheit – aber die Kunst einer Variety Show ist es eben, sie in ein unterhaltsames Paket zu verstecken. Damit man was lernt, zuschauen UND im Bestfall etwas ändern möchte. Doch wenn stattdessen mit finsterer Mine über die katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels geredet und am Schluss das Resumé gezogen wird, dass wir alle in dreißig Jahren tot sind, dann führt dies nur zu noch mehr Stillstand und Resignation. Etwas, was wir gerade jetzt ÜBERHAUPT nicht gebrauchen können!

Zurück zu den anderen Serien: Documentary Now! hat genau wie in der Staffel zuvor tolle Folgen (Waiting for the Arist) als auch langweilige Episoden (Long Gone) im Gepäck. Die Serie ist weiterhin mehr für jene Leute interessant, welche die Original-Dokus, die aufs Korn genommen werden, kennen.

At Home With Amy Sedaris hat hingegen einen gewaltigen Qualitätssprung vollzogen: War mit die erste Staffel noch zu belanglos und pseudowitzig, so führt Amy Sedaris hier einen skurrilen Charakter nach dem anderen ein. Einige Situationen sind derart absurd, weshalb ich phasenweise das Gefühl hatte eine Kreuzung zwischen einer Werbesendung auf QVC und der Anarcho-Comicserie Rick & Morty zu sehen.

Das es nicht ganz für den großen Wurf reicht, liegt an der mangelnden Abwechslung: Nach der sechsten oder siebten Folge wird es etwas mühselig, dass die vorgestellten Gaststars in Wahrheit völlig schräge Typen sind und Sedaris nach ihrem Leben trachten.

Abschließend wird die Qualitätskurve von Drunk History nun vollends ihrer Prämisse gerecht: Was habe ich noch vor zwei Jahren über die Banalität und die Derbheit der Betrunkenen geschimpft, die mehr und mehr eklige Rülpser von sich gegeben haben und weshalb es mir immer schwerer viel, all das weiter anschauen zu müssen.

Das letzte Jahre war schon etwas besser, aber diesmal schießt Derek Waters allein mit dem kongenialen Are You Afaid of the Drunk? den Vogel ab: Ich hatte vermutlich noch nie so viel Spaß, einem völlig versoffenen Kerl bei seinem Gelalle zuzuhören. Die „Performance“ von Rich Fulcher ist in meinen Augen sogar Emmy-würdig und hätte in der Sparte „Bester Gastdarsteller einer Comedy Serie“ einen Platz verdient gehabt.

Front-runner: Saturday Night Live
Spoiler: Who Is America?

Personal ranking:

1.Saturday Night Live
2.Drunk History
3.At Home With Amy Sedaris
4.Documentary Now!
5.Who Is America?
6.I Love You, America With Sarah Silverman

Bestes Drehbuch einer Variety Talk oder Sketch Serie

Öhm… ja… hüm? Müssen wir darüber ernsthaft reden? Last Week Tonight With John Oliver ist mal wieder der Konkurrenz um Welten überlegen. Allein die Recherche, die in den Beiträgen steckt, spielt in einer eigenen Liga, weshalb auch jeder weiß: Der Oliver, der John, der wird dieses Jahr wieder zwei Emmy einsacken.

Front-runner: Last Week Tonight With John Oliver
Spoiler: The Late Show With Stephen Colbert

Personal ranking:

1.Last Week Tonight With John Oliver
2.Full Frontal With Samantha Bee
3.The Late Show With Stephen Colbert
4.Saturday Night Live
5.Late Night With Seth Meyers
6.Documentary Now!

Beste Regie einer Variety Talk oder Sketch Serie

Wie schon bei meinem Beitrag über die Beste Variety Sketch Serie geschrieben: Are You Afraid of the Drunk? ist eine Klasse für sich. Das selbe gilt für Waiting For The Artist, die beide den Emmy hoch verdienen würden. Allerdings „spüre“ ich erneut die Faulheit der Emmy-Jury und ihren „Riecher“ für konventionell-gewöhnliche Regieleistungen, weshalb Saturday Night Live davon zieht.

Front-runner: Saturday Night Live
Spoiler: Drunk History (Are You Afraid of the Drunk?)

Personal ranking:

1.Drunk History (Are You Afraid of the Drunk?)
2.Documentary Now! (Waiting For The Artist)
3.Who Is America? (Episode 102)
4.Saturday Night Live (Adam Sandler)
5.Last Week Tonight With John Oliver (Psychics)
6.The Late Show With Stephen Colbert (Live Midterm Election Show)

Bestes Variety-Special (Live)

Kommen wir nun zum Block, der bereits ausgezeichnet wurde: Jener über Variety Specials, egal ob Live oder Aufgezeichnet. Und die Gewinner hier sind… sehr… gemischt… vorsichtig… ausgedrückt.

Wichtige Notiz an mich: Ich muss mir mal angewöhnen, die Grammy- und die Tony-Verleihung Live zu sehen. Im Nachhinein ist es jedenfalls nahezu unmöglich, sie auf legale Weise zu sichten.

Die Oscar-Verleihung war hingegen ziemlich gut und die Golden Globes zumindest witzig. Das Revival der beiden Norman Lear Serien All in the Family sowie The Jefferson hat mir ebenso gefallen, weshalb der Sieg aus meiner Sicht in Ordnung geht.

Winner: Live In Front Of a Studio Audience: Norman Lear’s “All In the Family” and “The Jefferson”

Personal ranking:

1.The Oscars
2.Live In Front Of a Studio Audience: Norman Lear’s “All In the Family” and “The Jefferson”
3.The 76th Annual Golden Globe Awards
4.RENT

Nicht gesehen:

The 61st Grammy Awards
72nd Annual Tony Awards

Bestes Variety Special (Aufgezeichnet)

Leute: Falls ihr es noch nicht getan habt – schaut Hannah Gadsby: Nanette. Gibt es auf Netflix. Informiert euch nicht vorher. Guckt es einfach. Und seid erschlagen von dieser ehrlichen Brillanz.

Es ist jedenfalls sehr schade, dass es nicht gewonnen hat – was ich mir schon im Vorfeld dachte. Der Stoff ist für den normalen Emmy-Wähler zu „Hardcore“.

Aber andererseits hätte ich auch nicht damit gerechnet, dass es wieder Carpool Karaoke macht. Gut: Das Special ist schon toll gemacht. Es ist launig, es ist gut inszeniert. Und die Nominierung für das Drehbuch hätte eigentlich schon ein dicker Hinweis darauf sein müssen, dass die Emmy-Wähler es wirklich mögen. Aber persönlich halte ich die voll mit Anekdoten gespickte Springsteen-On-Broadway-Veranstaltung oder das fantastisch gedrehte Homecoming für gehaltvoller.

Nur mit Wanda Sykes: Not Normal komme ich nicht klar. Das Special ist gut geschrieben, aber die Umsetzung… ich weiß nicht. Irgendwie hat mich Sykes Tonfall eher genervt anstatt angesprochen.

Winner: Carpool Karaoke: When Corden Met McCartney Live From Liverpool

Personal ranking:

1.Hannah Gadsby: Nanette
2.Homecoming: A Film By Beyoncé
3.Springsteen On Broadway
4.Carpool Karaoke: When Corden Met McCartney Live From Liverpool
5.Wanda Sykes: Not Normal

Bestes Drehbuch eines Variety Special

Hallelujah: Hier hat Hannah Gadsby: Nanette tatsächlich gewonnen! Und das auch vollkommen verdient. Ihr Special ist absolut einmalig und wird es auch auf ewig bleiben, weil das niemand sonst in dieser Form „kopieren“ kann. Wie gesagt: Schaut es, ohne euch zu informieren. Und ihr wisst sofort, wieso es davon auch niemals auch nur einen Nachahmer geben wird. Eines der absoluten Sensationen der TV/Streaming-Saison 2018/19.

Winner: Hannah Gadsby Nanette

Personal ranking:

1.Hannah Gadsby: Nanette
2.Amy Schumer Growing
3.Wanda Sykes: Not Normal
4.Adam Sandler: 100% Fresh
5.Homecoming: A Film By Beyoncé
6.Carpool Karaoke: When Corden Met McCartney Life From Liverpool

Beste Regie eines Variety Special

O.k…. ich bleib jetzt mal ganz ruhig. Springsteen on Broadway ist ein gutes Special. Es ist eine schöne Mischung aus Songs und Erzählungen, in denen Springsteen lauter Anekdoten aus seinem Leben erzählt. Es hat mir Spaß gemacht, es hat mir gefallen.

Aber wieso zum Fick wird die Regie-Leistung nominiert? Und dann auch noch AUSGZEICHNET ? Der Regisseur hat hier rein GAR NICHTS gemacht, außer die Kamera drauf gehalten. Da ist nix besonderes geschnitten oder gar inszeniert. Es ist einfach Springsteen, wie er singt und erzählt.

Wieso gewinnt so etwas gegenüber der abartigen Choreographie, die in Beyoncés Homecoming steckt? Oder der mal wieder astrein getimten Leistung der Oscar-Verleihung steckt? Oder den coolen Abenteuern von James Cordon und Paul McCartney, die einfach mal so für Carpool Karaoke Live in einem englischen Pub auftreten? Oder der pixelperfekten Nacherzählungen zweier Norman-Lear-Klassiker?

Das hier ist für mich ungelogen die ungerechtfertigste Auszeichnung, die ich je bei Oscar, Globes oder Emmys mitbekommen habe.

Winner: Springsteen On Broadway

Personal ranking:

1.Homecoming: A Film By Beyoncé
2.The Oscars
3.Carpool Karaoke (When Cordon Met McCartney Live From Liverpool)
4.Live In Front of a Studio Audience: Norman Lear’s “All In The Family” And “The Jefferons”
5.Springsteen On Broadway