Emmy Tippschein 2018/19: Comedy Serien

Wo die Drama-Serien schwächeln, da überschlagen sich die Komödien der Saison 2018/2019 nur so mit Superlativen: Von den sieben nominierten Serien hätten meines Erachtens fünf den Sieg hoch verdient. Und in der Tat könnte dieses Rennen knapper ausfallen, als so mancher denkt.

Beste Comedy Serie

Bereits die beiden Außenseiter haben ihren eigenen Charme und eine eingeschworene Fangemeinde. Die Nominierung von Schitt’s Creek ist insofern höchst bemerkenswert, weil es sich um eine kanadische Serie handelt, die bereits seit fünf Jahren läuft, die nie zuvor nominiert wurde und andere etablierte, bereits Emmy-nominierte Serien wie Unbreakable Kimmy Schmidt, GLOW oder black-ish aus dem Feld gekickt hat.

Das Leben einer ehemals reichen Familie, die nun nahezu ohne Geld auskommen muss und in einem abgelegenen Dorf untergekommen ist, ist in der Tat in Sachen Putzigkeit kaum zu überbieten. Allerdings geht mir die Friede-Freude-Eierkuchen Beziehungskisten der beiden Kinder, die sich nun seit mehr als zwei Staffeln zieht, so langsam auf den Senkel.

The Good Place wiederum ist eine dieser Serien, die sich ihren Platz in der Best-Comedy-Riege Stück für Stück erkämpft hat – das zeigt zumindest die stetig ansteigende Anzahl an Nominierungen. Zudem gefällt die tolle Entwicklung, aufgrund dessen jede Staffel etwas ganz besonderes und eigenes darstellt.

Sowohl Fleabag als auch Russian Doll sind noch recht frisch und dürften allein deshalb nicht gewinnen, weil die etablierte Konkurrenz zu dominant ist. Jedoch leben beide von ihren fantastischen Darstellern und den toll geschriebenen Skripten. Russian Doll driftet zudem aufgrund der „Hauptdarstellerin wacht jedes Mal nach ihrem Tod am selben Zeitpunkt ihres Lebens auf“-Prämisse ins Fantastische und das Staffelfinale macht äußerst neugierig, was nun eigentlich im zweiten Jahr geschieht.

Nein, ernsthafte Chancen auf den Sieg haben nur drei Kandidaten: die beiden ehemaligen Gewinner Veep sowie The Marvelous Mrs. Maisel und das ebenfalls bereits massig ausgezeichnete Barry.

Veep gewann 2015/16 sowie 2016/17, nur um für 2017/18 einmal auszusetzen. Diese Pause hat der Serie keinen Meter geschadet und ganz im Gegenteil für ein fabelhaftes Finale gesorgt. Allein die letzte Folge ist derart brillant konzipiert und geschrieben, dass es eine wahre Freude ist. Zudem schafft die Serie bis zur Ziellinie hin eine außergewöhnlich gute Gratwanderung, einen so fehlerbehafteten Menschen wie Selina Meyer derart sympathisch zu machen. Man ist bis zum Schluss zerrissen, ob man ihr tatsächlich das Präsidentenamt gönnt – denn eigentlich ist klar, dass sie eine richtig schlechte Präsidentin sein wird. Und die allerletzte Szene ist eine der zynischsten und zugleich besten, die ich je in einer Serie gesehen habe.

The Marvelous Mrs. Maisel ist von einem ganz anderen Kaliber. Die Serie ist nicht gar nicht mal so lustig, sondern dafür enorm atmosphärisch und bis ins Mark sympathisch. Die Charaktere sind zugleich komplex und stereotypisch. Die Idee klingt auf dem Papier recht gewöhnlich und wirkt dank der gekonnten Umsetzung einmalig. Ich hätte sie mir wohl niemals angesehen, wenn sie nicht all die Auszeichnungen eingeheimst hätte – und diese Entscheidung bitter bereut.

Die zweite Staffel knüpft nahtlos an die Genialität der ersten an. The Marvelous Mrs. Maisel versteht es von allen nominierten Serien am besten, eine glatte Fortsetzung ohne Kanten und ohne Sprünge hinzulegen. Aus dem Grund sehe ich sie auch knapp als Favorit.

Doch ging es nach mir, dann gäbe es einen anderen, glasklaren Sieger: Barry. Die Serie war bereits im letzten Jahr mein persönliches Highlight – und konnte für die zweite Saison noch einen drauf legen.

Die Idee, eine Comedy Serie rund um einen perfekten Attentäter zu gestalten, funktionierte primär aufgrund einer simplen Tatsache: der (Anti-)Held wird gespielt von Bill Hader. Der ist in der Fortsetzung mindestens genauso gut wie im letzten Jahr. Darüber hinaus haben alle Nebendarsteller, von Stephen Root über Sarah Goldberg bis Anthony Carrigan, eine mächtige Schippe drauf gelegt. Dazu kommt mit ronny/lily die vermutlich beste halbe Stunde, die für die Saison 2018/2019 gedreht wurde – egal in welcher Sparte.

Einen Emmy-Sieg für die „Beste Comedy Serie“ kann ich mir trotzdem nur schwer vorstellen, schlicht weil sie zu viele Drama-Elemente besitzt – und die Emmy-Jury so etwas so gut wie nie in ihrer Geschichte ausgezeichnet hat. Deshalb gehe ich auf Nummer sicher und auf einen der beiden bereits honorierten „Klassiker“ – gleichwohl ich im Gegensatz zu anderen Emmy-Experten die Reihenfolge zwischen Fronntrunner und Spoiler vertausche.

Front-runner: The Marvelous Mrs. Maisel
Spoiler: Veep

Personal ranking:

1.Barry
2.Russian Doll
3.The Marvelous Mrs Maisel
4.Fleabag
5.Veep
6.The Good Place
7.Schitt’s Creek

Bestes Drehbuch einer Comedy Serie

Wer sich meine Ranglisten für die beste Serie und das beste Drehbuch anschaut, der merkt, wie eng die Top-Kandidaten beieinander liegen. Denn hier würde ich in der Tat den altgedienten Star, namentlich Veep, die Trophäe geben – allein wegen diesem absolut genialen Ende.

Etwas erstaunt (sowie besorgt) bin ich allerdings über das Fehlen von The Marvelous Mrs. Maisel, weshalb mein Tipp für die Beste Comedy Serie auch mit etwas Bauchschmerzen erfolgt. Zwar ist die Serie stattdessen zweifach in der Regie-Kategorie unterwegs – doch hat diese im TV-Bereich weniger Gewicht als beispielsweise bei den Oscars.

Die einzigen beiden Serien, die im übrigen sowohl für Drehbuch als auch für Regie nominiert sind: Barry und Fleabag. Und letztgenannte könnte hier tatsächlich aufgrund der gewitzten Charaktere gewinnen, die wahrlich kein Blatt vor den Mund nehmen. Es geht jedenfalls am ehesten in die Richtung, was den Emmys gefällt, während Barry zu abgedreht und Russian Doll zu sehr Gimmick sein dürften.

Kleine Randnotiz: Ich wünsche PEN15 für die nächsten Jahre mehr Erfolg. Die Serie ist innovativ und toll umgesetzt, jedoch ist ausgerechnet die hier ausgewählte Folge relativ zahm – weshalb sie in meiner Rangliste leider ganz unten landet.

Front-runner: Veep (Veep)
Spoiler: Fleabag (Episode 1)

Personal ranking:

1.Veep (Veep)
2.Barry (ronny/lily)
3.Russian Doll (Nothing In This World Is Easy)
4.Fleabag (Episode 1)
5.The Good Place (Janet(s))
6.Russian Doll (A Warm Body)
7.PEN15 (Anna Ishil-Peters)

Best Hauptdarsteller einer Comedy Serie

Chuck „Big Bang Theory“ Lorre kommt nie zu seinem Emmy: Da hat sein Kominsky Method noch im Januar bei den Golden Globes abgeräumt, und dann wird die Serie bei den Emmys ignoriert. Immerhin hat Michael Douglas allein aufgrund seines Starstatus eine kleine Siegchance, was den besten Hauptdarsteller anbelangt.

Allerdings kann (und möchte) ich mir kaum vorstellen, dass Bill Hader seinen zweiten Emmy für Barry verliert. Er ist noch besser, noch abgedrehter und noch abgehärter zugleich, nachdem er bereits letztes Jahr überraschend (und doch völlig verdient) gewann.

Nebenbei erwähnt ist es für mich ein absolutes Rätsel, wieso Jim Carrey für Kidding fehlt und dafür Don Cheadle für das langweilige Black Monday berücksichtigt ist. Irgendwas muss der Mime jedenfalls falsch machen, weshalb er ständig für seine besten und außergewöhnlichsten Leistungen von den größten Awardshows ignoriert wird (siehe auch Oscars und Truman Show sowie Man on the Moon).

Front-runner: Bill Hader (Berry)
Spoiler: Michael Douglas (The Kominsky Method)

Personal ranking:

1.Bill Hader (Barry) +
2.Ted Danson (The Good Place) +
3.Eugene Levy (Schitt’s Creek) o
4.Anthony Anderson (black-ish) +
5.Michael Douglas (The Kominsky Method) o
6.Don Cheadle (Black Monday) o

Beste Hauptdarstellerin einer Comedy Serie

Meine Güte, wo soll ich da bloß anfangen? Ähnlich wie bei der besten Serie hätten es fünf der sechs Nominierten locker verdient als Sieger vom Platz zu gehen. Christina Applegates Nominierung für Dead to Me gehört besonders gefeiert, weil kaum jemand damit gerechnet hat.

Aber wofür soll man sich denn hier entscheiden? Für die schnippisch-überforderte Natasha Lyonne in Russian Doll, die wieder und wieder ihren eigenen Tod erlebt? Für die freche-ruchlose Phoebe Waller-Bridge in Fleabag, deren Sexkapaden man gleichzeitig feiern als auch ohrfeigen möchte? Oder doch wieder Julia Louis-Dreyfus, die in Veep die Rolle ihres Lebens spielt und diesen Montag Emmy-Geschichte als siebenfache Siegerin für die selbe Serie schreiben könnte?

Es ist wirklich die Frage: Möchte die Emmy-Jury diesen Durchmarsch? Oder schaut sie lieber auf Rachel Brosnahan, die letztes Jahr dank der Veep-Pause problemlos gewinnen konnte und allein in der für dieses Jahr eingereichten Folge wirklich alles andere an die Wand spielt?

Bitte, schaut euch nur diesen Monolog am Ende der Folge Midnight at the Concord an… wo sie auf der Bühne steht, ihre ungeschönte Stand-Up-Nummer runter rasselt und plötzlich bemerkt, dass ihr Vater (grandios gespielt von Tony Shalhoub) im Publikum sitzt sowie mit eiserner und zugleich enttäuschter Mine auf sie schaut: Was Brosnahan da für ein auf und ab in nicht einmal fünf Minuten zeigt, ist DEFINITIV Emmy-würdig und ein Eintrag in den Geschichtsbüchern wert.

Ob ich begeistert bin? Wie kommt ihr denn darauf…?

Front-runner: Julia Louis-Dreyfus (Veep)
Spoiler: Rachel Brosnahan (The Marvelous Mrs. Maisel)

Personal ranking:

1.Rachel Brosnahan (The Marvelous Mrs. Maisel) +++
2.Natasha Lyonne (Russian Doll) o
3.Julia Louis-Dreyfus (Veep) +
4.Phoebe Waller-Bridge (Fleabag) o
5.Christina Applegate (Dead To Me) o
6.Catherine O’Hara (Schitt’s Creek) o

Bester Nebendarsteller in einer Comedy Serie

Henry „Fonzie“ Winkler gewann letztes Jahr sensationell für Barry – ein Sieg für den alten TV-Haudegen, der über 40 Jahre in der Mache war. Demzufolge bin ich mir nicht so sicher, ob er ihn diesmal wiederholt – denn der Sentimentalitätsfaktor ist gesättigt und Tony Shalhoub in The Marvelous Mrs. Maisel eine Welt für sich. Ebenfalls doof für Winkler: Stephen Root und Anthony Carrigan sind ebenfalls für Barry nominiert und so etwas kostet immer Stimmen, als wenn man alleine als Nebendarsteller für eine Serie bürgt.

Der vermeintliche Front-runner Alan Arkin hat mir in The Kominsky Method am wenigsten zugesagt, jedoch hat er genau den Bonus, den letztes Jahr Winkler hatte: Sentimentalität. Der Mann ist schließlich 85 Jahre alt und hat noch keinen Emmy im Schrank stehen. Bei den Oscars hat’s vor dreizehn Jahren jedenfalls funktioniert…

Front-runner: Alan Arkin (The Kominsky Method)
Spoiler: Tony Shalhoub (The Marvelous Mrs. Maisel)

Personal ranking:

1.Tony Shalhoub (The Marvelous Mrs. Maisel) o
2.Stephen Root (Barry) o
3.Tony Hale (Veep) +
4.Henry Winkler (Barry) +
5.Anthony Carrigan (Barry) o
6.Alan Arkin (The Kominsky Method) o

Beste Nebendarstellerin einer Comedy Serie

Manchmal bin ich blind – so geschehen im Falle von Sarah Goldberg, deren Brillanz mir beim ersten Ansehen der zweiten Barry-Staffel noch nicht so ganz bewusst war. Aber nach erneuter Sichtung ihres Killermonologs in der Folge The Audition, die sie entsprechend auch eingereicht hat, muss ich kleinlaut zugeben: Die Frau könnte Alex Borstein tatsächlich das Double versauen.

Vielleicht schwimmt auch die große Olivia Colman für Fleabag nach ihrem Oscar-Sieg über die Ziellinie, zudem ihr emotionsgeladener Charakter definitiv helfen dürfte, dem gemeinen Emmy-Wähler in Erinnerung zu bleiben. Jedoch ist Borstein für The Marvelous Mrs. Maisel in meinen Augen zu mächtig: Der Vorjahressieger hat bei den Emmys immer einen Bonus und ihre Leistung ist im Vergleich zum Vorjahr noch ein Eckchen besser.

Front-runner: Alex Borstein (The Marvelous Mrs. Maisel)
Spoiler: Sarah Goldberg (Barry)

Personal ranking:

1.Alex Borstein (The Marvelous Mrs. Maisel) +
2.Olivia Colman (Fleabag) o
3.Kate McKinnon (Saturday Night Live) +
4.Betty Gilpin (GLOW) +
5.Sarah Goldberg (Barry) +
6.Sian Clifford (Fleabag) o
7.Marin Hinkle (The Marvelous Mrs. Maisel) +
8.Anna Chlumsky (Veep) o

Beste Regie einer Comedy Serie

Letztes Jahr hätte eigentlich Atlanta locker für Teddy Perkins gewinnen müssen und am Ende setzte sich der grundsolide, bodenständige Pilot von The Marvelous Mrs. Maisel durch. Aus dem Grund tippe ich diesmal gar nicht erst auf die mit weitem Abstand beste Regieleistung des Jahres, namentlich die kongenialen ronny/lily-Folge von Barry, und prophezeie nun selbst die Mrs. Maisel.

Allerdings sollte mir niemand The Big Bang Theory unterschätzen: Die Serie hat in dieser Kategorie noch nie gesiegt und gerade die Regie-Emmys werden gerne an altgediente Klassiker für ihre letzte Staffel verliehen, selbst wenn die zugehörige Serie nicht im Rennen ist (fragt mal Emergency Room).

Front-runner: The Marvelous Mrs. Maisel (We’re Going To The Catskills!)
Spoiler: The Big Bang Theory (The Stockholm Syndrome)

Personal ranking:

1.Barry (ronny/lily)
2.The Marvelous Mrs. Maisel (We’re Going To The Catskills!)
3.The Marvelous Mrs. Maisel (All Alone)
4.Fleabag (Episode 1)
5.Barry (The Audition)
6.The Big Bang Theory (The Stockholm Syndrome)