Game #89: Resident Evil 4

089-Resident_Evil_4Hersteller: Capcom
Director: Shinji Mikami
Composers: Misao Senbongi & Shusaku Uchiyama
System: GameCube
Jahr: 2005

„Woah!“ ist immer noch das beste Wort, um meine Eindrücke über Resident Evil 4 beschreiben. Bevor das Spiel erschien, fühlte ich mich bezüglich der Serie wie ein Außenseiter. Gleichwohl mich Code Veronica mit seiner tollen Story angenehm überraschte, konnte ich den Hype rund um die Zombiehatz nie vollständig nachvollziehen.

O.k., das könnte an meiner globalen Abneigung gegenüber Untoten ohne Hirn liegen. Aber mit jeder neuen Episode dachte ich mir: Wieso wird dieser Design technisch eher halbgare Mix aus Action und Adventure trotz seiner steifen Steureungsmechanik derart verehrt? Nicht falsch verstehen: Objektiv sind die meisten Episoden richtig gut und haben klar definierte Stärken. Aber von außen betrachtet wirkte es wie eine dieser Serien, deren Fehler öfters verziehen wurde als jene aus anderen.

Und dann kommt Resident Evil 4, das nicht nur einen brutal mutigen Umbruch vollführt und tonnenweise neue Ideen einbürgert. Nein: Es macht dies in einer Perfektion, wie man es sonst nur von ausgefeilten Fortsetzungen gewohnt ist, die auf den Errungenschaften ihrer Vorläufer aufbauen. Die gibt es in diesem Fall nicht wirklich, obwohl es sich laut Titel um den offiziell vierten Teil einer Serie handelt.

Die Story ist schnell abgehakt: Ihr kehrt zurück in die Rolle von Leon Kennedy, der die entführte Tochter des amerikanischen Präsidenten aus einem beschaulichen spanischen Dorf befreien soll. Dort stoßt er einerseits auf die Sekte Los Illluminados und andererseits natürlich auf zahlreiche Bewohner, die von einem Parasiten infiziert wurden. Und wie ihr euch vorstellen könnt sorgt der nicht gerade für eine erhöhte Intelligenz…

Doch hier steckt bereits einer der entscheidenden Unterschiede: Die Infizierten sind keine Zombies im klassischen Sinne. Sie sind zwar dumpf und auf Gewalt aus, aber sie greifen gezielt in Gruppen an und können eingeschränkt mit Waffen umgehen. Die Bedrohung ist im Vergleich zu den alten Resident Evil-Spielen eine ganz andere und bereichert die Action enorm.

Überhaupt ist es schwer, hier überhaupt noch von einem Action-Adventure zu reden. Die Rätsel sind mehr oder weniger eine Randnotiz und vermutlich überhaupt nur deshalb noch vorhanden, damit überhaupt ein spielerischer Bezug zu den Vorgängern vorhanden ist. Alles weitere spielt sich allein aufgrund der veränderten Perspektive völlig anders: Anstatt zwischen vorgegebenen Kameraperspektiven zu wechseln, schaut ihr stets über Leons Schulter. Weil euer Alter Ego nicht zentral sondern am Rand gezeigt wird, habt ihr insbesondere dank des Breitbildformats stets den Überblick.

Resident Evil 4 unterscheidet zwischen zwei grundsätzlichen Steuerungsmodi: dem Laufen und dem Schießen. Beides gleichzeitig ist nicht möglich, was von einigen kritisiert wird. Aber selbst hier muss ich ganz klar dagegen halten: Gerade durch diese Trennung fühlt sich die Schießerei viel bedrohlicher und viel intensiver an. Ihr könnt hier nicht einfach durch die Gegend rennen und die Infizierten im Vorbeilaufen abknallen. Es mag dahingestellt sein, inwiefern es realistisch ist. Aber rein aus spielerischer Hinsicht ist das Konzept ein absoluter Volltreffer.

Ebenfalls nahezu perfekt ist das Balancing der Waffen: Das Spiel gibt euch immer nur so viel Munition, wie ihr gerade benötigt. Dadurch fühlt ihr euch ständig etwas hilflos und panisch, weil ihr denkt „Huiuiuiui, ich hab nur noch zwei Patronen…“. Aber der Zufallsalgorithmus, der das Hinterlassen von Nachschub bestimmt, ist derart geschickt programmiert, dass ihr immer gerade so über Wasser gehalten werdet und stets im allerletzten Moment ein Munitionspäckchen bekommt.

Nehmt hinzu das geniale Setting, die für GameCube-Verhältnisse beeindruckende Grafikleistung und einige fantastisch gestaltete Endgegner, die sowohl optisch als auch spielerisch nur so Kreativität sprühen, und … ihr fragt euch sicherlich, warum das Spiel auf Platz 89 versauert. Nun, zum einen befinden wir uns inzwischen in einem Territorium, wo meine Euphorie aller noch vorgestellten Spiele nicht zu knapp ausfallen dürfte. Zum anderen ist Resident Evil 4 für mich persönlich einen Tacken zu spät erschienen.

Es erinnert mich mehr an einen Ego-Shooter anstatt ein Action/Adventures. Doch die Faszination von ersterem Genre blätterte mit dem Siegeszug eines gewissen Brechstangenträgers, dessen zweiter Teil in meinen Augen bis heute ungeschlagen ist, Stück für Stück ab. Dafür nahm mehr und mehr die Liebe zur stetigen Entwicklung der Adventures zu – ergo genau der Sparte, von der sich Resident Evil 4 bewusst abwendet.

Zu guter Letzt wäre Resident Evil 4 rein objektiv betrachtet ohne jeden Zweifel das beste Spiel des Jahres 2005… wenn da nicht knapp zehn Monate später ein Titel erscheinen sollte, der in meinen Augen aufgrund seiner Einmaligkeit die gesamte Branche auf den Kopf stellte. Also, insgeheim und nicht offensichtlich, wohlgemerkt. Es würde eh keiner zugeben, dass dem so ist – und verraten darf ich es euch erst später. Sehr viel später.

 

 

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