Star Wars: Das Erwachen der Macht

Spoiler-Warnung: Der Text ist nur für Leute gedacht, die den Film bereits gesehen haben. Aber mal ernsthaft: Wer hat das denn jetzt noch nicht getan?

Das Erwachen der Macht ist keine drei Wochen alt und hat trotzdem bereits alle Phasen durchgemacht, die ein hochgezüchteter Hype durchleben kann. Von unbändiger Erwartungen, über hochjauchzendem Jubel á la „Es ist so viel besser als die Prequels“ bis zu niederschmetternden Enttäuschungen der Marke „Nicht mehr als ein Harry Potter im Weltraum“ überschlagt sich das Internet mit positiver wie negativer Meinungsmache, die fast schon an festgefahrene Politlager erinnert. Frei nach dem Motto: Hauptsache man ist gegen die anderen.

Nüchtern betrachtet ist der neue Star Wars exakt das, was man mit einem rein rationalen Sachverstand im Vorfeld hätte erwarten müssen: ein typischer Film von J.J. Abrams. Ich mag den Mann, keine Frage – er schafft es mich zu unterhalten und wohlige Erinnerungen aus alten Tagen zu reanimieren. Mir gefällt sowohl sein Spielberg’eskes Super 8 als auch seine Neuinterpretation von Star Trek. Im Falle von Mission Impossible 3 konnte er gar der leicht ausgelutschten Prämisse neue Impulse geben, ohne die vielleicht nie die folgenden sowie bisweilen allesamt überraschend guten Fortsetzungen zustande gekommen wären.

Aber (und das ist ein großes aber): J.J. Abrams ist keiner für bahnbrechende Innovationen. Er ist kein Auteur im klassischen Sinne, der seine eigene Vision auf die Leinwand bannt. Nein: Er versucht vielmehr das umzusetzen, von dem er glaubt, dass es sein Publikum mögen könne. Wohlgemerkt geht es hier nicht um irgendwelches Marktanalysen-Gedöns, sondern um „das Herz der Fans“. Deshalb ist Abrams auch erstaunlich erfolgreich, aber eben auch kalkulierbar.

Star Wars: Das Erwachen der Macht ist ein wirklich guter Film und ohne jeden Zweifel besser als die Prequels. Er lässt mich seit Tagen nicht mehr los, weil einzelne Szenen wieder und wieder durch meinen Kopf geistern. Aber die große Stärke ist gleichzeitig seine unübersehbare Schwäche, nämlich die Parallelen zu den alten, beliebten Filmen. J.J. Abrams drückt genau auf die Knöpfe, die unsere Synapsen ansprechen: matte Farben, pfeilschnelle X-Wings, explodierende Planeten, der Kontrast zwischen der hellen und der dunklen Seite der Macht. Es ist alles da und es ist größtenteils gekonnt inszeniert.

Nahezu alle berühmten Szenen aus A New Hope finden hier ihren Counterpart, nur dass Abrams ein wenig die Charaktere kreuzt. So verliert Han Solo sein Leben im Kampf gegen die dunkle Seite und nicht Luke Skyalker, der sichtlich die Nachfolge von Obi-Wan Kenobi antritt und nur einen sehr kurzen (wenn auch perfekten) Cameo-Auftritt hat. Aber im Grunde ist es das gleiche, inklusive all der Unzulänglichkeiten, die man schon dem alten Klassiker von 1977 hätte ankreiden können. Allen voran die Frage, warum die Bösewichter erneut eine derart mächtige Waffe wie den Starkiller bauen konnten und wieder nicht in der Lage sind, dessen offensichtliche Schwachstelle ordentlich zu schützen.

Gerade der letztgenannte Punkt zeigt mir, wie ängstlich Abrams und Disney gewesen sein müssen. Ich bin mir sicher, dass sie sich gedacht haben: „Hm, eigentlich ist es total unlogisch – aber genau so war das im ersten Star Wars Film auch und genau danach sehnen sich doch die Fans!“. All die Vorsichtsmaßnahmen sorgen dann auch für die einzige handwerkliche Schwäche, nämlich das eine oder andere überhastete Ereignis. Man spürt regelrecht, wie gegen Ende immer mehr Szenen eigentlich nur deshalb Teil des Gesamten sind, damit auch ja keine lieb gewonnene Anekdote aus A New Hope verloren geht.

Als The Awardian muss ich mich zwangsläufig mit der Frage beschäftigen, ob Das Erwachen der Macht ernsthafte Oscar-Chancen hat. Der sehr späte Release, der jegliche Möglichkeiten auf eine SAG oder Golden-Globe-Nominierung verhinderte, sprechen eindeutig dagegen. Das Science-Fiction-Szenario und die unzähligen Parallelen zu den alten Filmen senken die Wahrscheinlichkeit umso mehr. Insgesamt tendiere ich eher zu einem „Nein“ – aber ich kann und will es nicht komplett ausschließen.

Denn als vor sieben Jahren The Dark Knight mutmaßlich nur ganz knapp den Sprung in die Best-Picture-Riege verpasste, da reagierte die Academy mit einer Regelung, die genau für solch Filme wie Fluch der Karibik, Harry Potter und der Stein der Weisen oder eben Star Wars: Das Erwachen der Macht gedacht war: Die Möglichkeit mehr als fünf Filme zu nominieren, damit eben die beliebten wie gleichzeitig kompetenten Blockbuster ihren Platz neben Spotlight, The Big Short oder The Revenant finden.

In gewisser Weise würde ich es dem Film sogar wünschen. Alle Copycat-Vorwürfe mal beiseite gelassen, muss man Abrams & Co. neidlos anerkennen, dass sie es geschafft haben die alten Gefühle entgegen aller Prequel-Nachwehen neu zu beleben. Die Einführung der neuen Charaktere (insbesondere Rey und Finn) ist durch die Bank weg gelungen und macht Lust auf die beiden bereits fest eingeplanten Fortsetzungen. Zudem gehe ich schwer davon aus, dass Episode VIII viel mutiger sein wird, allein dank des dort herrschenden Regisseures Rian Johnson. Der Mann ist alles andere als ein Kopierer und dank des intelligenten Looper sowie der praktisch perfekten Ozymandias-Folge aus Breaking Bad die cleverste Waahl, die Disney hätte treffen können.

Doch wer weiß, ob Johnsons Vision Anklang gefunden hätte, wenn sie direkt nach den Prequels entstanden wäre. Was Star Wars dringend benötigte, war die Rückkehr des Vertrauens und der Beweis, dass diese Saga auch heute noch funktionieren kann. Und genau das hat J.J. Abrams in meinen Augen erreicht und exakt dieser Aspekt könnte dem Film tatsächlich zu einer elitären Best-Picture-Nominierung verhelfen. Sofern die Academy neben Mad Max: Fury Road und Der Marsianer noch genügend Sci-Fi-Liebe über hat, versteht sich…