Tippschein für Oscar-Nominierungen 2018/2019

Das Oscar-Rennen erreicht morgen seinen vorläufigen Höhepunkt, sobald die Nominierungen bekannt gegeben werden – und die Herde der Oscar-Watcher ist bereits jetzt am Kotzen, weil das von ihnen ungeliebte Green Book seit gestern zum Frontrunner aufgestiegen ist. Dem Sieg des hoch dekorierten Producer Guild Awards sei dank…

Normalerweise gebe ich keine Tipps, was die Nominierungen anbelangt – hauptsächlich weil ich bislang kaum Filme gesehen habe und mich deshalb auf andere Meinungen sowie Statistiken verlassen muss. Diese Jahr probiere ich es trotzdem, einfach weil 2018 total gaga war.

Vorhang auf für…

Best Picture

A Star is Born
Black Panther
BlacKkKlansman
Bohemian Rhapsody
The Favourite
Green Book
Roma
Vice

Zur Erinnerung: Seit 2011 kann es in dieser Kategorie fünf bis zehn Nominierungen geben. Die genaue Anzahl hängt vom recht komplizierten Wahlsystem ab, dass ich ganz unten genauer erkläre (wen es wirklich interessiert). Für den Laien lässt es sich auf folgende Aspekte reduzieren:

Filme werden anhand von Top-Fünf-Listen gewählt, die jeder Academy-Wähler abgeben darf.
Das Wahlsystem ist so geeicht, dass man nach dem Herzen wählen und nicht taktieren soll. D.h. hat man einen total obskuren Favoriten, dann sollte man ihn trotzdem auf Platz 1 setzen. Auch wenn er letztlich nicht nominiert wird, sorgt das Wahlsystem dafür, dass der Stimmzettel einem anderen Kandidaten auf Platz 2, 3, 4 oder gar 5 hilft.
Das gleiche gilt für einen Favoriten, der besonders oft gewählt wird: Daraufhin erhält der zweite, dritte, vierte oder fünfte Platz zumindest Teilpunkte.

Das wiederum bedeutet:

– Filme, die besonders oft auf dem ersten Platz genannt werden, haben absoluten Vorrang.
– Filme, die auf den zweiten, dritten, vierten gar fünften Plätzen genannt werden, sind enorm im Nachteil.
– Filme, die umstritten sind (d.h. viel geliebt und viel gehasst) haben eher eine Nominierungschance als jene, die von der Masse akzeptiert werden (d.h. jeder mag, aber kaum einer verehrt sie).

Dieses Verfahren ist besonders günstig für Green Book, VICE oder Bohemian Rhapsody, die trotz vieler Gegenstimmen eben auch eine sehr große Fangemeinde haben. Und weshalb sie in meinen Augen sicher „drin“ sind. Das gleiche gilt für Roma, wobei sich hier die Kritik auf das Netflix-Problem bezieht – jedoch sollte Cuarons Meisterstück allein dank seiner Qualitäten genügend Erststimmen erhalten.

Wer in meinen Augen mehr zittern darf? Ich bin brutal ehrlich: BlacKkKlansman, The Favourite, Black Panther und ja, richtig gelesen, A Star is Born. Bei all diesen Filmen höre ich mehr Zuspruch der Marke „Der Film muss nominiert werden“ – aber wie viele Academy-Wähler LIEBEN diese Werke tatsächlich?

Mehr und mehr mache ich mir Sorgen bezüglich Black Panther: Reicht eine Bedrohung in Form eines ungeliebten Best Popular Picture Awards? Wie viele Academy-Wähler nennen ihn deshalb tatsächlich auf den ersten Platz und nicht auf einen der unteren Ränge?

Und was A Star is Born anbelangt: Ja, Bradley Coopers Musikdrama ist für nahezu jeden renomierten Filmpreis auf diesem Planeten nominiert. Aber es gewinnt so gut wie nichts. Was heißt: Viele mögen ihn, relativ wenige lieben ihn…

Damit hätte ich acht Filme auf meinem Tippschein. Unabhängig davon wären noch zwei weitere Nominierungen möglich – theoretisch. Laut anderen Oscar-Bloggern gäbe es folgende Optionen:

If Beale Street Could Talk (ist leider innerhalb der Industrie sehr untergegangen und wäre zum jetzigen Zeitpunkt eine Überraschung á la Room)
A Quiet Place (hat nach der Producer-Guild-Award-Nominierung etwas Aufwind bekommen, aber mehr ist da nicht)
First Man (wird in der Tat von einigen, innigen Filmfanatikern verehrt – aber rein statistisch gesehen wäre es ein Wunder)
First Reformed (siehe First Man hoch Tausend)
Cold War (erhält plötzlich Aufmerksamkeit, weil das polnische Drama bei den BAFTAs, dem britischen Oscar-Pendant, erstaunlich gut angekommen ist – allerdings wird es kaum Erststimmen erhalten, weil die Zielgruppe eher Roma feiern dürfte)

Der Film, den ich persönlich noch am ehesten auf Best Picture setzen würde, ist Crazy Rich Asians: eine heiter-leichte Komödie, die erstaunlich viel wichtige Nominierungen erhalten hat (darunter Producer Guild, Bestes Schauspielerensemble bei der Screen Actor Guild und beste Komödie bei den Golden Globes). Allerdings ist auch hier zweifelhaft, ob es wirklich genügend Enthusiasten innerhalb der Academy gibt, die für die notwendigen Erststimmen sorgen. Und es gibt mit Bridesmaids einen sehr ähnlichen Fall, der dann doch bei den Oscars durchfiel.

Ergo beschränke ich mich auf acht Nominierungen und tippe eher darauf, dass es diesmal am Ende weniger sein könnten.

Best Directing

Adam McKay (VICE)
Alfonso Cuarón (Roma)
Spike Lee (BlacKkKlansman)
Peter Farrelly (Green Book)
Yorgos Lanthimos (The Favourite)

Ja, richtig gelesen: Ich tippe auf einen „Snub“ von Bradley Cooper. Bislang hat er nirgends gewonnen, obwohl er und sein Film ständig & für alles nominiert werden. Zudem schiele ich hier wieder auf Statistiken, die besagen: Die Oscars nominieren selten exakt die selben Regisseure wie die Golden Globes oder der Director Guild Award. Die haben sich jedoch bereits auf das gleiche Quintett geeinigt, weshalb ich es um einen Mann kürzen muss.

Ich gehe als systematisch vor:

– Cuarón sollte genügend Stimmen aufgrund seiner Wahnsinnsleistung erhalten.
– Lee ist überfällig.
– Farrelly hat den mutmaßlichen Best-Picture-Gewinner gedreht und taucht auch nahezu überall auf, obwohl Green Book „nur“ eine Komödie ist.
– McKay hat vielleicht den wohl umstrittensten Film des Jahres konzipiert – jedoch gibt es eben keine Gegenstimmen, weshalb die ganzen Nein-Sager nichts zu melden haben.

Cooper hingegen wird überall als „gesetzt“ angesehen, obwohl kaum einer von seiner tatsächlichen Leistung schwärmt. Die Zeiten, in denen Schauspieler automatisch für ihre Regieleistungen bei den Oscars honoriert werden, ist ebenfalls vorbei. Fragt Ben Affleck. Und die Kategorie Best Director ist fast immer für DIE große Überraschung gut – siehe das Fehlen von Ridley Scott für Der Marsianer oder Martin McDonagh für Three Billboards Outside Ebbing, Missouri.

Nicht zuletzt: Cooper wird so oder so einige Nominierungen abstauben – braucht er dann auch noch eine für Best Director, wenn er vermutlich eh keinen Oscar gewinnt?

Daraufhin stellt sich die Frage: Wer könnte Cooper ersetzen? Erstaunlich viele Oscar-Blogger tippen seit ein paar Tagen auf Pawel Pawlikoswski für Cold War, aber erneut verweise ich auf Alfonso Cuarons Roma: Die Filme sind vom Stil und von der Zielgruppe her zu ähnlich. Zudem wären es zwei Regisseure fremdsprachiger Filme, was bei den Oscars bislang nur zweimal passiert ist.

Bis zuletzt hoffte ich noch auf Ryan Coogler für Black Panther, weil er als Regisseur maßgeblich für den entscheidenden Unterschied gesorgt hat. Oder wie wäre es mit Damien Chazelle, dessen First Man nur aufgrund einer dämlichen Schmierenkampagne zu Bruch gegangen ist? Auch Barry Jenkins für If Beale Street Could Talk ist eine Option, gleichwohl den Film anscheinend kaum jemand gesehen hat.

Nein, am Ende bleibt nur derjenige, auf den viele Oscar-Blogger seit Beginn der Saison tippen und der immerhin eine BAFTA-Nominierung abstauben konnte: Yorgos Lanthimos für The Favourite. Wohlgemerkt: Es wäre eine Überraschung. Aber genau das ist es, was ich bei Best Director erwarte.

Best Actor

Bradley Cooper (A Star is Born)
Christian Bale (VICE)
John David Washington (BlacKkKlansman)
Rami Malek (Bohemian Rhapsody)
Viggo Mortensen (Green Book)

Hier gehe ich eins zu eins mit der Screen Actor Gilde mit – einfach weil es an Alternativen mangelt. Fans hoffen immer noch auf Willem Dafoe für At Eternity’s Gate oder Ethan Hawke für First Reformed. Aber all das hört sich nach Wunschdenken an – besonders letzterer Kandidat, der nirgendswo auch für irgendetwas nominiert wurde (Kritikervereinigungen zählen nicht – die wählen nicht bei den Academys oder den Gilden!).

Best Actress

Glenn Close (The Wife)
Lady Gaga (A Star is Born)
Melissa McCarthy (Can you ever forgive me?)
Olivia Colman (The Favourite)
Viola Davis (Widows)

Hier bin ich vorsichtig, um eine Enttäuschung zu vermeiden: Ich glaube erst an eine Nominierung für Emily Blunt (in dem Falle für Mary Poppins Rückkehr), wenn sie wirklich geschieht. Ergo weiche ich hier von der Screen Actor Gilde ab und setze auf die BAFTA-nominierte Viola Davis. Viele andere Oscar-Blogger hoffen auf Yalitza Aparicio für Roma oder Toni Collette für Hereditary, nur ist das noch mehr Wunschdenken als Hawke oder Dafoe.

Best Supporting Actor

Adam Driver (BlacKkKlansman)
Mahershala Ali (Green Book)
Richard E Grant (Can you ever forgive me?)
Sam Rockwell (Vice)
Timothée Chalamet (Beautiful Boy)

Immer häufiger werden Schauspieler als Nebendarsteller nominiert, obwohl sie eine Hauptrolle haben – weshalb ich Chalamet als „drin“ bezeichne. Gleichzeitig mag die Academy kurze Auftritte, die Spuren hinterlassen – und Sam Rockwell ist bereits in dieser einen Trailer-Szene absolut göttlich.

Ich „verzichte“ auf Sam Elliott für A Star is Born, der ursprünglich mal als Durchmarsch für den Sieg gesetzt war und bereits ein paar außergewöhnliche Nominierungen verpasst hat (BAFTA, Golden Globe).

Ach ja, und vielleicht gibt es hier eine absolute Überraschung in Form von Hugh Grant für Paddington 2: Der war schließlich im letzten Jahr für den BAFTA nominiert… warum also nicht?

Best Supporting Actress

Amy Adams (VICE)
Emma Stone (The Favourite)
Linda Cardellini (Green Book)
Rachel Weisz (The Favourite)
Regina King (If Beale Street Could Talk)

Ohne jeden Zweifel: Wird Regina King nominiert, dann gewinnt sie auch – wie jeden anderen Preis bislang. Deshalb ist es umso ungewöhnlicher, dass sie bei der Screen Actor Gilde UND bei den BAFTAs von vorne herein nicht mitmachen darf.

Persönlich glaube ich nicht an Claire Foy für First Man (weil auch diese Dame einige relevante Nominierungen verpatzt hat) und Margot Robbie für Mary Queen of Scots (weil der Film an sich kaum Liebe erhält). Stattdessen gehe ich hier mit dem Trend und setze auf eine Überraschungsnominierung für Linda Cardellini und das immer stärker werdende Green Book.

Best Original Screenplay

The Ballad of Buster Scruggs
Eighth Grade
The Favourite
Green Book
VICE

Hier befürchte ich einen „Snub“ von Alfonso Cuarons Roma – aus einem ähnlichen Grund wie Cooper bei der Regie: Wie viele Nominierungen sollte Cuaron bekommen?

So stark der Film auch ist, sein Drehbuch ist eigentlich dünn und trieft nur so vor Improvisation. Dafür würde mich eine Überraschungsnominierung der Coen-Brüder für das Netflix-Only The Ballad of Buster Scruggs nicht wundern.

Best Adapted Screenplay

Black Panther
BlacKkKlansman
Can You Ever Forgive Me?
Crazy Rich Asians
If Beale Street Could Talk

Black Panther ist mehr als Wunschdenken: Bislang hat der Film genügend Drehbuch-Nominierungen eingeheimst, darunter bei der Writer Gilde, und ich werde wahnsinnig, wenn Ryan Coogler völlig leer ausgeht. Gewinnen tut eh Spike Lee für BlacKkKlansman.

Best Film Editing

A Star is Born
First Man
Green Book
Roma
VICE

Sofern Green Book tatsächlich ein ernsthafter Kandidat für Best Picture ist, kriegt er auch die Nominierung für den besten Filmschnitt. Wird bei solch starken Komödien eigentlich immer honoriert, weshalb es mich wundert, dass viele andere Oscar-Blogger es anders sehen.

Best Costume Design

Black Panther
Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen
The Favourite
Mary Queen of Scots
Mary Poppins Rückkehr

Die meisten hiervon sind „gesetzt“. Die Frage ist nur, ob die Academy erneut das Harry Potter Universum mit der Fortsetzung zu Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen honorieren will (dessen Vorgänger im übrigen überraschend gewann!) oder Bohemian Rhapsody noch mehr Liebe erfährt als es die lieben Kritiker wahr haben wollen.

Best Makeup and Hair

Black Panther
Border
VICE

Die Kategorie ist richtig schwer, weil man für alle Filme ein glaubhaftes Nominierungsszenario erstellen könnte. Meine Argumentation: VICE sollte auf alle Fälle dabei sein, Border ist der alljährliche fremdsprachige Beitrag und Black Panther ist einfach zu bunt, um es zu ignorieren.

Best Cinematography

Cold War
First Man
The Favourite
Roma
A Star is Born

Hier ziehe ich mit 90% aller Oscar-Blogger mit – und denke ebenfalls, dass das hochgelobte If Beale Street Could Talk den Kürzeren zieht. Stattdessen sollte man auf Bohemian Rhapsody aufpassen: Die CGI-getränkte Konzertszene am Schluss hat trotz vieler Verächter auch viele Liebhaber.

Best Production Design

Black Panther
Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen
The Favourite
Mary Poppins Rückkehr
Roma

Erneut ist die Frage, ob Harry Potter 9… äh… Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen seine drölfzigste Ausstattungs-Nominierung erhält oder die Academy lieber die spektakulär inszenierte Mondlandung in First Man beachtet.

Best Visual Effects

Avengers: Infinity War
Christopher Robin
Ready Player One
Solo: A Star Wars Story
Welcome to Marwen

Yup, richtig gelesen: Kein Black Panther. Der Film wird nämlich ausgerechnet für seine unausgegorenen visuellen Effekte heftig kritisiert und wurde von der zugehörigen Gilde komplett ignoriert, obwohl es dort einen HAUFEN Kategorien gibt. Da schafft es eher First Man als Überraschungskandidat.

Best Original Score

The Ballad of Buster Scruggs
Black Panther
First Man
If Beale Street Could Talk
Isle of Dogs

Gesetzt sind eigentlich nur If Beale Street Could Talk sowie First Man, die trotz sonstiger fehlender Nominierungen durch die Bank weg für ihre tollen Soundtracks gelobt werden. Doch während viele auf Mary Poppins Rückkehr setzen, denke ich eher an The Ballad of Buster Scruggs – schließlich hat Carter Burwell seit Carol endlich seinen Nominierungsfluch gebrochen und ist seither regelmäßig dabei.

Best Original Song

All the Stars (Black Panther)
Girl in the Movies (Dumplin)
I’ll Fight (RBG)
The Place Where Lost Things Go (Mary Poppins Rückkehr)
Shallow (A Star is Born)

Auch dieses Quintett tippt das halbe Internet – man ist sich nur uneins darüber, welcher Song aus Mary Poppins Rückkehr es letztlich schafft. Am Ende gar zwei?

Best Sound Mixing

A Quiet Place
A Star is Born
Black Panther
Bohemian Rhapsody
Roma

Das könnte recht interessant werden: Musikfilme haben hier stets einen guten Stand, doch gibt es mit A Star is Born, Bohemian Rhapsody und Mary Poppins Rückkehr gleich drei große Kandidaten. Deshalb glaube ich nicht daran, dass es allesamt ins Nominierungsboot schaffen – und streiche den unbeliebtesten Film aus diesem Trio.

Best Sound Editing

A Quiet Place
Black Panther
First Man
Ready Player One
Roma

Faustregel: Niemals Sound Editing und Sound Mixing 1:1 tippen! Das haut selten hin. Meist weichen die Gruppen bei ein bis zwei Kandidaten ab. Weil es sich dabei fast immer um die Musik-bezogenen Filme handelt, fliegen A Star is Born sowie Bohemian Rhapsody bei mir raus. Stattdessen kommen zwei typische Weltraum/Sci-Fi-Filme hinzu.

Best Foreign Language

Burning
Capernaum
Cold War
Roma
Shoplifters

Es ist recht mutig von mir, dass ich gerade den deutschen Beitrag Werk ohne Autor ignoriere – weil unsereins fast immer nominiert wird, wenn wir es bereits in die Auswahl der letzten neun geschafft haben. Allerdings ist der Film kein besonders gern gesehener – also hierzulande. Hat Florian Henckel von Donnersmarck wirklich fertig oder ich unrecht?

Best Animated Feature

Incredibles 2
Isle of Dogs
Mirai
Ruben Brandt, Collector
Spider-Man: Into the Spider-Verse

Hier gilt das gleiche wie bei Supporting Actress: Wird Spider-Man nominiert, dann gewinnt der Überraschungserfolg. Allerdings könnte es einen Lego-Movie-ähnlichen Schock geben, weil es sich um die gleichen Produzenten handelt.

Best Documentary Feature

Free Solo
RBG
Shirkers
Three Identical Strangers
Won’t You Be My Neighbor?

In diesem Fall tippe ich im Gegensatz zu anderen Bloggern auf Shirkers, aus einem ganz dämlichen Grund: Es ist der einzige Dokumentarfilm von Netflix, der in diesem Jahr im Rennen ist. Und Netflix hat bislang einen abartig großen Erfolg in dieser Kategorie – zuletzt waren sie mit mindestens zwei Kandidaten dabei.

Best Animated Short

Age of Sail
Bao
Bilby
Late Afternoon
One Small Step

In der Tat habe ich neun der zehn möglichen Nominierungen bereits gesehen (alle außer Animal Behaviour), weshalb ich mir bei der Auswahl recht sicher bin. Allerdings könnte einer der hoch klassig produzierten Beiträge Bao, Bilby oder One Small Step gegen ein künstlerisch-wertvolles Projekt wie Weekends fallen.

Best Documentary Short

End Game
Los Comandos
My Dead Dad’s Porno Tapes
Period. End of Sentence.
Zion

Auch hier habe ich satte fünf Beiträge gesehen, gleichwohl ich nur My Dead Dad’s Porno Tapes sowie Zion einbeziehe. Bei den anderen dreien achte ich auf die Thematik und mein Bauchgefühl.

Best Live Action Short

Chuchotage
Detainment
Fauve
Margueríte
Skin

Hier habe ich drei Kandidaten gesehen: Fauve, Caroline und Icare. Die ersten beiden fand ich großartig, den letzten sehr langweilig. Normalerweise sollte man hier auf Kinderdarsteller tippen – nur sind die in fast allen Kurzfilmen, die nominiert werden dürfen, groß mit dabei!

Aus dem Grunde gehe ich die Sache von einer ganz anderen Richtung an:

Chuchotage scheint der einzige „lustige“ Kurzfilm zu sein – und ein solcher ist eigentlich immer mit im Rennen.
Skin ist ebenfalls mit Kinderdarstellern, während die Thematik enorm wichtig rüber kommt und der Regisseur zudem bereits ganze Kinofilme gedreht hat (was nicht zu unterschätzen ist).
– Gleiches gilt für Detainment, dessen Geschichte auf einer wahren Begebenheit beruht.
Margueríte kommt wiederum komplett ohne Kids aus und hat gleichzeitig einen stolzen IMDB-Schnitt von über 8 Punkten.

Abschließend noch die exakte Erklärung, wie die Best-Picture-nominierten Filme bestimmt werden:

– Jedes Academy-Mitglied gibt eine Top Five seiner Lieblingsfilme ab.
– All diese Top-Five-Listen werden nach dem jeweils erstplatzierten Filmen sortiert.
– Alle Filme, die mehr als auf einem Elftel aller Listen als Erstplatziert genannt werden, sind automatisch sortiert.

Warum mehr als ein Elftel? Weil rein mathematisch gesehen nur zehn Filme dieses Ziel erreichen können.

Jetzt kommt der richtig komplizierte Part, der vielen Kopfschmerzen bereitet – jedoch tatsächlich Sinn ergibt:

– Es werden zunächst jene Filme heraus gepickt, die besonders viele Erstplatzierungen gesammelt haben. Genau genommen sind es all jene, die 10% mehr Erststimmen erhalten als benötigt.
– Alle Stimmzettel jener Filme, welche diese 10%-Marke überschreiten, werden nun in einem sehr komplizierten Rechenverfahren neu bewertet und jede Stimme auf Teilpunkte reduziert. Die betroffenen Filme sollen daraufhin exakt die nötige Mindestpunktzahl erhalten, die für eine Nominierung notwendig ist. Simples Beispiel: Hat ein Film exakt 1000 Punkte, obwohl er nur 500 benötigt, dann all Punkte halbiert.
– Die dabei abfallenden Teilpunkte werden nun dem zweitplatzierten Film gegeben. In meinem Beispiel bedeutet dies, dass alle zweitplatzierten Filme einen halben Punkt pro zusätzlichen Stimmzettel erhalten. Ausnahme: Sollte der zweitplatzierte bereits sicher nominiert sein, dann gehen die Punkte an den drittplatzierten, den viertplatzierten oder den fünftplatzierten Kandidaten.

Dieses total komplizierte System hat einen einfachen Sinn: Jedes Academy-Mitglied hat nur eine Stimme! Würde man ein klassisches System nehmen, bei dem z.B. der erste Film fünf Punkte, der zweite Film vier Punkte, der dritte Film drei Punkte, etc. erhält, dann würden Kandidaten auf den unteren Rängen viel zu hoch angesiedelt werden, selbst wenn sie kaum einer auf Platz 1 gewählt hat. Und die Academy sucht doch letztlich einen potenziellen Sieger!

Nun wird es wieder etwas einfacher:

– Alle Filme, die nach dem eben genannten Verfahren weniger als 1% der notwendigen Punkte intus haben, sind raus.
– Nun wird auf deren Stimmzettel der nächstbeste Film gesucht, der noch im Rennen ist. Falls es einen solchen gibt, dann erhält er den (Teil-)Punkt des disqualifizierten Kandidaten.

Es fehlt nur noch ein simpler Schritt:

– Alle Filme, deren Gesamtpunktzahl nun mehr als 5% aller abgegebenen Stimmzettel entsprechen, sind offiziell für Best Picture nominiert.

Es gibt zwar noch ein paar Regeln, falls bei diesem Verfahren tatsächlich weniger als fünf oder mehr als zehn Filme übrig geblieben sind – das ist jedoch rein mathematisch gesehen extrem unwahrscheinlich.