Game #23: Lemmings

023-LemmingsHersteller: DMA Design
Programming by: David Jones
Composer: Brian Johnston & Tim Wright
System: Amiga, Atari ST
Jahr: 1991

Lemmings ist der ultimative Beweis dafür, dass in der Computer- und Videospielindustrie wirklich ALLES möglich ist. Die Firma Psygnosis und das Entwicklerteam DMA Design waren bis Ende 1990 eigentlich nur für eine Art von Spielen bekannt: aufwändig produzierte Actiontitel, die meist mit hübscher Kulisse sowie viel Sound klotzten und im gleichen Zuge mit einer mauen Spielbarkeit oder einem schwachen Leveldesign enttäuschten. Zwar gab es das eine oder andere Mini-Highlight – aber wer anno 1990 Psygnosis hörte, der dachte instinktiv an Grafikblender wie Shadow of the Beast.

Und dann kam, nahezu aus dem Nichts, Lemmings – das alles verändert hat, was die Firmenhistorie bis dahin definierte. Allein die Spielidee ist sensationell brillant: aus einer Luke fallen Dutzende von Lemmingen, die stur geradeaus laufen, bei einem Hindernis die Richtung wechseln und blind in jeden Abgrund oder jede Falle tappen. Ihr könnt einzelnen Lemmingen Befehle erteilen, dank denen sie einen Tunnel graben (entweder seitwärts, schräg oder direkt nach unten). eine kleine Brücke bauen oder stehen bleiben, um andere Lemminge zum Umkehren zu bewegen. Des Weiteren könnt ihr einen Lemming zu einem Kletterer umfunktionieren, woraufhin er jedes noch so hohe Hindernis empor kraxelt, oder ihm einen Regenschirm geben, dank dem er jeden Fall unbeschadet übersteht. Zu guter Letzt gibt es noch den Sprengknopf, mit dem ihr einen Lemming ins Nirvana schickt.

Bereits dieses unverwüstliche Konzept hätte Lemmings einen Ehrenplatz in der Geschichte der Computerspiele gesichert. Selbst mit dem dümmsten und langweiligsten Leveldesign hätte es seine Fangemeinde gefunden. Aber nein: DMA Design und Psygnosis hatten Blut geleckt. Jeder Mitarbeiter durfte ran und eigene Levels austüfteln. Dieser ungewöhnlich hohe Freiraum münzte in zahlreiche Kopfnüsse, die auf den ersten Blick nicht lösbar aussehen.

Ein kleines Beispiel hierfür, das auf den ersten Blick sehr simpel erscheint: Zwischen Start und Ziel liegt ein Abgrund, den ihr nur mit einer Brücke sicher überqueren könnt. Weil das Bauen Zeit kostet, setzt ihr einen Lemming wie oben beschrieben als Stopper ein, während ein anderer zur Tat schreitet. Danach sprengt ihr den Stopper in die Luft, damit die anderen Lemminge zum nun sicheren Ziel marschieren können. Das Problem: Ihr müsst laut Levelvorgabe alle Tierchen retten – was aber nicht möglich ist, wenn ihr den Stopper killt!

Die Lösung sei hier verraten und ist auch aus heutiger Sicht nichts besonderes: Ihr könnt dem Kerlchen den Boden unter den Füßen weggraben, woraufhin er wieder zu einem normal herum marschierenden Lemming mutiert. Aber dieses kleine Beispiel soll im Ansatz zeigen, das die Entwickler nachgedacht haben. Im Laufe die 120 Levels müsst ihr nämlich ständig neue Tricks und Techniken erlernen, weil allein das zur Verfügung stehende Kontingent an „Jobs“, die ihr den Lemmingen verpassen könnt, keine konventionelle Lösung zulässt.

Das nächste Wunder ist die Schwierigkeitsgradkurve, die nahezu perfekt ist. Von super simpel bis brutal schwer ist in Lemmings alles drin, was man sich nur vorstellen kann. Einzig das bereits vor Monaten vorgestellte Oh No! More Lemmings-Addon zeigte noch im gleichen Jahr, dass es durchaus fieser zugehen kann.

Damit ist immer noch nicht genug Brillanz erreicht: Viele Denkspiele, die eigentlich gut aber nicht brillant sind, leiden unter dem Problem, dass auch die „schwierigeren“ Rätsel relativ leicht zu lösen sind. D.h. man kommt recht schnell auf die Lösung, muss aber viel stupiden Aufwand betreiben, um sie umzusetzen. Zwar gibt es auch in Lemmings das eine oder andere Puzzle, das mehr Ausdauer anstatt Grips benötigt – doch letztlich dominiert die Menge an „Kurz & Knackig“-Aufgaben, bei denen ihr in der Tat mehr Tüftelt anstatt Fummelt.

Nochmal: So ein Spiel wie Lemmings gibt es alle Jubeljahre. Konzept, Design und Idee bilden eine universelle Einheit, wie kein anderer von mir bekannter Titel. Dass die Grafik letztlich nur von den putzigen Animationen der Lemminge lebt und ansonsten dank des ruckelnden Scrollings eher unangenehm auffällt, hat wirklich niemanden gestört. Selbst die schräge Fahrstuhlmusik funktioniert, während sie vermutlich bei jedem anderen Denkspiel zu Wutanfällen führen würde.

Lemmings ist nun 25 Jahre alt und ich kann es immer noch nicht fassen, dass ausgerechnet Psygnosis – einer Firma, deren versammelte bis dato erhältliche Spielebibliothek ungefähr dem IQ einer Waldameise entsprach – dahinter steckte. All dieser Irrsinn wird eigentlich nur von einem Fakt getoppt: Nämlich das DMA Design im Laufe ihrer Karriere noch einen anderen Hit startete, der ab dem dritten Teil unter einem neuen Label bis heute weitergeführt wurde und das extrem erfolgreich. Die Rede ist von Grand Theft Auto

 

 

Lemmings