The Big Short

Fast jeder, den ich kenne, denkt sich: Irgendwann knallt’s. Irgendwie, irgendwo. Wir bewegen uns in die falsche Richtung, die Katastrophe sei unvermeidlich. Die Ungerechtigkeiten dieser Welt werden immer heftiger, die Schere zwischen Arm und Reich stetig größer. Ich mache mir weniger Gedanken darüber, ob was passiert – sondern mehr, was denn danach ist. Und wie wir damit umgehen können anstatt gleich von vorne herein den Kopf in die „Alles ist scheiße“-Grube zu stecken.

2007 bahnt sich ein solcher Knall an. Die Immobilienblase droht zu platzen, die seit Ewigkeiten von vielen Stammtischpredigern befürchtete Wirtschaftskrise steht tatsächlich vor der Tür. The Big Short erzählt von ein paar Auserwählten Bankern und Spekulanten, die als einzige den Crash vorher sehen können – oder besser gesagt: wollen. Sie realisieren, dass Menschen ohne Job und ohne Einkommen Kredite für Häusern kalkuliert aufgedrückt bekommen, obwohl sie die Hypotheken niemals bezahlen werden. Und das die Banken trotzdem blind wie fleißig in diese Idee investieren, allein um das große Geld zu verdienen. Es sei ein sicheres System, trichtert einen der Film von Anfang an ein.

Erst nachdem Michael Burry (grandios gespielt von Christan Bale) in akribischer Kleinarbeit alle Zahlen durchgeht und vorrechnet, dass der Markt aufgrund der aberwitzig hohen Anzahl platzender Hypotheken zwangsläufig zusammenbrechen muss, da dämmert es dem einen oder anderen – wo es bereits zu spät und unzählige Existenzen auf dem Spiel stehen.

The Big Short begeht daraufhin eine Gratwanderung, die erste von zwei um genau zu sein: Wir beobachten sowohl Burry als auch das kleine Team rund um Mark Baum (Steve Carell) sowie die beiden Jungspunde Charlie Geller (John Magaro) und Jamie Shipley (Finn Wittrock), wie sie einerseits der Sache auf den Grund gehen und andererseits mit dem Wissen möglichst viel Kohle verdienen. Man fiebert mit ihnen, leidet bei ihren Rückschlagen, die sie aufgrund des korrupten Systems erleiden, und möchte ihnen den Erfolg letztlich gönnen – nur um mit wenigen, harten Sätzen zurück auf den Boden der Tatsache zurückgeholt zu werden, dass das wirklich alles so passiert ist und Millionen von Menschen ihre Arbeit und ihr Zuhause verloren haben.

The Big Short ist kein leicht zu verstehender Film, zumindest nicht im Detail. Wer sich bisweilen nicht wirklich mit der Thematik auseinander gesetzt hat, der wird mit einer ganzen Latte voller Fachterminologie bombardiert. Deshalb: Versucht gar nicht erst, alles auf Anhieb zu verstehen. Es funktioniert nicht und es ist auch gar nicht notwendig. Das da eine riesengroße Scheiße passiert ist, in der viel Dummheit, Blindheit und gezielter Betrug zusammen fand, realisiert ihr auch so. Die Message von The Big Short ist leicht zu verstehen und der grobe Ablauf, wie es zu dem Zusammenbruch kam, in jedem Fall spürbar.

Es ist die große Stärke eines Filmes, der nach derzeitigem Stand die allerbesten Chancen auf den „Best Picture“ Oscar hat: Er behandelt eine komplexe Thematik, die ein mehrmaliges Anschauen und das nachträgliche Auseinandersetzen über andere Quellen zum Pflichtprogramm macht. Gleichzeitig wirkt er verständlich, selbst wenn ihr nur die Hälfte kapiert.

Denn jetzt kommen wir zur zweiten Gratwanderung: The Big Short ist eine Komödie – also, irgendwie jedenfalls. Regisseur Adam McKay ist schließlich bekannt für solche Kaliber wie Anchorman oder Die etwas anderen Cops, was auf den ersten Blick in Anbetracht der gegebenen Thematik völlig deplatziert klingt. Doch es ist sein mal abstruser, mal mit dem Holzhammer gepfefferter Humor, der hier von Nöten ist. McKay durchbricht alle Nase lang die vierte Wand, gibt einem der größten Arschlöcher hinter der Geschichte (gespielt von Ryan Gosling) die Erzählerrolle und verpackt all die zynischen, sarkastischen und bösartigen Kommentare in ein Konzept, dass jeden zugleich lachend wie weinend zurück lässt.

Anders ausgedrückt: The Big Short leistet etwas, was sonst nur wirklich gute Kabarettisten schaffen. Auch sie packen die traurige Wahrheit in ein Kleid, dass ein Mensch mit Gewissen und Verstand nur aufgrund der humoristischen Darstellung ertragen kann und über die er im Nachhinein trotz aller Pointen ernsthaft nachdenkt.

Natürlich kriechen bereits jetzt die ganzen „Nein!“-Sager aus ihren Löchern, die dem Film (und der Buchvorlage) Einseitigkeit vorwerfen. Man könne die Finanzkrise nicht auf die geplatzte Immobilienblase und die Banker, die hier explizit genannt werden, reduzieren. Aber das sind dann auch die gleichen Leute die nicht kapieren, dass keine Umsetzungen eines solch hochbrisanten Stoffes der Realität gerecht werden kann. Wir reden hier schließlich von etwas mehr als zwei Stunden, die McKay zur Verfügung stehen. Und in denen packt er ungeheuer viel, allein weil er die drohende Krise aus drei unterschiedlichen Blickwinkel bearbeitet und dabei die erwähnten Gratwanderungen vollführt.

In dem Zusammenhang gebührt dem Filmschnitt allerhöchstes Lob, der am Anfang bewusst sehr hektisch und im Laufe der Geschichte mit einigen brillant getimten Parallelmontagen für eine hervorragende Dynamik sorgt. Mein persönliches Highlight sind drei Szenen, in denen McKay die Rolle des Erzählers an drei reale, berühmte Persönlichkeiten übergibt und in einem aberwitzigen, fast schon surrealen Umfeld einen wichtigen Sachverhalt erklären lässt. Es sind die Momente, die The Big Short zu einem Ausnahmefilm machen, den ihr nicht so schnell vergessen werdet – und für die McKay in meinen Augen den Oscar für die beste Regie verdient.

Oscar-Nominierungen: Bester Film, Beste Regie, Bester Nebendarsteller (Christian Bale), Bestes Adaptiertes Drehbuch, Bester Filmschnitt.