Game #78: Shanghai

078-ShanghaiHersteller: Activision
Original Concept & Project Leader: Brodie Lockard
System: Amiga
Jahr: 1986

Der Ursprung von Shanghai ist für mich eines der interessantesten Entwicklungen der Computerspielgeschichte. Vor hunderten von Jahren kam ein Chinese auf die Idee, die Spielsteine des in Fernost sehr beliebten Mahjong für eine Art Solitär zu verwenden. Während ihr im Original Mauern baut, um euch gegen eure Kontrahenten zu verteidigen, müsst ihr in der Solo-Variante einen Stapel voller Steine abbauen.

Der Stapel ist nicht willkürlich und wird in seiner ursprünglichen Form „The Turtle“ genannt. Die Aufgabe des Spielers ist, die Steine pärchenweise zu entfernen. Dabei dürfen jedoch nur Steine genommen werden, die zum einen von keinem darauf liegenden verdeckt (egal ob halb oder ganz) sind und zum anderen entweder ganz links oder ganz rechts am Rand liegen.

Während die Idee ganz klar Suchtpotential besitzt, hat sie einen Haken: Wer baut den Stapel auf? Das ist einerseits mühselig und andererseits verführt es zum Cheaten, wenn man die Steine selbst anstatt zufällig setzt. Und hier kommt ein Mann namens Brodie Lockard ins Spiel, der die Idee vor dreißig Jahren aufgriff und in ein Computerspiel namens Shanghai verwandelte.

Dort passt sie perfekt hinein, weshalb Shanghai neben Tetris und Lemming als DER ultmative Klassiker unter der Denkspielen gilt. Obwohl die Urversion nur den ursprünglichen Stapelaufbau kennt, kann euch das Spiel stundenlang vor den Bildschirm fesseln. Warum? Weil ihr nach den Regeln eines anständigen Solitärs keine Gewinngarantie erhaltet. Sprich: Die Steine können so liegen, dass ein komplette Abbau gar nicht möglich ist. Aber das gehört mit zum Reiz, weshalb der Aufschrei der Atari-ST-Fans, ihre Version sei die beste, völlig unsinnig ist. Dort hatte der Programmierer nämlich dafür gesorgt, dass der Computer nur lösbare Stapel generiert…

Nein, ohne jeden Zweifel ist die Amiga-Adaption die beste ihrer Zeit gewesen. Der Grund klingt total Banane, erst recht für ein Denkspiel: Sie hatte die schickeste Grafik. Um genau zu sein wirkten die Spielsteine aufgrund der perfekten Farbwahl und der subtilen Schattenbildung ungewöhnlich authentisch. Ich weiß nicht, ob die Wirkung auch für heutige Generationen noch funktioniert – aber anno 1986 gab es eigentlich kein anderes Spiel, das rein optisch der Realität derart nahe kam.

Wer im übrigen heute eines zahlreichen Mahjong-Spiele ersteht, der spielt vermutlich Brodie Lockards Shanghai beziehungsweise das Original „The Turtle“. Selbst in Asien wird die Solitär-Variante inzwischen als solches verkauft, obwohl das Spiel abseits der Steine nichts mit dem Ur-Gesellschaftsspiel, das tatsächlich Mahjong heißt, gemeinsam hat.

 

 

Shanghai