A Star is Born

Remakes sind für mich ein Paradoxon. Sie sind extrem verhasst und jede Ankündigung dieser Art wird mit ätzenden Kommentaren begleitet. Hollywood falle nichts mehr Neues ein und zerstöre dafür die geliebten Filme unserer Jugendzeit. Dabei vergessen viele, dass a) die alten Originale nach wie vor existieren und b) manchmal dann doch auch etwas wirklich gutes bei so einer Neuauflage herausspringen kann.


Jackson Maine ist ein bekanntes Gesicht unter den Country-Sängern, der jedoch zunehmend mit Alkohol und einer Tinnitus-Erkrankung zu kämpfen hat. Er sieht sich bereits tief am Boden liegen, als er die junge Ally kennen lernt. Jackson weiß gar nicht, wie ihm geschieht und in was er sich als erstes verlieben soll: in eine Frau oder ihre Gesangsstimme.

Die beiden freunden sich schnell an und Jackson ermutigt Ally, ihr Talent zu zeigen. Sie entpuppt sich überdies als hervorragende Songschreiberin, was ihn umso mehr fasziniert. Deshalb lädt er sie zu einem Konzert ein und schafft es, sie auf die Bühne zu locken. Als Ally im tosenden Jubel seiner Fans zu singen beginnt, ist bereits alles klar: ein neuer Stern geht auf.

A Star is Born ist eine uralte Geschichte, die erstmals 1937 von William A. Wellman konzipiert und gedreht wurde. Danach gab es bereits zwei weitere Hollywood-Remakes (jeweils einmal 1954 und 1976), deren Handlungen sich sehr ähneln. Einer der größten Unterschiede zwischen damals und heute: Ursprünglich waren sie und er Schauspieler anstatt Musiker. Aber das Prinzip, die Entwicklung und das unvermeidlich tragische Ende sind gleich geblieben.

Was also möchte Bradley Cooper uns mit seiner Interpretation zeigen, was wir nicht schon hundertfach gesehen haben? Schließlich ist die Geschichte auch ohne Remake-Makel derart 08/15, weshalb sie nach Klischee triefen müsste.

Bradley Coopers A Star is Born ist einer der besten Filme des Jahres 2018, eben genau WEIL er einen so alten Stoff auf ein derart hohes Niveau transferiert. Nicht einmal hatte ich das Gefühl, hier einen alten Schinken aufgekocht zu bekommen. Allein die Chemie zwischen ihm als Jackson Maine und Lady Gaga als Ally ist sensationell. Ehrlich: Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal ein so perfekt harmonierendes Paar auf dem Bildschirm gesehen habe.

Zu verdanken ist diese Kunst Bradley Cooper dem Regisseur, Bradley Cooper dem Drehbuchautor, Bradley Cooper dem Hauptdarsteller und natürlich Lady Gaga als Hauptdarstellerin. Ich weiß auch gar nicht, was mich mehr umhaut: Das letztere tatsächlich so gut schauspielern wie singen kann? Ihre Ally ist nicht nur ein „schönes Ding“ oder die schnöde Selbstdarstellung einer berühmten Musikerin. Sie ist natürlich, sie ist bodenständig und sie ist charmant. Egal ob in ihren schüchternen Momenten am Anfang, ihrer Bewältigung des plötzlichen Ruhms oder den Konfrontationen mit Jackson: Ich hatte nicht einmal das Gefühl, einer Figur ins Gesicht zu sehen. Nein: Das ist Ally, die da über die Leinwand läuft.

Das gleiche gilt für Bradley Cooper, der die Rolle seines Lebens hinlegt. Ich bin eh seit Silver Linings Playbook ein Riesenfan seiner Schauspielkunst. Zudem haben er und Regisseur Clint Eastwood dafür gesorgt, dass ich solch einen kritischen Stoff wie jenen in American Sniper durchhalten konnte. Cooper ist ein genialer und begnadeter Schauspieler, der in seinen wirklich guten Leistungen komplett aufgeht.

Und nun zeigt er auch noch ein Talent als Regisseur, in dem er uralten Stoff in einem wunderhübschen Gewand zeigt. Einzig die Schlussszene wirkt auf mich im ersten Moment sehr schnulzig, sehr schmalzig, sehr kitschig. Es hätte mir beinahe einen durchweg grandiosen Film madig gemacht – und dann kommt dieser eine Cut, der alles wieder wett macht. Als ob Cooper gewusst habe: Ich muss hier übertreiben, um mit dem überraschenden Stimmungswechsel umso mehr zu überzeugen.

Doch die beste Szene, ihr kennt sie wohl schon alle: Es ist jene, in der Ally ihren ersten Auftritt auf der Bühne hat. Guckt sie euch an, rahmt es ein, hängt es an die Wand: das ist absolute, pure, glorreiche, essentielle, wertvolle, fulminante Perfektion in Reinkultur. Schnitt, Schauspieler, Kamera, Kulisse, Sound, Farben, Duft, Aura, ich habe in dieser Szene durchgeheult, weil sie so gut ist.

Und heute Nacht werde ich es wieder, weil Bradley Cooper nichts gewinnen wird. Nicht einen Oscar. Für die beste Regie ist es nicht mal theoretisch möglich, weil er der große Überraschungsfehlende war.

All die vielen Lobeshymnen und Gildennominierungen bringen nix, wenn kein Preis herausspringt. Kein anderer Oscar-Kandidat ist so hoch gestiegen und um derart brutal zu fallen. Das nüchterne Fazit der Industrie: A Star is Born sei am Ende dann doch nur ein Remake eines Remakes eine Remakes. Und Lady Gaga habe keine tollen Dankesreden bei Golden Globe und Critics Choice Award gehalten. So viel kann ich gar nicht essen, wie ich kotzen möchte.

Um das gleich klar zu stellen: Ich bestehe nicht auf Best Picture – auch in meiner Rangliste landet A Star is Born „nur“ auf Platz Zwei. Das gleiche würde für die Regie gelten, aber das ist eh kein Thema mehr. Doch was ist mit dem Hauptdarsteller? Hier fühle ich mich wie mein geschätzter Kollege Andreas Müller von Polygamia, der vor vier Jahren verzweifelt die vielen Verluste mitansehen musste, die Michael Keaten für Birdman gegenüber Eddie Redmayne in Theory of Everything einfuhr.

Bei mir ist es der Rami, der Malek, der mich trotz seiner durchaus beachtens- sowie auszeichnungswürdigen Leistung traurig macht. Dabei verteidige ich eher die Rollen, die gekonnt eine reale Persönlichkeit kopieren. Hier und heute nicht: Diesmal bin ich auf der Seite der Kreativität, in der ein Schauspieler seine eigene Figur erschaffen und lebendig machen muss. Und weshalb Cooper meinen Oscar für das Jahr 2018 sicher hat.

Nominiert für: Bester Film, Bester Hauptdarsteller (Bradley Cooper), Beste Hauptdarstellerin (Lady Gaga), Bester Nebendarsteller (Sam Elliott), Bestes Adaptiertes Drehbuch, Beste Kamera, Bester Song (Shallow), Bester Ton.