Star Wars: Die letzten Jedi

Spoiler-frei bis Spoiler-Kennzeichnung!

Ich bin baff. Sprachlos. Fassungslos. Weil ich es nicht verstehe – also nicht den neuen Star-Wars-Film, sondern die Diskussionen darüber. Ich hab weiß Gott nach all dem Gezeter gedacht, welch heftig umstrittenes Machmeisterwerk auf mich zukommt. Gesehen habe ich einen sehr guten Film, der vielleicht an manchen Stellen das logische Sachverständnis der Charakter zugunsten von Last-Minute-Dramatik opfert – aber auch nicht viel mehr als es in der ersten Star-Wars-Trilogie der Fall ist. Bevor Missverständnisse aufkommen: Damit meine ich Episode IV bis Episode VI.

Ich habe im Vorfeld nur eines fest erwartet: Die letzten Jedi wird anders sein als Das Erwachen der Macht – allein dank Regisseur und Drehbuchautor Rian Johnson, der mit Looper sowie der legendären Breaking-Bad-Episode Ozymandias zwei sehr clever in Szene gesetzte Arbeiten abgeliefert hat. Während J.J. Abrams bekannt für seine wohligen, aber letztlich durchaus frechen Hommagen an die alte Kinokunst ist, sollte Johnson neue Akzente setzen. Und das hat er nun definitiv getan.

Die letzten Jedi ist weit entfernt von einer schnöden Das-Imperium-schlägt-zurück-Kopie. Der Film leiht sich ein paar Elemente sowohl hier als auch aus Die Rückkehr der Jedi-Ritter, ist aber unterm Strich einer der eigenständigsten Star-Wars-Werke seit einer gefühlten Ewigkeit. Viele Vorhersagen und Mutmaßungen der Fans, die seit Das Erwachen der Macht durch das Internet geistert, haben sich interessanterweise nicht bewahrheitet. Ist das der Grund für die heftige Diskrepanz der Geschmäcker? Nein, das wäre zu einfach gedacht.

Zunächst fängt der Film ziemlich genau dort an, wo der Vorgänger aufhörte: Der von Leia Organa gegründete Widerstand steht heftig unter Druck und wird von der Ersten Ordnung am laufenden Band an die Wand gedrückt. Während all die mutigen Piloten und Strategen mehr ums nackte Überleben anstatt einem mutigen Vorstoß kämpfen, sucht Rey die Hilfe von Jedi-Legende Luke Skywalker auf, der sich Obi-Wan-like auf einer einsamen Insel eines weit entlegenen Planeten zurückgezogen hat. Das ungefähr erfährt man in den ersten zehn Minuten, während der Rest mit einer ungewohnt hohen Anzahl an Plotsträngen überrascht.

So war ich mir im vorletzten Akt sicher, dass es nun vorbei sei und die Glocken für Episode IX eingeläutet werden – nur um einen weiteren Showdown präsentiert zu bekommen. Dabei übertreibt es Die letzten Jedi zuweilen mit der Dramatik und lässt einen öfters fragen: Warum zum Geier hat Charakter X Aktion Y nicht schon vor zehn Minuten gebracht? Oder wie viele sollen den noch in diesem Konflikt sterben? (Disclaimer: Ich denke mal das es kein echter Spoiler ist, wenn ich sage: In Die letzten Jedi sterben Menschen… äh… Lebewesen!!!)

Instinktiv ging ich auch davon aus, dass dies einer der wesentlichen Gründe sei, weshalb Die letzten Jedi nun so dermaßen übel die Meinungen spaltet. Aber, weit gefehlt! Die meisten haben ein Problem mit der Macht und wie sie eingesetzt wird. Der Film würde einfach neue Dinge hinzu erfinden und nicht erklären, wieso und weshalb. Doch, mal ehrlich: War nicht genau hier eines der essentiellen Probleme der Prequel-Trilogie begraben? Dass George Lucas & Co. mit der Brechstange jedes Mysterium erklären mussten und dies in teilweise abenteuerlich langweiligen Monologen ausartete?

Spoiler! Spoiler! Spoiler! Spoiler! Spoiler!

Am meisten verblüfft mich die Kritik an Leias Weltallwiederbelebungsnummer: Ist sie für mich ein besonderer „Aha, die Frau kann ja Macht!“-Moment, fühlen sich andere hintergangen und fragen sich ernsthaft, wann die gute Prinzessin dieses enorm nützliche Manöver gelernt haben soll. Das Argument, dass zwischen der Original-Trilogie und den neuen Filmen mehrere Jahrzehnte liegen und Leia in der Tat so einige Tricks hat lernen können, sei schwach, weil man es eben als Zuschauer nicht sieht.

Nur wo wäre der Überraschungseffekt hin? Die Macht lebt in den Originalfilmen nicht zuletzt vom Besonderen – dass wir etwas zu sehen bekommen, mit dem wir so nicht gerechnet haben und was uns an pure Magie erinnert. Genau so habe ich die Szene mit Leia empfunden.

Ich möchte mich eigentlich nicht an solchen Kleinigkeiten aufhängen und lieber dort ansetzen, was Die letzten Jedi in meinen Augen wirklich gut hin bekommt: Die Beziehung zwischen Rey und Kylo Ren sowie alles rund um Luke Skywalker. Erstere ist, man verzeihe mir meinen Enthusiasmus, absolut fantastisch in Szene gesetzt. Sobald die beiden erstmals über die Macht miteinander kommunizieren, drehen sowohl Regie als auch Filmschnitt voll auf. Die Dialoge der beiden sind knapp, aber absolut treffend und vor allem eindringlich. Man spürt auch schnell das Ungleichgewicht: Während durchaus beide voneinander auf eine wahrlich magische Weise angezogen sind, ist ganz klar Kylo der Schwächere und Verletzbare. Und das wiederum funktioniert nur dank der herausragenden Darstellung von Adam Driver so gut, der diesmal trotz Lockenfrisur jede Mimik und jede Gefühlsregung, egal ob subtil oder übertrieben, punktgenau hinbekommt.

Der einzige, der an Drivers Leistung heran reicht, ist Mark Hamill, der sein jugendbeflecktes Alter Ego aus den 1970er Jahren deutlich überbietet. So war mir die Figur des Luke Skywalkers insbesondere in Die Rückkehr der Jedi-Ritter zu glatt, zu brav und zu rechtschaffend. Luke wurde klammheimlich zwischen Episode V und Episode VI zu einem nahezu unfehlbaren Mythos, dessen letzten Schwächen und Zweifel bis zum Abspann ausgeräumt werden mussten – etwas, was ich selbst als Kind etwas arg weit her geholt fand. Und in dem Fall lagen zwischen den beiden Filmen keine Jahrzehnte, das nur nebenbei…

Der gealterte Luke hingegen ist verbittert, ein wenig zynisch und überraschend sarkastisch. Geplagt von der Schuld, bezüglich Kylo Ren versagt und ihn in zu einem gewissen Grade zum kalten, hasserfüllten Schurken gemacht zu haben, möchte er am liebsten jegliche Macht und Verantwortung von sich geben und nie wieder anfassen. Der Schlüsselmoment für seinen Sinneswandel (oder besser gesagt: seine Resignation) wird dreimal gezeigt und jedes Mal mit einer weiteren Nuance versehen, die mich spontan an die verschiedenen „Solo versus Credo“-Varianten aus Eine neue Hoffnung erinnern. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass es hier funktioniert und ein letztlich menschliches Missverständnis den Beginn der vorherrschenden Tragödie glaubwürdig erläutert.

Überhaupt: Menschlich! Luke ist menschlich! Er ist weder ein Grünschnabel (Eine neue Hoffnung), noch ein übertrieben ungeduldig-pubertierender Bengel (Das Imperium schlägt zurück) oder ein Wanna-Be-Messias (Die Rückkehr der Jedi-Ritter). Er hat Fehler, er hat Schwächen, er ist alt, er ist grantig… und doch am Ende clever wie mächtig zugleich. Sein Showdown gegen Kylo Ren hat mich durch alle Gefühlslagen gehetzt: Ich habe gelacht, ich war beeindruckt, ich fühlte mich überrascht und ich war traurig.

Die anderen Plotstränge, von denen die meiste Zeit über zwei parallel erzählt werden, sind nicht von der gleichen Qualität – aber letztlich gut genug, um mich zu unterhalten. Dazu zähle ich auch die strittige Casino-Szene, bei der ich mich genau wie bei der erwähnten Leia-Weltraumnummer frage: Was ist denn jetzt so schlimm daran? Ich muss allerdings auch zugeben, dass mir die zarte, ja regelrecht unschuldige Romanze zwischen dem bereits aus Das Erwachen der Macht bekannten Finn und der neu eingeführten Rose sehr gut gefallen hat. Klar hat er noch nicht so wirklich gerafft, was sie eigentlich von ihm will. Aber es passt doch irgendwie zum dezent verpeilten Charakters Finn, der nun mal seit Verlassen des Ersten Ordens im Eifer des Gefechts eher blind anstatt überlegt dem Widerstand zur Seite steht.

Ich merke gerade: Je mehr ich über diesen Film nachdenke und schreibe, desto besser gefällt er mir und desto mehr verweigere ich mich den Kritikpunkten. Nicht falsch verstehen: Ich verstehe sie – aber mir werden sie viel zu sehr aufgebauscht und in vielerlei Hinsicht vergessen, dass die ach so unangetastete Originaltrilogie streng genommen mit ähnlichen Mängeln aufwartet. Natürlich ist es unlogisch, wenn eine Handvoll Transportschiffe des Widerstandes zielgenau sowie im Sekundentakt abgeknallt werden und nach gut zehn Minuten Filmlänge immer noch rein optisch gesehen eine Handvoll übrig sind. Aber es gibt exakt das gleiche Phänomen in der finalen Weltraumschlacht von Die Rückkehr der Jedi-Ritter.

Wieso also nicht einfach diese eine Szene mit ungläubigem Staunen genießen, die meines Erachtens die optisch beeindruckendste Explosion aller Zeiten auf die Kinoleinwand bannt und wo Johnson völlig zurecht auf jedweden Ton verzichtet? Kein Pieps, kein Schuss, keine Musik, einfach nur Stille und ein Bild von grellen Lichtern sowie purer Zerstörung, welches eingerahmt gehört. Im Ernst: Ich will diese Szene für meine Wand, mit Leuchteffekt im Dunkeln! Mit der Sicht hatte ich nämlich instinktiv vergessen und verziehen, dass die verantwortliche Vizeadmiralin Amilyn Holdor die Nummer längst hätte durchziehen und somit viele ihrer Kameraden retten können.

Abschließend gibt es ein wohliges Schulterkopfen für eigentlich sämtliche Schauspieler, die alle einen mindestens guten Job erledigen – egal ob man sie in Natura wie den Piloten Poe Dameron oder hinter der Maske á la Captain Phantasma sieht. Der eine oder andere Schurke kommt vielleicht etwas zu kurz und ja: Ein paar Fragen, die Das Erwachen der Macht aufwarf, werden in Die letzten Jedi kühl abgehakt und versanden im Nichts. Wobei ich mir bezüglich Reys Herkunft noch nicht so ganz sicher bin, ob wir da wirklich die ganze Wahrheit erfahren haben…


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