OST #120: Super Turrican 2

120-Super_Turrican_2Composer: Chris Hülsbeck
System: Super Nintendo
Year: 1995

Yep, besser als Super Turrican – und zwar aus exakt dem Grund, warum viele Fans von Chris Hülsbeck diesen Soundtrack NICHT mögen: Weil er anders ist.

Hier muss eine Vorgeschichte her: Die Turrican-Serie ist eine Legende unter den deutschen Spielen, was unbestreitbar an Hülsbecks Musik liegt. Er vertonte sämtliche Episoden, die vom deutschen Entwickler Factor 5 stammten. Der Stil blieb über weite Strecken der gleiche und lässt sich für einen Laien noch am ehesten als instrumentaler Synthie-Pop bezeichnen. Man könnte aber auch sagen, dass Hülsbeck seinen eigenen Sound für Turrican auf die Spitze trieb.

Gleichwohl bereitete mir das Trio Super Turrican, Mega Turrican Sorgen, weil mir der zuvor von Hülsbeck gewohnte Entwicklungssprung fehlte. So toll die Soundtracks auch waren: Sie klangen mehr nach „schöner, größer, weiter“ anstatt einer nächsten Revolution, wie es die beiden Vorgänger geschafft hatten.

1994 teaserte Chris Hülsbeck den ersten Beitrag zum brandneuen und leider bislang letzten, offiziellen Turrican-Teil auf seinem Rainbow-Album – und mein Gefühl näherte sich gefährlich Nahe der Grenze zwischen Enttäuschung und Genervtheit. „Wormland“ ist für sich betrachtet ein sehr gutes Musikstück, aber man spürt regelrecht, wie es verzweifelt an die Klasse der legendären Erstlinge heran zu hecheln versucht und am Ende wie eine Kopie seiner selbst da steht.

Ich weiß nicht, was intern bei der Entwicklung passiert ist, aber der finale Score zu Super Turrican 2 weicht dramatisch von sämtlichen Vorgängern sowie Hülsbecks älteren Werken ab. Anstatt noch mehr Synthie-Pop zu generieren, versuchte sich der Meister an einem Potpourri der unterschiedlichsten Stilrichtung. Manches erinnert an einen orchestralen Filmscore, anderes wird von kernigen E-Gitarren begleitet. In der zweiten Welt experimentiert Hülsbeck mit spacigen Effekten, in der dritten driftet der Sound gegen Ende zaghaft in Richtung Techno/Trance. Zwischendurch wird einer der größten Abschnitte von einer sehr sanften Melodie begleitet, in der ich eine Mischung aus Ultima VII, Ecco the Dolphin sowie „Aquatic Ambience“ aus Donkey Kong Country erkenne. Erst gegen Ende packt Hülsbeck das klassische Turrican-Thema heraus und ummantelt es in einem für die Serie ungewohnten Rock.

Die Vielfalt der Instrumentation ist beispiellos, weil sich keine Welt wie die andere anhört und selbst innerhalb einer zahlreiche Wechsel stattfinden. Der einzige Wermutstropfen ist die Kürze der meisten Stücke, weshalb sie sich teilweise nicht vollends entfalten und im schlimmsten Fall wie ein Loop eines angeteaserten Themas klingen. Allerdings passt sich Hülsbeck nur der ebenfalls reduzierten Länge der Levels an.

Wie gut der Soundtrack wirklich ist, zeigt Fabien Del Priores fantastische Überarbeitung, die er im Rahmen der vor drei Jahren erschienen Turrican Anthology anfertigte. Dort werden die kurzen Stücke zu ausreichend umfangreichen Medleys verarbeitet, was dem reinen Hörgenuss enorm zu Gute kommt.

Denn das darf man auch nicht vergessen: Videospielmusik ist primär zur Unterstützung des Spielerlebnisses da und ursprünglich nicht zum „Nebenbei hören“ gedacht gewesen. Deshalb hat sich Super Turrican 2 rein gar nichts vorzuwerfen, ganz im Gegenteil: Die Atmosphäre in manchen Abschnitten gewinnt dramatisch durch die stellenweise kolossal wirkende Musik. Allein der „Bullet Ride“-Abschnitt ist traumhaft gut und zugleich eine gelungene Hommage an John Williams Star-Wars-Saga.

Und was ist mit „Wormland“ passiert? Das ist in der Tat auch im Spiel enthalten und wirkt für meine Ohren im Kontext des restlichen Spieles fast schon befremdlich. Nochmal: Es ist eine sehr gute Komposition, die quasi die Brücke zu den alten Titeln schlägt. Allerdings waren insbesondere die ersten beiden Teile rein aus musikalischer Hinsicht derart brillant, weshalb es doch auch irgendwie klar war, dass selbst jemand wie Chris Hülsbeck dies nur schwer toppen kann. Und wieso krampfhaft den alten Errungenschaften hinterher eifern, wenn man nicht auch etwas völlig Anderes und für sich gesehen ebenfalls Grandioses realisieren kann?

Der Soundtrack von Super Turrican 2 mag für viele Chris-Hülsbeck-Fans der Punkt seiner Karriere sein, in dem er seine „Magie“ verlor. Doch das ist totaler Blödsinn: Es ist der Anfang eines neuen Abschnittes seiner Karriere, die er seither mehrfach in immer neue Richtungen entwickeln ließ. Und im Gegensatz zu den anderen alten Haudegen, der glorreichen C64-Ära (wie Hubbard, Galway oder Daglish) ist er vielleicht deshalb immer noch im Geschäft…

Soundtrack-Veröffentlichungen [Original]

Turrican Soundtrack Anthology – Original Sound Version [Compilation]
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Soundtrack-Veröffentlichungen [Arrange]

Turrican Soundtrack Anthology [Compilation]
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Rainbows: Chris Hülsbeck Vol.3 [Compilation]
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Chris Hülsbeck’s Sound Factory: Digital Audio Collection I [Compilation]
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