Game #129: The Walking Dead

129-The_Walking_DeadHersteller: Telltale
Directed by: Sean Vanaman & Jake Rodkin (Episode 1), Dennis Lenart (Episode 2), Eric Parsons (Episode 3), Nick Herman (Episode 4), Sean Vanaman, Jake Rodkin & Sean Ainsworth (Episode 5)
Composer: Jared Emerson-Johnson
System: PC, Macintosh, Xbox 360, PlayStation 3
Jahr: 2012

Interactive Novel, der zweite: Es ist für mich immer noch unfassbar, wie erfolgreich The Walking Dead ist. Ich glaube nicht einmal, dass Telltale selbst gerechnet hat, mit diesem durchaus gewagten Konzept eine derart riesige Fangemeinde um sich zu scharen. Natürlich: Es geht um Zombies – das zieht derzeit überall. Aber irgendwie haben die Amerikaner selbst mich überzeugen können, dem die Thematik bereits zum Halse raus hing, bevor sie überhaupt zum Trend wurde.

Lee Everett sitzt in einem Polizeiwagen und wird ins Gefängnis überführt. Wofür? Das erfahren wir nicht und das ist auch unwichtig. Während der Sheriff Smalltalk mit ihm führt, kommt es zu einem Unfall: Er knallt mit dem Wagen gegen einen Mann, der blindlings über die Schnellstraße läuft, kracht durch die Leitplanke und stürzt den Abhang hinunter. Lee kann sich zwar aus dem Wrack befreien, wird aber sogleich von wild gewordenen Menschen überfallen, die ihm nach dem Leben trachten. Er gelangt zurück in die Stadt und stellt schnell fest, dass er zu den Überlebenden einer globalen Katastrophe gehört.

Lee freundet sich kurz darauf mit dem Mädchen Clementine an, deren Eltern vermutlich tot sind, und für die er sogleich zu eine Art Ersatzvater heranwächst. Gemeinsam kämpfen die beiden nicht nur gegen Untote, sondern auch gegen ganz normale Menschen, deren bösartige Gesinnung aufgrund des Ausnahmezustandes geweckt wurde. Bei manchen Ereignissen stellt sich euch gar die Frage, wer durch die Katastrophe wirklich zum Monster geworden ist…

Konzeptionell orientierte sich Telltale an Quantic Dreams Heavy Rain, das ein Jahr zuvor erschienen ist. Ergo müsst ihr so gut wie keine Rätsel lösen und eigentlich nur von einem Ort zum anderen latschen sowie mit diversen Personen reden. In letzterem Fall stehen euch immerhin mehrere Dialogoptionen zur Verfügung, mit denen ihr die Handlung im Detail verändert könnt.

Vorweg: Die Auswirkungen scheinen nur auf den ersten Blick weitreichend zu sein, selbst wenn ihr beispielsweise mit euren Worten zwischen dem Leben zweier Nebencharaktere entscheidet. Doch auch solche Verzweigungen lösen sich rasch in Wohlgefallen auf und die Geschichte folgt im Groben einer strikt linearen Struktur.

Der Trick besteht in der Suggestion, dem Spieler glaubhaft zu versichern, dass er die Fäden in der Hand habe. Besonders brillant ist die Idee, simple Sätze wie „Clementine wird sich merken, was du gesagt hast.“ einzublenden. Dadurch schießt die Immersion mit Lee durch die Decke und die Atmosphäre erreicht ein ungeahntes Niveau – speziell wenn man die für Telltale übliche Präsentation in Betracht zieht, die alles andere als technische Höchstleistungen vollbringt.

The Walking Dead war ein echter Glücksgriff für das kleine Entwicklerteam, das nur einen Haken mit sich zog: Man traut sich seither nicht mehr vom Konzept abzuweichen. Zuvor hatte Telltale so viele tolle Adventures im Gepäck, die zwar bei Weitem nicht so erfolgreich waren, aber spielerisch eine ganze andere Sparte ansprachen. Dieses Thema scheint in Kalifornien vergessen zu sein, denn danach veröffentlichten die Jungs nur noch Interactive Novels im Stile von The Walking Dead.

Nicht falsch verstehen: So etwas können sie richtig gut, was The Wolf Among Us oder Tales from Borderlands beweisen. Doch ich werde das Gefühl nicht los, dass man inzwischen übertreibt und kaum noch offen für Alternativen ist. Das jüngst gestartete Minecraft – Story Mode wirkt jedenfalls wie der verzweifelte Versuch, das Konzept auf Teufel komm raus auf alles anzuwenden, was irgendwie berühmt ist…

 

 

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