Game #139: Viewtiful Joe

139-Viewtiful-JoeHersteller: Capcom
Director: Hideki Kamiya
Composers: Masakazu Sugimori & Masami Ueda
System: GameCube
Jahr: 2003

Es gibt keinen anderen Entwickler der für mich derart schizophren ist wie Capcom. Im Ernst: Wer auf der einen Seite beliebte Serien bis zur Unkenntlichkeit melkt (Street Fighter, Mega Man, Resident Evil) und auf der anderen Seite derart viele innovative Konzepte absegnet, der muss unter Identifikationsstörungen leiden. Das Tragische daran: Nahezu alle originellen Spiele waren verkaufstechnische Flops – und trotzdem bleibt Capcom ihrer ungewöhnlichen Philosophie treu, weshalb der Publisher einer der größten und beliebtesten seiner Art geblieben ist.

Viewtiful Joe ist auch so ein Kandidat, der von der Presse gefeiert und vom Massenmarkt ignoriert wurde. Dem 08/15-Zocker dürfte der Grafikstil zu wirr und der Schwierigkeitsgrad zu hoch sein. Zudem ist das Konzept nur auf den ersten Blick simpel: Ihr steuert einen jungen Kerl namens Joe, der seine entführte Freundin retten will. Das Problem ist, dass die beiden während eines Kinobesuches in die Leinwand hinein gesaugt wurden und darin andere Regeln im Vergleich zu ihrer gewohnten Realität herrschen.

Dank der VFX-Energie mutiert unser unfreiwilliger Held zu Viewtiful Joe und verkloppt seine Gegner mithilfe dreier besonderer Fähigkeiten. Die VFX-Zeitlupe verlangsamt das Spielgeschehen so sehr, dass Joe á la Neo (ihr wisst schon: der Bubi aus Matrix) pfeilschnellen Geschossen ausweichen kann. Per VFX-Überschall schaltet ihr andersherum auf die maximale Höchstgeschwindigkeit und prügelt euch völlig ungebremst von einem Schurken zum nächsten. Bleibt noch der VFX-Zoom, der die Kamera nahe an Joe heranfährt und seine Angriffe um ein Vielfaches verstärkt.

Trotz dreidimensionaler Polygone und fantastischer Cel-Shading-Grafik beschränkt sich das Spielgeschehen auf zwei Dimensionen, vergleichbar mit den Jump’n’Run-Klassikern Pandemonium oder Klonoa. Der Schwierigkeitsgrad ist nicht von schlechten Eltern, denn selbst im Kids-Modus ist Viewtiful Joe knackig schwer. Das wiederum sollte niemand wundern, schließlich stammt das Spiel von Hideki Kamiya, dem späteren Mastermind von Clover Studios (Okami) sowie Platinum Games (Bayonetta).

Und im Grunde ist Viewtiful Joe auch nicht so beinhart schwer, sondern einfach ein Designmeisterstück der alten Schule. Es ist durch und durch ein SPIEL, das euch herausfordern und anstacheln möchte. Die drei besagten Fähigkeiten müssen geschickt eingesetzt und korrekt miteinander kombiniert werden, um all den übermächtigen Endgegnern Paroli bieten zu können. Oder wie sonst sollte ein einzelner Kerl gegen einen fetten Düsenjet (!) bestehen?

Damit ist es ohne Zweifel ein klarer Kandidat für eine elitäre 90 Punkte Wertung, so wie sie einst von den Herren Lenhardt, Schneider und Neumann gedacht war: Sie sollte Spiele honorieren, die sowohl etwas Einmaliges darstellen als auch ihre Linie nahezu perfekt durchziehen. Und weil es abseits zweier mickriger Fortsetzung nichts vergleichbares gibt, kann ich Viewtiful Joe selbst heute noch empfehlen.

 

 

Viewtiful_Joe