OST #144: R-Type [C64]

144-R-TypeComposer: Chris Hülsbeck & Ramiro Vaca / Masato Ishizaki
System: C64 / Arcade
Year: 1988 / 1987

Computer- und Videospielmusik hat in den letzten 32 Jahren eine beeindruckende Entwicklung durchgemacht. Aus „der Not heraus“, irgendwie den grauen, weißen oder schwarzen Kästen etwas musikalisch Brauchbares zu entlocken, wurde zunächst eine Tugend, dann eine Kunst und zu guter Letzt eine eigene Stilrichtung. Heute stehen Komponisten alle Möglichkeiten zur Wahl: Wollen sie satten Orchestersound, Mainstream taugliches Pop oder eine Erinnerung an die gute, alte Chiptune-Ära?

Die Soundtrackvirtuosen der 1980er Jahre hatten diesen Luxus der Entscheidung nicht. Ganz im Gegenteil: Sie mussten irgendwie mit dem auskommen, was ihnen die Hardware diktierte. Das wiederum führte dazu, dass eine gut komponierte Melodie nicht ausreicht. Man musste den Soundchip in- und auswendig kennen, um ihm Töne zu entlocken, die guter Musik entsprach. Diese „Instrumentation“ fand rein am Computer statt und spornte insbesondere die Meister des C64 SID-Chip zu immer neuen Leistungen an.

R-Type ist unumstritten ein Klassiker unter den Spielhallenautomaten, obwohl er im Vergleich zu anderen Überhits wie Pac-Man, Asteroids oder Donkey Kong relativ spät erschien. Auch die Musik von Masato Ishizaki ist durchaus gelungen: Er komponierte für jeden Level ein eigenes, kurzes Thema, die das flotte Actiontreiben tatkräftig unterstützen. Aber wie bei vielen solcher Arcade-Games kommt die „Instrumentation“ nicht ganz mit. Die synthetischen Instrumente klingen zu blechern und zu lasch, um wirklich begeistern zu können.

Der Automat war nicht nur ein Hit, sondern auch prädestiniert für Computer- und Videosystemumsetzungen jedweder Art. Grafisch und spielerisch werden oftmals die sehr akkurate PC-Engine-Version und die geschickt an die Hardware angepasste Amiga-Adaption als am gelungensten benannt – die Gelehrten und Fans der alten Schule streiten sich hier sicherlich bis zum jüngsten Gericht. Doch in einer Hinsicht sind sich erstaunlicherweise fast alle einig: an die Arrangements des C64-Soundtracks kommt keiner ran.

Chris Hülsbeck und Ramiro Vaca sind die einzigen, die es geschafft haben der Original R-Type-Musik die gebührende Leidenschaft zu entlocken. Ihre Adaption klingt viel gehaltvoller, immens vielschichtiger und bedeutend motivierender. Zudem haben die beiden nicht nur an den „Instrumenten“ gearbeitet, sondern auch die Pace optimiert. Speziell das Hi-Score-Theme klingt auf dem C64 dezent flotter und allein deshalb dramatisch besser.

Das alleine hätte für eine solch relativ hohe Platzierung und immerhin eine Erwähnung in der Top Three der besten Computer-/Videospielsoundtacks aus dem Jahre 1988 nicht ganz ausgereicht. Es ist Chris Hülsbecks unglaublich energiereiches und ohrwurmverdächtiges Titelthema, das mich damals regelrecht umhaute und in meinen Augen einen wichtigen Punkt in seiner Karriere darstellt. Im Gegensatz zu Hülsbecks vorherigen Highlights wie Shades, The Great Giana Sisters oder To be on Top vertraut das Titelthema weniger seinen technischen und mehr seinen kompositorischen Fähigkeiten. Innerhalb von zweieinhalb Minuten vermittelt er mir mit einer bis zum Anschlag treibenden Melodie das Gefühl von „Action pur“ und das ich unbedingt dieses Spiel zocken MUSS.

Und jetzt muss ich noch einen oben drauf setzen und einen Soundtrack erwähnen, der eigentlich gar nicht in meiner Liste vorkommt. Wie gesagt: Keine der anderen Konvertierungen kamen musikalisch an die C64-Version heran. Das ist richtig und falsch zugleich, den ein Jahr später erschien Factor 5s Adaption für den Amiga. Leider war Hülsbeck zu dem Zeitpunkt noch nicht der Stammkomponist des Kölner Entwicklungsstudios, weshalb Darius Zendeh den Originalsoundtrack arrangierte – mit eher piepsigem Erfolg. Der Legende nach fehlte dem Team jedoch ein kerniges Hauptthema, weshalb man bei Chris Hülsbeck anfragte. Der war Feuer und Flamme und bastelte in seinem jugendlichen Eifer ein von Grund auf neues Werk, das mit seiner C64-Interpretation nur den Namen gemeinsam hat.

Die Amiga-Titelmelodie von R-Type markierte den nächsten und vielleicht wichtigsten Punkt in Hülsbecks Karriere: Technisch sollte dieses eine Musikstück wirklich alles andere, was bis Anfang 1989 auf einem Computer oder von einer Videospielkonsole zu hören war, in Grund und Boden stampfen. Und die Komposition? Meisterhaft, absolut meisterhaft. Anstatt sich einer weiteren Arcade-ähnlichen Melodie hinzugeben, versuchte sich Hülsbeck an einem kleinen synthetischen Sci-Fi-Epos. Spätestens mit der orchestralen Neuauflage im Rahmen von Symphonic Shades sind die Parallelen zu den glorreichen Star Trek-Themen jedenfalls unverkennbar.

Soundtrack-Veröffentlichungen [Original & Arrange]

R-Type Themes EP [Compilation]
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Soundtrack-Veröffentlichungen [Arrange]

Hülsbeck Vol. 1: Shades [Compilation]
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Symphonic Shades – Hülsbeck in Concert [Compilation]
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