Game #260: Lionheart

260-LionheartHersteller: Thalion
Gamedesign: Erik Simon
Graphics: Henk Nieborg
Music: Matthias Steinwachs
System: Amiga
Jahr: 1993

Der Amiga war ein faszinierender Computer, der seiner Zeit dank Grafik- und Soundfähigkeiten weit voraus war. Obwohl die ersten Modelle bereits 1985 verkauft wurden, konnte er fünf Jahre später immer noch ganz gut gegen Super Nintendo, Mega Drive & Co. mithalten – zumindest was geschniegelte 2D- & Bitmap-Grafik anbelangt. Trotzdem war das System zum Sterben verurteilt, wenn auch weniger aufgrund der älter werdenden Hardware als „danke“ der unaufhaltsamen Raubkopiererproblematik.

1993 hatten sich bereits viele etablierte Teams vom Amiga verabschiedet und sich der Konsolenentwicklung gewidmet. Nur eine besonders hartnäckige Softwareschmiede mitten in Gütersloh wollte nichts vom Grabgesang wissen und veröffentlichte innerhalb eines Jahres zwei besonders aufwändig produzierte Titel: Ambermoon und… Lionheart.

Die Geschichte trieft nur so vor 08/15: Der furchtlose Valdyn (halb Mensch, halb Raubkatze) wird auch Lionheart genannt, angelehnt an ein wertvolles wie mächtiges Juwel seines Königreiches. Genau dieses wurde nun gestohlen, woraufhin der unfreiwillige Held dazu auserkoren wird, es wiederzubeschaffen. Ihm soll es nur recht sein, denn dann kann er sich gleich bei den Dieben dafür „bedanken“, dass sie während ihrer Tat seine Freundin versteinert haben…

Lionheart ist ein klassisches Action/Jump’n’Run aus der Seitenperspektive, unterteilt in sieben stattlich umfangreiche Levels und ein verstecktes Zusatzgebiet, das ihr zum Genießen des vollen Abspanns (inklusive Happy-End) zwingend bestreiten müsst. Im Gegensatz zu vielen anderen Genrevertretern besitzt Valdyn keine Schusswaffe sondern ein Schwert. Die Steuerung ist zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, weil ihr allein mit einem Druck auf den Schlagknopf nichts ausrichtet. Ihr müsst zusätzlich den Joystick in eine Richtung bewegen, um entweder seitwärts, über Kopf oder duckend anzugreifen.

Atmosphäre und Szenario erinnern an Psygnosis berühmt-berüchtigtes Shadow of the Beast, mit dem entscheidenden Unterschied, dass sowohl Steuerung als auch Leveldesign dramatisch besser funktionieren. Zwar ist auch Lionheart kein allzu leichtes Spiel, jedoch mit etwas Geschick durchaus für Normalsterbliche zu bewältigen. Meckern möchte ich eigentlich nur über den Umfang, der die Levels für meinen Geschmack unnötig aufbläht. Hier wäre weniger mehr gewesen.

Über all dem steht ein Aspekt, der Lionheart letztlich zur Unsterblichkeit verhilft: die Grafik. Schaut euch das Video an und lasst euch folgendes auf der Zunge zergehen: Jeder Hintergrund, jede Plattform, jeder Gegner und jede Animationsphase wurde von einem einzigen Mann gezeichnet. Henk Nieborg gestaltete mit seinem beispiellosen Händchen für Farbgestaltung und -verläufe eine Kulisse für die Geschichtsbücher, die in der Form nicht mal auf dem Super Nintendo zu sehen war.

Leider sollte sich der hohe Aufwand seitens Thalion nicht lohnen: Sowohl Lionheart als auch das ähnliche epische Rollenspiel Ambermoon konnten trotz sehr guter Kritiken nicht den Verkaufserfolg erzielen, den man sich erträumt hatte. Die Raubkopierer hatten gewonnen, das Studio musste ein Jahr später schließen und der Spieler verlor eine der sympathischsten Hardwareplattformen, die just vor ein paar Tagen ihren 30. Geburtstag feierte. Herzlichen Glückwunsch…

 

 

Lionheart