Der Marsianer

Einer der größten Unterschiede zwischen den Oscars und den Golden Globes betrifft die Vergabe der Best-Picture-Auszeichnungen. Die Hollywood Foreign Press Association prämiert seit eh und je das beste Drama und die/das beste Komödie/Musical. Während die Idee an sich reizvoll klingt, birgt sie stets die Sorge der eindeutigen Zuordnung – eben wenn der Film sowohl dramatische als auch lustige Elemente besitzt.

Mark Watney (gespielt von Matt Damon) hat ein echtes Problem: Während einer Mission auf dem Mars kommt es zu einem Sturm, der die Crew zum Verlassen des Planeten und zur Rückkehr zur Erde zwingt. Watney wird bei der Evakuierung von einem Trümmerteil getroffen und von seinen Leuten getrennt. Die gehen davon aus, die Kollision habe seinen Raumanzug zu sehr beschädigt und de facto sein Leben beendet. Geschockt übernimmt Kommandantin Lewis (Jessica Chastian) die Verantwortung und entscheidet ohne ihn abzuheben.

Doch wie durch ein Wunder hat Mark überlebt und versauert nun ganz alleine auf dem Mars. Er kann mit niemanden auf der Erde kommunizieren und müsste selbst bei einer sofort einsetzenden Rettungsmission Monate warten, bis er wieder eingesammelt werden kann. Doch zum Glück ist der gute Mann Botaniker, weshalb er einen Plan zur Produktion von Wasser und Nahrung entwickelt. Um Zuge der Veränderungen auf dem Planeten registriert die NASA, dass Watney in der Tat noch lebt. Stück für Stück überwinden beide Parteien sämtliche Hürden, um alles auf ein Ziel zu setzen: Mark Watney zurück zur Erde zu holen.

Der Marsianer erinnerte nach der ersten Ankündigung an einen typischen Science-Fiction-Film, so wie sie jedes Jahr zu Blockbuster-Zeiten produziert werden. Basierend auf dem Buch von Andy Weir dachte niemand so recht an Oscars & Co., mutmaßlich auch nicht die Produzenten, die Schauspieler oder Regisseur Ridley Scott. Zudem gilt letzterer als sehr unstetig, was die Qualitäten seine Werke anbelangt. Schließlich hat der Mann neben Alien, Blade Runner oder Gladiator auch solch weniger ruhmreiche Werke wie 1492, Robin Hood oder Die Akte Jane auf dem Kerbholz.

Und doch ist Der Marsianer nun einer von acht Filmen, die für einen Best Picture Oscar nominiert sind. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen ist die Buchvorlage kein gewöhnlicher Science-Fiction-Roman sondern eine bemerkenswert glaubhafte Geschichte, die in ähnlicher Form tatsächlich einmal Realität werden könnte – wohlgemerkt vielleicht in zehn oder zwanzig Jahren. Zwar spielt oft Meister Zufall eine Rolle und freilich hat Watney verdammt viel Glück – aber theoretisch könnte vieles genau so ablaufen, sofern der Mars irgendwann vom Menschen bemannt wird.

Drehbuchautor Drew Goddard (ein ehemaliger Zögling von Joss Whedon) hat es hervorragend verstanden, den Stoff auf ein zweistündiges Filmformat zu pressen. Natürlich lässt er das eine oder andere Detail aus und kürzt diese oder jene Begebenheit, doch ansonsten hält er sich erfreulich nahe an der Originalvorlage und gibt dem Zuschauer das Gefühl, einen relativ komplexen Vorgang auf relativ simple Weise zu verstehen.

Als Nächstes gebührt Ridley Scott ein Lob für seine Regieleistung, auch wenn sie im Vergleich zu anderen Kalibern wie George Millers Mad Max: Fury Road oder Alejandro Gonzalez Inarritus The Revenant bei Weitem weniger Showwert besitzt. Scott sorgt dafür, dass sich die Geschichte von Anfang bis Ende nach etwas Besonderem anfühlt. Er schafft eine nahezu perfekte Gratwanderung zwischen dramatischen Ereignissen und komödiantischen Elementen. Allen voran vermittelt er mir als Zuschauer Spannung und lässt mich zu keinem Zeitpunkt los, obwohl der ganze Film ohne einen Antagonisten auskommt. Der Marsianer ist einer der ganz seltenen Fälle, in denen wirklich jeder Charakter sein bestes versucht und nach gutem Gewissen handelt, ohne das es kitschig oder unnatürlich rüberkommt.

Zu guter Letzt ist es Matt Damon, der eine sagenhafte Performance abliefert und meiner Meinung nach die bislang beste Rolle seiner Karriere abliefert. Seine Art und sein Charakter passt perfekt zum unfreiwilligen Helden, den Mark Watney darstellt. Wobei „Held“ auch nicht das richtige Wort ist, schließlich rettet er sich am Ende nur selbst. Doch auch das ist eine gewisse Kunst, nämlich diese Errungenschaft in der Tat als etwas Großes zu verkaufen und nicht wie einen Egotrip aussehen zu lassen.

Allgemein fällt es mir schwer, irgendetwas Negatives über Der Marsianer zu sagen. Sämtliche weiteren Rollen sind sehr gut besetzt, Kulisse, Kamera und visuelle Effekte geben sich keine Blöße und die Musik von Harry Gregson-Williams funktioniert ebenso. Demnach sollte es eigentlich kein Problem sein, Sir Ridley Scott für diese rundherum gelungene Arbeit mit einem Oscar zu würdigen, nicht zuletzt weil der Mann bislang noch nie gewonnen hat…

…und dann bringt die Academy den Traum frühzeitig zum Platzen und verweigert Scott eine Nominierung für die beste Regie. Es war der größte Schocker am Nominierungsnachmittag, zudem obendrauf auch noch die Leistung des Filmschnitts gnadenlos ignoriert wurden. Es gleich fast schon einem Wunder, dass trotzdem sieben Nominierungen zustanden gekommen sind, darunter eine für Matt Damon als Hauptdarsteller. Doch in allen Kategorien ist die Konkurrenz deutlich stärker, weshalb schwer davon auszugehen ist, dass Der Marsianer am 28. Februar leer ausgeht.

Die Golden Globes haben das Problem auf höchst umstrittene Weise umschifft und den Film tatsächlich als Komödie eingestuft, wo er den Preis für den besten Film und den besten Hauptdarsteller gewinnen konnte. Ob das wirklich fair für die wirklich lustigen Werke ist, sei dahin gestellt – aber immerhin durfte Ridley Scott so zumindest eine Dankesrede halten. Hoffen wir einfach, dass es nicht seine letzte sein wird und in ihm irgendwo ein weiteres Alien, Blade Runner oder eben Marsianer steckt.

Oscar-Nominierungen: Bester Film, Bester Hauptdarsteller (Matt Damon), Bestes adaptiertes Drehbuch, Bestes Produktionsdesign, Beste Visuellen Effekte, Beste Tonabmischung, Beste Toneffekte.