Oscar-Analyse: Bester animierter Kurzfilm

Die dritte Kategorie der Kurzfilme ist speziell für animierte Kleinmeisterwerke gedacht. Im Gegensatz zu den “großen“ Brüdern verlassen sich die Regisseure selten auf Computertechnologie und sind eher bekannt für ihre ausgefallene Form der Trickumsetzung.

The Bigger Picture

Dies gilt insbesondere für The Bigger Picture, deren Figuren Animation für Animation auf einer zwei Meter hohen Wand geklebt und aufgezeichnet wurden. Gleichzeitig hat Regisseurin Daisy Jacobs echte, dreidimensionale Objekte hinzugefügt, wie beispielsweise eine Einkaufstüte mit Lebensmitteln, die zu Beginn von einer der Figuren ausgekippt wird. Der Ergebnis ist ein interessanter Mix aus 2D und 3D und hat allein deshalb seine Nominierung verdient.

Doch ob es auch für den Sieg reicht? Die Handlung erzählt von zwei Brüdern, die sich um ihre kranke Mutter kümmern. Der eine ist sichtlich genervt, während sich der andere selbst als “alt“ bezeichnet – mit knapp über 40, wohlgemerkt. Für einen animierten Film ist der Stoff jedenfalls erstaunlich “realitätsnah“ und “bedrückend“, was einige abschrecken dürfte.

A Single Life

Mit gut zwei Minuten ist A Single Life der mit Abstand kürzeste Film, der 2015 für einen Oscar nominiert ist: Eine Frau erhält per Post eine Schallplatte, die sie sogleich freudig auflegt und dabei ein Stück Pizza verspeisen möchte. Doch plötzlich springt die Platte, woraufhin die Zeit ruckartig um ein paar Minuten vorangeschritten und die Pizza in ihrer Hand fast aufgegessen ist. Die Frau realisiert, dass sie durch das Verschieben der Schallplattennadel jeden beliebigen Zeitpunkt ihres Lebens besuchen kann – und natürlich kann man sich bereits jetzt die Abschlusspointe zusammenreimen…

A Single Life lebt allein von seiner lustigen Idee und der tadellosen Umsetzung. Die Kürze macht dabei kaum etwas aus, gleichwohl bei mehr Umfang sicherlich ein paar putzige Running Gags möglich gewesen wären. Zudem hätte ich schon leichte Bauchschmerzen, einen gerade mal zwei- bis dreiminütigen Beitrag mit einem vollwertigen Oscar zu honorieren. Dazu Bedarf es dann doch etwas mehr “Fleißarbeit“.

Me and my Moulton

Hier dreht sich alles um ein Mädchen, das mit ihren beiden Schwestern und deren Eltern ein eigentlich ganz normales Leben führen – und doch irgendwie anders sind. Den gesamten Film über hört ihr die Stimme des Mädchens und wie sie aus ihrer naiven Sicht die Unterschiede zu anderen Familien aufzählt. Dazu gehört dann beispielsweise auch, dass nur ihr Vater einen Schnurrbart trage…

Von allen fünfzehn Kurzfilmen ist Me and my Moultan der langweiligste. Der Zeichenstil ist ähnlich simpel wie in The Danish Poet, ein neun Jahre alter Kurzfilm der gleichen Regisseurin, die damals den Oscar gewann. Ich glaube kaum, dass sie den Erfolg wiederholen wird – denn dazu ist ihr neuestes Werk rein von der Geschichte her betrachtet viel zu belanglos.

The Dam-Keeper

Stellt euch vor, ein Damm würde von einem jungen Schwein instand gehalten. Dieses muss nebenbei zur Schule gehen, so wie jedes andere Tier ebenso. Das Schwein gilt aufgrund seines Äußeren und seiner Tolpatschigkeit als Außenseiter, mit dem niemand befreundet sein möchte – bis zu dem Tag, an dem ein Fuchs in die Klasse kommt.

The Dam-Keeper ist rein von der Thematik her eine animierte Version von Parvaneh: Zwei ungleiche Jugendliche/Tiere raufen sich zusammen und werden schnell beste Freunde. Doch während der real gefilmte Beitrag aus der Schweiz eine nahezu konfliktfreie Beziehung zeigt, gibt es in The Dam-Keeper zwischendurch Zweispalt und Zweifel, die beinahe in einer kleinen Katastrophe enden.

Unterm Strich ein guter Beitrag, der mich aber nicht wirklich berührt oder gar fasziniert hat. Während die Idee in der “unkonventionellen Freunde“ in Parvaneh gerade aufgrund ihrer Bodenständigkeit funktioniert, wirkt mir die Botschaft hier zu aufgesetzt und zu gezwungen.

Liebe geht durch den Magen

Der sicherlich bekannteste der fünf nominierten Filme dürfte Liebe geht durch den Magen sein – schlicht, weil er jedem Kinobesucher von Baymax im Vorfeld gezeigt wird. Ein kleiner Welpe wird von einem Mann auf der Straße aufgelesen und daheim mit allerlei Leckereien verköstigt. Danach seht ihr Schnitt für Schnitt, wie die Tage und Monate vergehen und der Wau-Wau immer wieder die tollsten Sachen zu fressen bekommt – von dicken Fleischbällchen bis hin zu satten Süßspeisen. Doch dann tritt eine Frau in des Mannes Leben, die der Völlerei Einhalt bietet und gesunde Rohkost ins Haus bringt – was dem inzwischen erwachsenen Hund völlig missfällt.

Ohne jeden Zweifel ist Liebe geht durch den Magen der beste Beitrag dieses Quintetts. Er ist hervorragend animiert und zuckersüß in Szene gesetzt. Zwar ist die Moral hinter der Geschichte dezent zweifelhaft (zumindest würde ich niemanden raten, sein Haustier auf solch eine Weise zu verwöhnen) – aber wer damit klar kommt, der wird sich insbesondere in die herrliche Mimik und die unbeschwerte Freude des Hundes verlieben. Der Film funktioniert auch deshalb so gut, weil die “Kamera“ stets das Tier ins Zentrum rutscht und das Herrchen sowie spätere Frauchen immer nur am Rande oder als Schatten zu sehen sind. Diese ungewöhnliche Perspektive hilft jedenfalls immens, sich mit der Naivität eines einfachen Hundelebens zu identifizieren.

  1. Liebe geht durch den Magen
  2. The Bigger Picture
  3. A Single Life
  4. The Dam-Keeper
  5. Me and my Moulton