Oscar-Tippschein 2014/2015

Rien ne va plus, nichts geht mehr, morgen Nacht sind die Oscars – und in diesem Jahr habe ich einen neuen Rekord geschafft, was das Anschauen der nominierten Filmen anbelangt: Mir fehlen gerade mal fünf Stück, die in irgendeiner Form nominiert sind – darunter zwei, die “nur” in der Kategorie “Bester Song” dabei sind. Die anderen drei lauten Song of the Sea, Still Alice und (leider) American Sniper. Aber davon abgesehen standen diesmal sogar alle Dokumentarkurzfilme für Normalsterbliche wie mich zur Verfügung, die mit ihren beiden Füßen in Deutschland geblieben sind. Und bevor einer fragt: Ja, alles in legaler Form… iTunes, Vimeo und Netflix machen es möglich.

Bester Film

Nominiert sind:
American Sniper
Birdman
Boyhood
The Grand Budapest Hotel
The Imitation Game
Selma
Die Entdeckung der Unendlichkeit
Whiplash

Oh je, oh je – es ist wieder wie letztes Jahr spannend, obwohl es eigentlich nicht spannend ist. D.h. eigentlich möchten wir alle, dass es spannend ist. Aber, nein… der Sieger steht ehrlich gesagt seit ein paar Wochen fest und lautet… Birdman!

Ja, Boyhood hat alle Kritikerpreise, den BAFTA und den Golden Globe gewonnen. Klar, Whiplash ist der neue Underdog, den plötzlich angeblich ganz viele Academy-Mitglieder auf Platz eins gesetzt haben. Logo, American Sniper hat 300 Millionen Dollar eingefahren. Natürlich, Selma wurde zu unrecht auf zwei Nominierungen gestutzt, weshalb er nun das Erbe von Grand Hotel übernehmen soll (der anno 1932 nur als Best Picture im Rennen war und trotzdem die versammelte Konkurrenz schlug).

Aber das ändert nichts daran, dass Birdman einen beispiellosen Durchmarsch bei den Gilden geschafft hat: das Ensemble beim SAG, den DGA für den besten Regisseur, den PGA für die beste Produktion, den ASC für die Kamera, den ADG für die Ausstattung, den CAS für den Ton, den CDG für die Kostüme, den MPSE für den Tonschnitt und noch einen Preis von der Makeup & Hairstylists Gilde. Die einzigen beiden Gildenpreise, bei denen Birdman leer ausgegangen sind, ist der ACE für den Filmschnitt und der WGA für das Drehbuch – aber letzteres war auch gar nicht anders möglich, weil die Gilde dort besonders strenge Regularien hat und Birdman im Vorfeld disqualifizierte. Sprich: Dieser “Verlust“ zählt nicht…

Somit haben wir ein ähnliches Szenario wie vor vier Jahren mit The King’s Speech versus The Social Network: Letzteres gewinnt alles im Vorfeld, ersteres räumt die Gilden und bei den Oscars ab. Der einzige Hoffnungsschimmer, der noch für Boyhood bleibt: Er hat den BAFTA gewonnen – sowohl der Film als auch die Regie, während Birdman dort nahezu nix gekriegt hat (d.h. nur die beste Kamera). Und bei den BAFTAs wählen immerhin eine Handvoll Briten, die auch bei der Academy registriert sind. Aber das wird nicht reichen… zudem momentan vermehrt besonders kritische und sogar böswillige Kommentare vereinzelter Oscar-Mitglieder gegenüber Boyhood auftauchen, die den Film nicht mögen. Ich zitiere: Es ginge dort nur um “Loser“ und um “Müll“.

Deshalb sehe ich einen anderen Film fast schon mehr als Spoiler, weil der von vereinzelt gefragten Wählern auffallend oft als Nummer Eins genannt werden würde: Whiplash. Es wäre zwar statistisch gesehen eine Sensation, weil der Film außer einem SAG für J.K. Simmons als besten Nebendarsteller gar nichts bei den Gilden bekommen hat. Aber trotzdem erinnert mich dieses Flüstern an Brokeback Mountain versus Crash, wo ersterer als sicherer Sieger galt, letzterer immer häufiger von Academy-Mitgliedern genannt & gelobt wurde und dann letztlich für eine der größten Überraschungen der letzten zwanzig Jahre sorgte.

Aber… ne.. das sind wieder Träumereien, dass es spannend werden könnte. Nicht falsch verstehen: Birdman hätte es absolut verdient. Boyhood auch. Whiplash ebenso. Ich finde es grandios, dass sich die Diskussion genau auf meine drei persönlichen Top-Favoriten des Jahres 2014 konzentriert. Nur hätte ich gerne mal wieder eine weniger langweilige Verleihung, was die Sieger anbelangt…

Update: Nachdem ich sowohl Birdman als auch Boyhood nochmal gesehen habe, möchte ich “meine Stimme” ganz knapp zu Gunsten von Richard Linklaters unvergesslichem Meisterwerk geben. Es ist letztlich der Film, der mich am meisten berührt und beeindruckt hat.

Front-runner: Birdman
Runner-up: Boyhood oder Whiplash
My vote: Boyhood
Missing: Interstellar & Gone Girl
Haven’t seen: American Sniper

Beste Regie

Nominiert sind:
Alejandro Gonzales Inarritu (Birdman)
Richard Linklater (Boyhood)
Bennett Miller (Foxcatcher)
Wes Anderson (The Grand Budapest Hotel)
Morten Tyldum (The Imitation Game)

Hier sieht’s schon anders aus, was mein Herz anbelangt: Denn ich fände es schreiend ungerecht, wenn Richard Linklater nicht den Regie-Oscar für Boyhood bekäme. Der Mann hat zwölf Jahre an einem Film gesessen, dessen Ausgang völlig unberechenbar war. Dass dann ein so rundes und von vorne bis hinten funktionierendes Meisterwerk herauskommt, hat er vermutlich selbst nicht gedacht.

Entsprechend hat Linklater bislang jeden Preis gewonnen, denn man gewinnen kann… nur nicht diesen vermaledeiten Director Guild Award, der nahezu immer den Oscar vorhersagt. Den bekam, natürlich, Alejandro Gonzalez Innaritu für Birdman. Und in Anbetracht der universellen Liebe, die der Film bei den Gilden erfahren hat, klingt ein Tipp in Richtung Linklater wie Wunschdenken.

Front-runner: Alejandro Gonzalez Inarritu (Birdman)
Runner-up: Richard Linklater (Boyhood)
My vote: Richard Linklater (Boyhood)
Missing: Damien Chazelle (Whiplash) & Ava DuVernay (Selma)

Bester Hauptdarsteller

Nominiert sind:
Steve Carell (Foxcatcher)
Bradley Cooper (American Sniper)
Benedict Cumberbatch (The Imitation Game)
Michael Keaten (Birdman)
Eddie Redmayne (Die Entdeckung der Unendlichkeit)

Einige Oscar-Blogger glauben aus einem ganz bizarren Grund nicht so wirklich daran, dass Birdman gewinnt: Weil Michael Keaton mit großer Wahrscheinlichkeit den Oscar als besten Hauptdarsteller gegen Eddie Redmayne für Die Entdeckung der Unendlichkeit verlieren wird. Aber das ist Schwachfug und viel zu kompliziert gedacht. Natürlich war Keaton stark und ja, der Mann ist sehr beliebt, auch unter seinen Kollegen. Aber Redmayne hat ein perfektes Abbild von Stephen Hawking hingelegt – wohlgemerkt von kerngesund bis zur absoluten Bewegungsunfähigkeit!

Die Academy LIEBT solche Rollen – und ehrlich? Ich würde ihn auch wählen. Keaton war stark, er hat einen eigenen Charakter geformt und ihn in ungeahnte Richtungen entwickelt. Aber Redmayne hat dafür eine perfekte Kopie geschafft und sich selbst zur “Unkenntlichkeit“ verändert – weshalb es auch die größere Leistung im Gesamten ist.

Ach ja, und was Bradley Cooper anbelangt: Ich glaube es nicht wirklich… aber ich nenne ihn trotzdem mal als potenziellen Spoiler. Drei Oscar-Nominierungen hintereinander schafft nicht jeder und American Sniper ist in den USA höchst beliebt, da können wir machen was wir wollen.

Front-runner: Eddie Redmayne (Die Entdeckung der Unendlichkeit)
Runner-up: Michael Keaton (Birdma) oder Bradley Cooper (American Sniper)
My vote: Eddie Redmayne (Die Entdeckung der Unendlichkeit)
Missing: Ralph Fiennes (The Grand Budapest Hotel)
Haven’t seen: Bradley Cooper (American Sniper)

Beste Hauptdarstellerin

Nominiert sind:
Marion Cotillard (Zwei Tage, eine Nacht)
Felicity Jones (Die Entdeckung der Unendlichkeit)
Julianne Moore (Still Alice)
Rosamunde Pike (Gone Girl)
Reese Witherspoon (Wild)

Julianne Moore gewinnt haushoch, weil sie noch keinen Oscar hat, weil ihre Leistung in Still Alice universell verehrt wird und weil die Konkurrenz in diesem Jahr vergleichsweise schwach ist. Mehr gibt’s dazu nicht zu sagen.

Front-runner: Julianne Moore (Still Alice)
Runner-up: –
My vote: Reese Witherspoon (Wild)
Haven’t seen: Julianne Moore (Still Alice)

Bester Nebendarsteller

Nominiert sind:
Robert Duvall (The Judge)
Ethan Hawke (Boyhood)
Edward Norton (Birdman)
Mark Ruffalo (Foxcatcher)
J.K. Simmons (Whiplash)

J.K. Simmons gewinnt noch haushoher, weil er den markantesten und brutalsten Charakter des Jahres gespielt hat. Er war zwar nie zuvor für einen Oscar nominiert, gilt aber trotzdem unter seinen Kollegen als geschätzt und “überfällig“ für solch einen Goldjungen. Seine Konkurrenz ist mit Edward Norton für Birdman etwas härter als die von Julianne Moore… aber selbst Birdman-Fans sehen ein, dass Simmons in Whiplash einfach zwei bis drei Klassen besser war.

Front-runner: J.K. Simmons (Whiplash)
Runner-up: –
My vote: J.K. Simmons (Whiplash)
Missing: Josh Brolin (Inherent Vice)

Beste Nebendarstellerin

Nominiert sind:
Patricia Arquette (Boyhood)
Laura Dern (Wild)
Keira Knightley (The Imitation Game)
Emma Stone (Birdman)
Meryl Streep (Into the Woods)

Immerhin sehen selbst eingefleischte Boyhood-Hasser ein, dass hier Patricia Arquette ungeschlagen ist. Ihre Performance als “gewöhnlich-amerikanische Mutter“, die über zwölf Jahre ungeschönt und ungeschminkt gezeigt wird, gilt für nahezu jeden als bemerkenswert authentisch. Nur wenn der Boyhood-Hass doch mehr Ausmaße annimmt, als wir es alle befürchten, hat Emma Stone für Birdman eine Chance – ihrem einen furiosen Monolog sei dank…

Front-runner: Patricia Arquette (Boyhood)
Runner-up: Emma Stone (Birdman)
My vote: Patricia Arquette (Boyhood)

Bestes Drehbuch (original)

Nominiert sind:
Birdman
Boyhood
Foxcatcher
The Grand Budapest Hotel
Nightcrawler

Abseits der Schauspieler bin ich dieses Jahr sehr vorsichtig und tippe bewusst auf Sieger, die ich persönlich nicht wählen würde – und das gilt auch für das beste Drehbuch. Wieder muss ich gleich abwiegen: Wes Anderson wäre eine hervorragende Wahl und seine Schreibkunst hätte schön längst zwei, drei Statuetten einfahren müssen – wieso also ihn nicht für The Grand Budapest Hotel belohnen? Aber der gesamte Handlungsverlauf in Birdman ist das, was den Film so derart brillant macht… und deshalb ist ein Sieg für Inarritu auch in dieser Kategoei alles andere als unrealitsisch. Er hat immerhin den Golden Globe für seine Schreibkünste gekriegt…

Front-runner: The Grand Budapest Hotel
Runner-up: Birdman
My vote: Birdman

Bestes Drehbuch (adaptiert)

Nominiert sind:
American Sniper
The Imitation Game
Inherent Vice
Die Entdeckung der Unendlichkeit
Whiplash

Erneut bin ich mir sehr unsicher, wer gewinnt – und tippe deshalb bewusst auf das, was ich NICHT wählen würde. The Imitation Game ist ein klassisch-geschniegeltes Drehbuch, das zwar viel in Punkto Wahrheit verbiegt – nur hat das die Academy bei Kalibern wie Argo auch wenig gestört. Die wirklich große Unbekannte ist Whiplash, weil dessen Drehbuch nur bei den Oscars aufgrund einer unglaublich dämlichen Regelung als „adaptiert“ und nicht als „original“ gilt.

Und jetzt ist die Frage: Wie bewertet der Academy-Wähler das? Schaut er wirklich nur auf die Geschichte und nichts anderes? Dann wird es Whiplash. Zieht er den Adaptierungsprozeß in Erwägung, der für Graham Moore ungleich schwerer war? Dann wird es The Imitation Game. Anhand meines persönlichen Tipps könnt ihr sehen, nach welchen Kriterien ich mich entscheide… nur hätte ich auch Whiplash nie und nimmer in diese Kategorie gestopft.

Front-runner: The Imitation Game
Runner-up: Whiplash
My vote: Whiplash
Missing: Gone Girl
Haven’t seen: American Sniper

Bester Filmschnitt

Nominiert sind:
American Sniper
Boyhood
The Grand Budapest Hotel
The Imitation Game
Whiplash

Boyhood war eigentlich der sichere Sieger… bis eben die Gilden den Film fast durchweg gemieden haben. Material von über zwölf Jahren auf so eine flüssige wie homogene Weise zu schneiden, ist echt keine leichte Arbeit. Aber genauso ist das, was die Cutter in Whiplash geleistet haben, eine Hausnummer für sich.

Natürlich möchte ich, dass es Boyhood macht – und hier hat er ja immerhin diesen einen, wichtigen Gildenpreis eingefahren, weshalb die Chancen gut stehen. Nur wird Filmschnitt gerne mit bester Film gemixt – und wenn Whiplash wirklich so viel beliebter sein soll…? Kinder, fällt mir das Tippen dieses Jahr schwer…

Front-runner: Whiplash
Runner-up: Boyhood
My vote: Boyhood
Missing: Birdman
Haven’t seen: American Sniper

Beste Kamera

Nominiert sind:
Birdman
The Grand Budapest Hotel
Ida
Mr. Turner
Unbroken

Jetzt kommt der größte Witz, der noch viel lustiger ist als der über Michael Keaton: Ganz tief im Inneren sagt mir ein kleines Teufelchen, dass Birdman ausgerechnet den Oscar für die beste Kamera verliert. Klar, der Film wird geliebt – aber die Kameraarbeit ist genau von jenem Kaliber, wie sie die Academy selten honoriert.

Die nahtlosen Kameraführungen und Szenen-“wechsel“ sind mehr als beeindruckend und deklassieren die Konkurrenz. Nur zeichnet die Academy lieber “schöne, epische Bilder“ aus – und da sehe ich einen Kandidaten, der Emmanuel Lubeszki gefährlich werden könnte: Mr. Turner. Der Film hat nämlich genau die großen, weiten Landschaftsaufnahmen, die oft einen Oscar einfahren. Nur wäre es mehr als zynisch, wenn Birdman wie erwartet Best Picture gewinnt… und die von vielen am meisten gelobte Teilleistung nicht. Deshalb sage ich meinem Teufelchen “Halt die Fresse“ und bete für die Vernunft der Academy.

Front-runner: Birdman
Runner-up: Mr. Turner
My vote: Birdman

Bestes Produktionsdesign

Nominiert sind:
The Grand Budapest Hotel
The Imitation Game
Interstellar
Into the Woods
Mr. Turner

Eine der leichter vorherzusehenden Kategorien: Kein anderer Film hat eine solch ausgefallene und bis ins Detail so gut ausgearbeitete Kulisse wie The Grand Budapest Hotel. Er perfektioniert den Stil von Wes Anderson und ist erstaunlicherweise der bisweilen einzige Film von ihm, der es hier überhaupt zu einer Nominierung geschafft haben. Selbst ein Into the Woods hat trotz aufwändiger wie märchenhafter Szenerie nur Außenseiterchancen.

Front-runner: The Grand Budapest Hotel
Runner-up: Into the Woods
My vote: The Grand Budapest Hotel

Beste Kostüme

Nominiert sind:
The Grand Budapest Hotel
Inherent Vice
Into the Woods
Maleficent
Mr. Turner

Bei den Kostümen schaut es genau so aus: The Grand Budapest Hotel ist der klare Favorit, Into the Woods darf nur zuschauen – auch wenn ich hier sogar letzterem meine Stimme geben würde (die Märchenkostüme sind wirklich traumhaft gut). Aber ich glaube kaum, dass die Academy das umstrittene Musical von Rob Marshall irgendwie honorieren möchte, wenn sie stattdessen ein weiteres Kreuzchen für Wes Andersons bedeutend beliebtere Komödie setzen können.

Front-runner: The Grand Budapest Hotel
Runner-up: Into the Woods
My vote: Into the Woods

Bestes Makeup

Nominiert sind:
Foxcatcher
The Grand Budapest Hotel
Guardians of the Galaxy

Erneut tippe ich auf The Grand Budapest Hotel, allein dafür, wie perfekt Tilda Swinton zur alten Frau geschminkt wurde. Die ausgefallenen wie unterschiedlichen Frisuren der anderen Charaktere helfen ebenso zum Sieg. Sollte jedoch die Academy einem der erfolgreichsten Filme des vergangenen Jahres einen Trostpreis gönnen, dann könnte es auch die kunterbunte Mischung aus Guardians of the Galaxy machen.

Front-runner: The Grand Budapest Hotel
Runner-up: Guardians of the Galaxy
My vote: The Grand Budapest Hotel
Missing: Die Entdeckung der Unendlichkeit

Bester Ton

Nominiert sind:
American Sniper
Birdman
Interstellar
Unbroken
Whiplash

Bei Bekanntgabe der Nominierung fiel mir sofort auf, dass Into the Woods fehlt – obwohl Musicals in dieser Kategorie sogar recht oft gewinnen. Schließlich geht es beim “Ton“ um die Abmischung der einzelnen Tonspuren – ergo Musik, Dialoge und Effekte – so dass sie alle in der richtigen Lautstärke miteinander harmonieren.

Und in der Hinsicht fällt natürlich der satte Sound von Whiplash auf, der dem Film seine eigene Note verleiht und die Atmosphäre immens nach oben pusht. Aber ein Sieg von Birdman würde mich ebenso wenig wundern: Es ist alles andere als einfach, eine klare wie stets gleich laute Tonkulisse zu etablieren, wenn man keinen gewöhnlichen “Filmschnitt“ sondern eine stets mitschwenkende Kamera hat…

Front-runner: Whiplash
Runner-up: Birdman
My vote: Whiplash
Missing: Into the Woods
Haven’t seen: American Sniper

Bester Tonschnitt

Nominiert sind:
American Sniper
Birdman
Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Armeen
Interstellar
Unbroken

Beim Tonschnitt werden die Soundeffekte ausgezeichnet, die für den Film generiert und implementiert weurden – weshalb natürlich hier Whiplash fehlt. Viele Oscar-Blogger tippen auf American Sniper, allein weil der Film ja irgendwas gewinnen sollte und Kriegsfilme dieser Art immer recht gut in den Tonkategorien abschneiden. Aber ich schiele wieder in Richtung Birdman: Viele Academy-Mitglieder haben vom Ton keine Ahnung und wählen deshalb den oder die Filme, die ihnen am meisten aufgefallen sind oder schlichtweg am meisten gefallen haben. Und hier hat Birdman den Vorteil, dass die Effekte zwar nur einer Szene wirklich dominieren, dort aber mit einer großen Eindringlichkeit und nachhaltiger Wirkung.

Front-runner: Birdman
Runner-up: American Sniper
My vote: Interstellar
Haven’t seen: American Sniper

Beste Musik

Nominiert sind:
The Grand Budapest Hotel
The Imitation Game
Interstellar
Mr. Turner
Die Entdeckung der Unendlichkeit

Eine echte Killerkategorie mit vier potenziell würdigen Preisträgern – d.h. alle außer Mr. Turner. Mein Favorit The Imitation Game hat keine echte Chance – das Hauptthema ist zwar wundervoll, aber da würde sich die Academy eher für den variantenreichen Soundtrack von Die Entdeckung der Unendlichkeit entscheiden.

Viele tippen sogar auf den letztgenannten Kandidaten, weil laut einer Statistik bisweilen fast alle Golden-Globe-Gewinner auch den Oscar abräumten, sofern sie denn für beides nominiert waren. Aber (und das ist ein großes aber): Der eigentliche Favorit The Grand Budapest Hotel war bei den Globes nicht im Rennen und konnte ergo dort schlecht siegen. Die BAFTAs haben jedenfalls jüngst gezeigt, dass der quirkige Soundtrack von Alexandre Desplat sehr wohl seine Fans hat…

Meine eigentliche Begründung basiert letztlich auf keinerlei Statistik: Die Academy tendiert in letzter Zeit oft dazu, besonders auffällige Soundtracks zu honorieren, die sich von der Masse abheben. Und das spricht eindeutig für The Grand Budapest Hotel.

Front-runner: The Grand Budapest Hotel
Runner-up: Die Entdeckung der Unendlichkeit
My vote: The Imitation Game
Missing: Maleficent

Bester Song

Nominiert sind:
Everything is Awesome (The LEGO Movie)
Glory (Selma)
Grateful (Beyond the Lights)
I’m Not Gonna Miss You (Glen Campbell: I’ll Be Me)
Lost Stars (Begin Again)

Die meisten gehen davon aus, dass hier Selma unschlagbar sei. Der Song “Glory“ ist in der Tat groß und mangels weiterer Nominierungen wäre hier die einzig realistische Chance, Ava DuVernays Biopic überhaupt irgendwie zu würdigen. Allerdings gibt es da einen Spoiler, der wahrlich nicht zu verachten ist: Glenn Campbell hat für den Dokumentarfilm I’ll Be Me, der sich rund um sein Leben und seine fortgeschrittene Alzheimer-Krankheit beschafft, seinen vermutlich allerletzten Song geschrieben… mehr Sentimentalität geht nicht.

Front-runner: Glory (Selma)
Runner-up: I’m Not Gonna Miss you (Glenn Campbell: I’ll Be Me)
My vote: Glory (Selma)
Haven’t seen: Glenn Campbell: I’ll Be Me & Beyond the Lights

Beste visuelle Effekte

Nominiert sind:
The Return of the First Avenger
Planet der Affen: Revolution
Guardians of the Galaxy
Interstellar
X-Men: Zukunft ist Vergangenheit

In diesem Jahr gibt es keine Überschneidungen zwischen den Kategorien Bester Film/Beste Kamera und Beste visuelle Effekte, was eine Vorhersage rein statistisch betrachtet richtig schwer macht. Aber es würde mich schon dezent wundern, wenn es nicht Interstellar wird. Zwar besitzen die Effekte bei Weitem nicht den Schauwert eines Planet der Affen Revolution oder Guardians of the Galaxy. Aber zum einen ist weniger manchmal mehr und zum anderen ist Interstellar der einzige der fünf nominierten Filme, die das gewöhnliche Academy-Mitglied (männlich, weiß, über 60) in irgendeiner Form anspricht. Und ja, das spielt eine gewaltige Rolle, gerade in solchen “Nebenkategorien“…

Front-runner: Interstellar
Runner-up: Planet der Affen Revolution
My vote: Planet der Affen Revolution
Missing: Godzilla

Bester animierter Film

Nominiert sind:
Baymax
Die Boxtrolls
Drachenzähmen leicht gemacht 2
Song of the Sea
Die Legende der Prinzessin Kaguya

The LEGO Movie ist raus und ehrlich: Er hätte den Oscar auch nicht gewonnen. Der Film ist zu hip und zu modern für eine Academy, die vor ein paar Jahren Merida vor Ralph Reicht’s gewürdigt hat. Das gleiche gilt im übrigen auch für die Golden Globes, wohlgemerkt – und die haben Drachenzähmen leicht gemacht 2 gewählt.

Mit etwas mehr “Buzz“ und “Hype“ könnte es noch Die Legend der Prinzessin Kaguya schaffen, schlicht weil Regisseur Isao Takahata dank Die letzten Glühwürmchen jeden Preis der Welt verdient hätte. Aber damals gab es diese Kategorie noch nicht und heute ist die Konkurrenz einfach zu dominant.

Front-runner: Drachenzähmen leicht gemacht 2
Runner-up: Die Legende der Prinzessin Kaguya
My vote: Drachenzähmen leicht gemacht 2
Missing: The LEGO Movie
Haven’t seen: Song of the Sea

Bester fremdsprachiger Film

Nominiert sind:
Ida (Polen)
Leviathan (Russland)
Tangerines (Estland)
Timbuktu (Mauretanien)
Wild Tales (Argentinien)

Den Oscar könnte eigentlich jeder kriegen – abseits von Tangerines. Leviathan hat den Globe, Ida den BAFTA. Timbuktu ist der Underdog aufgrund seiner tollen Bilder und Wild Tales aufgrund der bizarren Geschichten, die sehr, sehr beliebt sind. Wären diese etwas weniger gewalttätig, dann würde ich auch auf den Beitrag aus Argentinien tippen. So aber bleibe ich bei dem Film, dem seit Monaten die Favoritenrolle angedichtet wurde, und der die “Bodenständigkeit“ eines typischen Foreign Language Winners ausstrahlt.

Front-runner: Ida
Runner-up: Wild Tales
My vote: Wild Tales
Missing: Two Days, One Night

Bester Dokumentarfilm

Nominiert sind:
CITIZENFOUR
Finding Vivian Maier
Last Days in Vietnam
Das Salz der Erde
Virunga

Es ist vielleicht nicht der beste Dokumentarfilm, aber sehr wohl der mit der aktuell brisantesten Thematik: CITIZENFOUR gewinnt derzeit sicherlich deshalb so viel, weil die Affäre rund um Edward Snowden und der NSA immer noch tief in den Köpfen aller westlich geeichten Menschen steckt. Die frühere Regelung, dass man in dieser Kategorie alle fünf Filme gesehen haben muss, um auch wählen zu dürfen, gibt es jedenfalls nicht mehr – was nur noch mehr für CITIZENFOUR spricht.

Nur wenn gerade das Thema die Academy im Gesamten schlicht und ergreifend nerven sollte, dann geht der Preis an das erstaunlich vielschichtige und fast schon Thriller-artige Virunga.

Front-runner: CITIZENFOUR
Runner-up: Virunga
My vote: Das Salz der Erde

Bester Kurzdokumentarfilm

Nominiert sind:
Crisis Hotline: Veterans Press I
Joanna
Our Curse
The Reaper
White Earth

Zum ersten Mal konnte ich alle fünf Kurzdokumentarfilme sehen – und doch hätte ich instinktiv auf einen eher “unbeliebten Kandidaten“, namentlich Our Curse, gesetzt. Deshalb tippe ich auf halbwegs Nummer sicher und nenne meinen zweiten Favoriten Joanna, der global betrachtet auch am zweithäufigsten (!) im Bezug auf einen Oscar-Sieg genannt wird. Der häufigste? Crisis Hotline: Veterans Press 1

Front-runner: Joanna
Runner-up: Crisis Hotline: Veterans Press 1
My vote: Our Curse

Bester Kurzfilm

Nominiert sind:
Aya
Boogaloo and Graham
Butter Lamp (La Lampe Au Beurre De Yak)
Parvaneh
The Phone Call

Argh, dieses verfluchte Ende von The Phone Call! Es wäre ein so perfekter Kurzfilm, dank der grandiosen schauspielerischen Darbietung von Sally Hawkins und Jim Broadbent. Aber nein… dieses Ende!! Dieses super-mega-schnulzige Lied am Ende!!! Gut, es scheint nur mich so tief genervt zu haben, weshalb The Phone Call in der Tat die besten Chancen auf den Oscar hat und ich deshalb auch brav mit dem Strom schwimme.

Mein Liebling The Butter Lamp ist jedenfalls viel zu obskur, das weiß ich auch. Bleibt noch Parvaneh für all jene Academy-Mitglieder, die ein rundherum glattes wie herrlich sympathisches Filmchen mögen – ohne Ecken, ohne Kanten und ohne Drama.

Front-runner: The Phone Call
Runner-up: Parvaneh
My vote: The Butter Lamp

Bester animierter Kurzfilm

Nominiert sind:
The Bigger Picture
The Dam Keeper
Feast
Me and My Moulton
A Single Life

Es gewinnt nicht immer der “große“ Kurzfilm aus dem Hause Disney – schaut euch an, wie letztes Jahr Get a Horse in letzter Minute übertölpelt wurde. Allerdings sehe ich zum einen in diesem Jahr kein Mr. Hublot, der trotz kleinerem Budget eigentlich viel mehr geleistet hat (nein, The Dam-Keeper hat in meinen Augen nicht das Zeug dafür). Und zum anderen ist Liebe geht durch den Magen einfach zuckersüß und von der Idee bis zur Ausführung einfach der beste der fünf Kurzfilme. Setzt die Academy auf Originalität, dann hat meines Erachtens nur The Bigger Picture aufgrund der aufgefallenen Produktionsarbeit eine Chance.

Front-runner: Liebe geht durch den Magen
Runner-up: The Bigger Picture
My vote: Liebe geht durch den Magen