OST #2: Final Fantasy VI

002-Final_Fantasy_6Composer: Nobuo Uematsu
System: Super Nintendo
Year: 1994

Fan sein ist unfair. Wenn du jemanden für seine kreative Arbeit magst, egal ob Schauspieler, Regisseur oder Komponist, dann empfindest du nicht nur seine neuen Werke als automatisch „besser“. Nein: Du betrachtest umso argwöhnischer die fiese Konkurrenz, die deinem Idol die Butter vom Brot nimmt.

Ich war und ich bin immer noch ein Fan von Chris Hülsbeck – unbestreitbar. Doch lange Zeit fiel es mir schwer, darüber hinaus irgendjemand anderen meine „Anerkennung“ zu schenken. Chris ist der beste, keiner macht so tolle Musik wie Chris, Chris gebührt jeder Award dieser Welt. All das änderte sich für mich im Jahre 1994.

Wie bereits in meiner Liste über meine absoluten Lieblingsspiele erwähnt, hatte ich zuvor kein „echtes“ Final Fantasy gespielt oder deren Musik gehört. Ich wurde buchstäblich ins kalte Wasser geworfen und auf ewig geläutert. Was Nobuo Uematsu hier für ein einziges Super-Nintendo-Modul geleistet hat, ist der schiere Wahnsinn. 61 Musikstücke in einer abartig hohen Qualität und einer bis dato ungehörten Vielschichtigkeit – allein die Masse ist beängstigend.

Der Anfang ist nicht an Epik zu überbieten: Bereits wenn die Orgel ansetzt, ist es vorbei mit der rationalen Argumentationsfähigkeit. Es folgen nahtlos zwei völlig unterschiedliche Themen, die dem Tonfall der Geschichte entsprechen. Das eine ist düster und bedrohlich, das andere zögernd hoffnungsvoll. Es ist zugleich die erste Version von „Terras Theme“, das von vielen als das Kernmusikstück betrachtet wird.

Dem möchte ich widersprechen, denn Final Fantasy VI besitzt kein Hauptthema. Oder anders ausgedrückt: Es gibt mehr als ein Dutzend gleichwertige, nämlich für jeden zentralen Charakter ein eigenes. Das eine ist wehmütig, das andere episch, das dritte lustig, das vierte heldenhaft, das fünfte traurig. Mal ehrlich: Das ist irre. Während moderne Spiele sich damit schwer tun, auch nur eine prägnante Melodie anzubieten, da liefert Uematsu für Final Fantasy VI mehr als das Zehnfache als was heutzutage (!) die Norm ist.

Es geht noch weiter: Die Kampfmusiken steigern sich ebenfalls in Sachen Stärke, Größe und Umsetzung. Spätestens bei „The Fierce Battle“ rast euer Herz zum Anschlag, weil Uematsu euch regelrecht überrennt und obendrauf mit einem ungewöhnlichen, gewaltigen wie Angst einflößenden Leadinstrument eure Emotionen Party feiern lässt.

Das ist noch nicht genug? Die Oper. Meine Güte, diese Oper! Ich habe sie bereits gestern in meinem Spielbericht lobend erwähnt – und natürlich ist sie dank Uematsus fantastischem Score derart genial, wofür er sogar gesampelte Chorstimmen integriert. In vier Akten hetzt der Mann euch mit seiner Musik durch alle Emotionen, die ein Film, ein Spiel oder eben eine Oper bieten kann. Dramatisch, leidenschaftlich, tragisch, komisch.

Aber all das ist (entschuldigt bitte) ein Dreck gegenüber „Dancing Mad“. Für den unvergleichlichen Endkampf gegen Bösewicht Kefka schrieb Nobuo Uematsu eine voluminöse Symphonie, die in vier dynamisch ablaufende Akte eingeteilt ist. Der erste ist ein furioser Auftakt, der dank kräftigem Orgeleinsatz für eine prächtige Grundstimmung sorgt. Der zweite ist etwas ruhiger und klingt eine ganze Ecke bösartiger. Der dritte ist eine tiefe Verbeugung vor der Kunst der klassischen Musik. Allein das Orgelsolo schreit geradezu nach einer Liveaufnahme.

Und dann, wenn die ersten drei Teil des Endkampfes vorüber sind und der finale Part gegen eine teufelsähnliche Metamorphose Kefkas ansteht, da springt Nobuo Uematsu zurück zum Anfang. Er spielt exakt die gleichen Töne wie im Intro und macht damit ohne jegliche Missverständnisse klar: Der Kreis schließt sich, jetzt zählt es, es gibt kein zurück mehr. Das Finale ist eine furiose Kombination aus Klassik, Rock und Synthiepop.

Insgesamt ist „Dancing Mad“ das beste, was Nobuo Uematsu je komponiert hat. Das ist mein Ernst: „One-Winged Angel“ hat dagegen keine Chance.

 

 

 

 

 

 

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