Game #5: Ultima IV – Quest of the Avatar

005-Ultima_4_Quest_of_the_AvatarHersteller: Origin
Project Leader: Richard Garriott
Composer: Kenneth W. Arnold
System: Apple II, C64
Jahr: 1985

Jeder, der seit seiner Kindheit Computer- oder Videospiele zockt, verbindet mit dem Beginn seiner Leidenschaft einen ganz bestimmten Titel. Egal ob Super Mario Bros., Final Fantasy oder Counter-Strike: In einem Fall versagt jeder rationaler Erklärungsversuch, weil sich das Spiel als Erstes ganz tief in euer Herz eingebrannt hat. Und in meinem Fall handelt es sich um Ultima IV – Quest of the Avatar.

Das Interessante hierbei ist, dass ich mit unschuldigen acht Jahren, von denen bereits anderthalb eng mit dem heimischen C64 verbunden waren, eigentlich schon einige Spielchen kannte – darunter gar die beiden Vorgänger Ultima II – Minax sowie Ultima III – Exodus. Gerade von letzterem Spiel war ich recht angetan, trotz mangelnder Englischkenntnisse und schlichter Grafik. Doch gerade diese regte meine Fantasie nur umso mehr an.

Meine Vertrautheit zu Ultima III machte es mir jedenfalls leicht , mich instinktiv für Ultima IV zu begeistern. Es war für mich auch das erste Mal, das ich überhaupt die Idee und den Reiz einer Fortsetzung verstand. Als der Schulkamerad meines Bruders erstmals mit dem Spiel ins Haus kam, war ich sofort gefangen: „Ey… das ist wie Exodus. Aber in so viel besser und toller“.

Witzigerweise hat es ein Weilchen gedauert, bis ich die wahre Genialität von Ultima IV – Quest of the Avatar begriff. Zunächst einmal war ich hin und weg, weil das Spiel einerseits so vertraut und andererseits so modern wirkte. Die Grafik ist immer noch in schlichte Kästchen aufgebaut, währen die Figuren mehr Strichmännchen gleichen. Aber die Proportionen machen mehr her, die subtile Farbgebung funktioniert besser und die Dauerdudelmusik im Hintergrund geht rasch in Fleisch und Blut über.

Ultima IV – Quest of the Avatar ist Schuld, weshalb ich lange Zeit in Rollenspielen einen Waldläufer oder Bogenschützen als Charakter wählte. Warum? Weil ich genau den hier mehr oder weniger „aufgedrückt“ bekam. Eigentlich bestimmt ihr die Klasse durch das Beantworten von Fragen, deren beiden möglichen Antworten jeweils eine bestimmte Tugend begünstigen. Am Ende dominiert genau jene, für die ihr euch zuletzt entschieden habt, und definiert automatisch eure Klasse. Warum also „aufgedrückt“? Weil ich damals so gut wie kein Englisch verstand und aufgrund der Textwüsten einfach irgendwas drückte. Am Ende blieb die Tugend der „Geistlichkeit“ – ausgerechnet eine, mit der ich mit zunehmenden Alter immer weniger anfangen konnte. Aber der Kult rund um Ultima IV steckt so tief in mir drin, weshalb es wirklich verdammt lange dauerte, bis ich von meinem geliebten „Ranger“ ablassen konnte.

Im Spiel selbst stolziert ihr über eine für damalige Verhältnisse riesige Welt, besucht acht verschiedene Städte, entdeckte eine Handvoll Dörfer und verkloppt natürlich allerlei böse Kreaturen. Eure Aufgabe besteht darin, alle acht Tugenden zu zelebrieren und zu pflegen, welche da lauten Ehrlichkeit, Mitgefühl, Mut, Gerechtigkeit, Aufopferung, Ehre, Demut und eben Geistlichkeit. Manche davon sind sehr leicht zu meistern: Ihr solltet einer blinden Kräuterfrau stets den Geldbetrag für ihre Waren geben, den sie von euch verlangt, Bettlern in aller Regelmäßigkeit ein paar Münzen spenden und auf keinen Fall aus einem Kampf fliehen.

Andere Tugenden hingegen sind ganz schön kniffelig, wenn man nicht weiß, wie sie funktionieren. So gibt es einen Seher, der euch einerseits über euren Fortschritt informiert und andererseits eben aufgrund eures Glaubens an ihn die Geistlichkeit auf Vordermann bringt.

Am meisten Kopfschmerzen bereitet „Mitgefühl“, an dem viele Spieler scheiterten. Denn dafür müsst ihr menschliche Gegner wie Piraten oder Magier laufen lassen, sobald sie das Weite suchen, anstatt sie auf ihrer Flucht zu erschlagen. Welch Ironie, dass die oftmals im realen Leben eigentlich recht pazifistisch eingestellte Zockergemeinde ausgerechnet in diesem doch so offensichtlichen Aspekt versagten…

Darüber hinaus müsst ihr Mantras erlernen, Runen finden und an Schreinen Rituale durchführen, bevor ihr in den finalen Dungeon hineinsteigen dürft: der berühmt-berüchtigen Abyss. Dort warten ein brillantes Leveldesign, zahlreiche Gemeinheiten und natürlich die dicksten Monster auf euch, weshalb der Dungeon rasch zum Kult reifte.

Ultima IV – Quest of the Avatar war das erste Spiel, das mich träumen ließ: von fremden Welten, tollen Abenteuern und innigen „Freundschaften“, die ich mit den sieben im Spiel zu findenden Kompagnons „führte“. Es beschäftigte mich eine gefühlte Ewigkeit, denn erst sechs Jahre später hatte ich den Willen und das Können, es erstmals komplett durchzuspielen.

Dieses Spiel ist allein dafür verantwortlich, weshalb ich Serienerfinder Richard Garriott nach wie vor als einen der größten Visionäre der Branche bezeichne. Er hat mit erstaunlich wenigen Mitteln eine gigantische Atmosphäre erreicht und vor allem bis heute das einzig mir bekannte Rollenspiel gegeben, dessen glaubwürdige Geschichte ohne fiesen Oberbösewicht oder einer zu rettenden Prinzessin funktioniert.

 

 

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