Game #7: Ori and the Blind Forest

007-Ori_and_the_Blind_ForestHersteller: Moon Studios
Director: Thomas Mahler
Composer: Gareth Coker
System: PC, Xbox One
Jahr: 2015

Ich fühle mich so unendlich alt, wenn es um Spiele geht. Die Überraschungen werden immer weniger, der Sättigungsgrad schmerzt von Jahr zu Jahr mehr und die Arbeit dahinter fühlt sich stetig schwerer an. Die Skepsis wächst, der Zynismus nährt sich von Blockbuster zu Blockbuster. Gerade nach dem für meine Begriffe grässlichen Jahr 2014 war ich erstmals an einem Punkt angelangt, wo ich mir nicht sicher war, ob ich diesen Job wirklich bis an mein Lebensende durchziehen kann.

Es braucht eigentlich nicht viel, um von einer solchen Depression zurück zur Hoffnung zu gelangen. Dieser eine Moment, der einem das Gefühl gibt, das die „Welt“ eigentlich so toll sein kann, dauerte für mich exakt eine Minute.

Als ich Ori and the Blind Forest startete, da wusste ich nicht wirklich, was mich erwartet. Erst als ich auf „Start Game“ drückte und einen der Speicherslots wählte, war es um mich geschehen. Der zunächst noch so friedfertige und harmlose Titelbildschirm verwandelte sich im Bruchteil einer Sekunde regelrecht zu einer Offenbarung.

Der wehende Sturm, die grellen Blitze, der laute Donner, die einsetzende Musik, die sanfte Kamerabewegung, der perfekt getimte Schnitt und ein weißes, leuchtendes Blatt, das mit mir und meinen Gefühlen tanzte: All das vereint sich zu einem Moment der puren Magie – und es ist der Beginn zu einem sagenhaften und in meinen Augen durch und durch perfekten Spielerlebnis, von dem ich nach all der Zeit nicht zu träumen wagte.

Schaut euch doch allein diese Grafik an: Das ist nicht in Worte zu fassen, mit welchen Licht- und Farbspielereien bereits der spielbare Prolog aufwartet. Die Spielfigur Ori wächst euch sofort ans Herz, Gareth Cokers Musik bezaubernd ohne Atempause und die Geschichte feiert Party mit eurer Gefühlswelt.

All das wäre ja eigentlich schon genug gewesen – doch hinter diesem audiovisuellen Mindfuck steckt auch noch ein fabulöses Spiel, das auch diesen Namen verdient. Hier wird nicht einfach nur eine Geschichte erzählt: Euch steht eine große Welt mit zahlreichen Abschnitten, Plattformen und Gegnern bevor. Im allerbesten Metroidvania-Stil entfaltet sich ein im höchsten Maße durchdachtes Leveldesign, das dank einer ganz speziellen Fähigkeit auch noch in einem innovativen Konzept mündet.

Dank diesem könnt ihr jeden Gegner sowie spezielle Objekte als eine Art Sprungschanze nutzen. Dieser eine Kniff beschleunigt das Jump & Run um ein Vielfaches – gleichzeitig friert das Spiel jedes Mal für einen kurzen Augenblick ein, damit all die kommenden Achterbahnfahrten auch fair und spielbar bleiben.

Wieder möchte ich sagen, dass dies locker ausgereicht hätte. Und dann… ja, dann kommt die Fluchtsequenz im Ginsobaum. Spätestens hier versagt für mich jede rationale Erklärung, warum Ori and the Blind Forest nicht übergreifend jeden Spiel-des-Jahres-Preis des Planeten abgeräumt hat. Nichts gegen all die Blockbuster von The Witcher III über Metal Gear Solid 5 bis Fallout 4: Aber allein diese eine Szene, in der die Grafik mit ihren unendlichen Animationen alles bisher dagewesene sprengt, Cokers Musik euch bis zum Anschlag packt und der Parcours an sich eine Herausforderung ohne Vergleiche darstellt, ist so unglaublich fucking viel besser – und im Gegensatz zu den genannten Kandidaten rede ich hier von einem brandneuen Spiel, das sich nicht auf den Namen eines bewährten Franchise stützt.

Abschließend eine Anmerkung zur Platzierung an sich: Ori and the Blind Forest ist in allerletzter Minute in die Liste hineingerutscht und somit neben Alto’s Adventure der einzige Vertreter aus dem Jahrgang 2015. Im Laufe der letzten Monate habe ich einigen Leuten erzählt, dass ich ernsthaft in Erwägung ziehe Ori and the Blind Forest auf Platz 2 (!) zu setzen. Aufgrund der doch recht kurzen Zeit zwischen Releasetermin bis heute habe ich mich dagegen entschieden. Dieser siebte Platz ist als eine Art Puffer zu sehen, mit dem ich mich etwas absichere, falls ich das Spiel dann doch aufgrund der noch recht frischen Euphorie zu hoch einstufe.

Anders ausgedrückt: Es ist sehr wahrscheinlich, dass Ori and the Blind Forest im Laufe der Jahre an anderer Stelle steht. Und rechnet damit, dass es auf- anstatt abwärts geht.

 

 

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