Game #8: Braid

008-BraidHersteller: Number None
A Game by: Jonathan Blow
Music licensed via: Magnatune
Composer: Jami Sieber, Shira Kammen & Cheryl Ann Fulton
System: Xbox 360
Jahr: 2008

Wenn ich Leuten von meinem Beruf erzähle, dann erhalte ich insbesondere vom männlichen Teil der Menschheit oftmals folgende Antwort „Cool, das würde ich auch gern machen – den ganzen Tag zocken!“. Newsflash: Nein, wollt ihr nicht! Denn das Spielen unter Zwang kann richtig ekelhaft sein. Zudem betrachtet ihr euer Hobby unwillkürlich aus anderen Blickwinkeln, wollt ständig alles analysieren und verliert von Jahr zu Jahr mehr die Vorfreude, wenn der nächste 08/15-Mainstream-Blockbsuter auf dem Tisch steht.

Der Vorteil hingegen ist, dass wenn euch mal wieder ein Game aus purer Leidenschaft begeistert, dann richtig. Also richtig, richtig!

Vor dem 6. August 2008 war ich kein großer Freund der sogenannten Independent-Szene – oder besser gesagt von Spielen, die weniger als 10 bis 15 Euro kosten und fast ausschließlich über den digitalen Vertriebsweg erhältlich sind. Nichts konnte mich langfristig fesseln, mit Ausnahme vom im gleichen Jahr erschienen Audiosurf – aber dort ging die Begeisterung Hand in Hand mit meiner Affinität zur Videospielmusik. Deshalb formuliere ich es anders: Ich kannte kein Independent-Spiel, das in Punkto Produktion, Leveldesign und Präsentation mit professionellen Titeln mithalten konnte. Nicht einmal im Ansatz.

Und dann kam Braid, das meine Prioritäten und Vorlieben auf einen Schlag um 180 Grad drehte.

Manchmal hilft es, wenn man nichts weiß. So waren mir bezüglich Braid nur ein paar Screenshots und die ersten, astronomisch hohen Wertungen diverser amerikanischer Online-Magazine bekannt. Fluchs wurde der Titel also für schlappe 10 Euro eingekauft und ausprobiert. Ich steuere also mein Männchen von links nach rechts, gehe durch ein paar Türen und lese aus einer Handvoll Bücher irgendwelche kryptischen Texte. Ich marschiere weiter und sehe mitten in der Spielwelt Teile meines Joypads, die mir beispielsweise erklären, dass ich per A-Knopf springen kann. Kurz darauf krabbelt eine kleine, Igel-ähnliche Kreatur auf mich zu, über die ich hüpfen muss. Doch unglücklicherweise rutsche ich mit dem Daumen ab, weshalb der Sprung misslingt, die Kreatur mich beißt und mein Männchen mit schmerzverzerrten Gesicht gen Bildschirmrand kullert.

Plötzlich friert das Geschehen ein. Alles steht still, die Musik stoppt und mein Männchen schwebt knapp über dem Rand. Es blitzt ein neuer, blauer Knopf auf, in dessen Mitte ein fettes X steht. Absolut nichts ahnend, was es für eine Bedeutung hat, drücke ich die gleich aussehende Taste auf meinem Joypad. Was dann geschah, war besser als jeder Plottwist, den ich je gesehen habe: Das gesamte Spielgeschehen wurde zurückgespult, bis ich die Taste wieder losließ. Somit konnte ich meinen Fauxpas rückgängig machen und gezielt auf den Kopf der Kreatur hüpfen, um sie ins Jenseits zu befördern.

Mit dieser einen Spielmechanik „hatte“ mich Braid – und darauf aufbauend tüftelte Erfinder Jonathan Blow das beste, originellste und abwechslungsreichste Leveldesign, das ich je in meinem Leben gesehen habe. Das ist mein Ernst: Da kann kein Mario und kein Zelda mithalten.

Denn der Gag mit dem Zurückspulen der Zeit ist nicht der einzige, der auf euch wartet. In jeder neuen Welt offenbart Blow eine andere, neue Idee, die das gesamte Spielprinzip umkrempelt. Das Sammeln der Puzzleteile, die ihr wiederum zum Freischalten der finalen Level und dem Abspann benötigt, wird allein deshalb nie langweilig, weil Braid sich nirgends wiederholt. Sprich: Für jedes Puzzle müsst ihr euch etwas anderes einfallen lassen, um es zu ergattern.

Ich habe das Folgende schon ein paar Mal an anderer Stelle geschrieben und wiederhole mich liebend gerne: Braid ist das einzige mir bekannte Spiel, dass ich in dieser Form zu 99% genauso gestaltet hätte. Abseits des Grafikstils der Figuren und dem Umfang (d.h. mir wäre ein doppelt bis dreimal so umfangreiches Braid, das entsprechend mehr Geld kostet, lieber gewesen) würde ich rein gar nichts ändern.

Es ist für mich der ultimative und erlösende Beweis dafür, dass auch in der heutigen Zeit ein einzelner Mann (oder eine Frau) ein derart brillantes und großartiges Spiel auf die Beine stellen kann. Passend dazu bewies Blow just vor knapp drei Monaten mit dem ebenfalls fantastischen The Witness, dass es sich bei Braid um keinen One-Hit-Wonder handelt.

Zu guter Letzt möchte ich neben meinem obligatorischen YouTube-Video auf eines meiner wenigen Let’s Plays hinweisen, die ich erst jüngst abgeschlossen habe. Dort geht es mir vor allem darum, die Genialität des Leveldesigns und all seine Facetten zu dokumentieren. In meinen Augen sollten jedenflalls über Braid Vorlesungen gehalten werden.

 

 

 

Braid