Game #9: Prince of Persia

009-Prince_of_PersiaHersteller: Broderbund
Original game design, programming & graphics by: Jordan Mechner [Apple II]
Directed by: Jordan Mechner [Amiga, PC]
Director: Keisuke Yasaka [Super Nintendo]
Composer: Francis Mechner [Apple II]
Music: Toshiya Yamanaka & Tetsuya Nakano [Super Nintendo]
System: Apple II / Amiga, Atari ST, PC / Super Nintendo
Jahr: 1989 / 1990 / 1992

Eine Beichte: Ich war als Kind besessen von Prozentwertungen – und bin es in gewisser Weise auch heute noch. Zwar ist es in der Tat unprofessionell, dass Videospiele im Gegensatz zu Filmen, Alben oder Büchern in Form einer Punktzahl kategorisiert werden. Doch macht die Einteilung für mich Sinn, wenn man sie als primitive Rangliste betrachtet. Die dämliche Frage, was der Unterschied zwischen 82 und 83 Prozent bedeute, kann ich also mühelos mit einem „Das Spiel mit der höheren Wertung gefällt mir besser“ beantworten.

Als Kind ging meine Euphorie allerdings eindeutig zu weit und nahm fast schon religiöse Auswüchse an. Sprich: Spiele, die von meiner geliebten Happy-Computer/Power-Play-Crew schlechter als 70 bewertet wurden, hatten bei mir automatisch einen schweren Stand. Mein Sturkopf richtete seinen Spaß nach der dämlichen Zahl, anstatt sich ein eigenes Urteil über das Spiel zu machen.

Was hat das jetzt mit Prince of Persia zu tun? Nun – dieses Spiel war für mich eine Art Befreiungsschlag. Die Amiga-Version bekam in der besagten Power Play durchschnittliche 66% – ergo ein Todesurteil aus meiner verbohrten Sicht. Doch als ich es spielte, passierte etwas Seltsames: Ich hatte instinktiv einen Mordsspaß – und erstmals zweifelte ich vehement das Urteil des Redakteurs an. Frei nach dem Motto: Ich wollte das nicht wahrhaben.

Dabei kann ich seine Beurteilung sogar verstehen, auch wenn sie arg harsch ist: Ihr seid ein Abenteurer, der sich in die Tochter des Sultans verliebt. Leider ist dieser außer Landes, weshalb der fiese Wesir Jaffar die Gute ehelichen und somit die Herrschaft an sich reißen will. Ohne mit der Wimper zu zucken lässt er den Abenteurer verhaften und in den Kerker sperren. Dort kann er sich zwar aus seiner Zelle befreien – aber bis er seine Geliebte in die Arme schließen kann, muss er unzählige Räume, Fallen und Schwertkämpfer überstehen. Obendrein sitzt ihm ein Zeitlimit im Nacken: Innerhalb einer Stunde wird der Wesir die Tochter töten, sofern sie nicht in die Heirat einwilligt…

Auf den ersten Blick sieht Prince of Persia sehr antik und altbacken aus: Ein Großteil der Levels spielt in einem dunkelgrauen Kerker, wo eine Wand der anderen gleicht. Mangels Scrolling springt das Spiel von Bild zu Bild, die Gegner scheinen allesamt verwandt zu sein und überall stoßt ihr auf die gleichen Fallen sowie Abgründe. Zudem ist eure Lebensenergie knapp, weshalb ihr im Kampf nur wenig Treffer einsteckt, und bei einem Sprung in die Tiefe meist sofort den Löffel abgebt. Danach müsst ihr den gesamten Level von vorne beginnen.

Prince of Persia ist demnach schwer – oder besser gesagt: eine Herausforderung. Die wird wiederum durch die hervorragende Steuerung und die wegweisenden Animationen getragen. Denn euer Held schleicht, läuft, rennt, springt und kämpft butterweich durch die Gänge. In der Tat gilt das Spiel als ein Vorläufer des heute sehr beliebten Motion-Capturing: Erfinder Jordan Mechner nutzte die alte Technik der Rotoskopie und kopierte die Bewegungsabläufe seines Bruders in eine per handgezeichnete Computergrafik.

Der Effekt ist gewaltig und resultiert in einer für die damalige Zeit unvergleichliche Atmosphäre. Im dritten Level betätigt ihr beispielsweise eine Druckplatte, aufgrund derer sich für ein paar Sekunden ein weit entfernt stehendes Tor öffnet. Ihr müsst daraufhin im Eiltempo mehrere Räume durchqueren, über zahlreiche Abgründe springen sowie im letzten Moment hindurchschlüpfen, bevor sich das Tor wieder schließt. Etwas spannenderes hatte ich zu dem Zeitpunkt noch nie in einem Computerspiel erlebt.

Des Weiteren ist Prince of Persia nur oberflächlich betrachtet arm an Abwechslung: Die Geschichte wird an bestimmten Schlüsselmomenten weitererzählt und birgt in dem Zusammenhang einige Besonderheiten. Besonders interessant ist der Spiegel, durch den ihr springt und aufgrund dessen eine Kopie von euch entsteht. Diese führt ein Eigenleben, schnappt euch gerne mal einen Heiltrank vor der Nase weg und muss natürlich am Ende auch bekämpft werden. Blöd nur, wenn jeder verteilte Schlag auch euch verletzt…

Prince of Persia gehört zu den seltenen Titeln der 1980/90er Jahre, die für fast alle damals existierenden Computersysteme und Konsolen umgesetzt wurden. Die Super-Nintendo-Version, die drei Jahre nach dem Original erschien, ist mit gebührendem Abstand die beste von allen: Unter der Feder eines japanischen Entwicklers wurde sowohl der Umfang als auch das Zeitlimit verdoppelt. Zudem ist die Grafik viel detaillierter sowie abwechslungsreicher, während der komplett neue Soundtrack zwischen ganz nett und absolut grandios schwankt.

 

 

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