OST #10: Assassin’s Creed II

010-Assassin's_Creed_2Composer: Jesper Kyd
System: PlayStation 3 / Xbox 360 / PC
Year: 2009

Jesper Kyd ist einer, mit dem man immer rechnen muss. Selbst seine „kleinen“ Soundtracks, für die er hörbar weniger Zeit und Energie als gewohnt investiert hat, sind in der Regel richtig gut. Des Weiteren konnte man über fünfzehn Jahre lang, angefangen mit den Mega-Drive-Insidertipps Red Zone oder The Adventures of Batman & Robin und bis zum Hitman-Quartett, eine unbestreitbare Steigerung seiner Werke beobachten. Man spürte regelrecht: Der Junge wollte immer mehr und blieb niemals stehen. Er war nur eine Frage der Zeit, bis er DEN Soundtrack meistert, an dem er für immer und ewig gemessen wird.

Wie gesagt: fünfzehn Jahre – es hat wirklich verdammt lange gedauert. Doch am 17. November 2009 war es endlich so weit – der Tag, an dem Assassin’s Creed II das Licht der Welt erblickte.

In gewisser Weise kam der Erfolg für mich überraschend – denn wenn Kyd bei einem seiner Werke leicht schwächelte, dann ausgerechnet beim direkten Vorgänger. Der wirkte etwas zu bieder, etwas zu still, etwas zu harmlos. Ich kann mich nicht an einziges Musikstück erinnern – obwohl ich das Spiel komplett durchgespielt und den Soundtrack auch abseits davon gehört habe.

Um ehrlich zu sein gab es auch in Assassin’s Creed II Momente, in denen ich dachte: „Na… das ist es nicht. Zu ruhig, zu dezent, zu unauffällig.“ – weshalb ich den Soundtrack auch zum damaligen Zeitpunkt noch nicht ganz so hoch einschätzte wie heute. Jedoch machte ich den Fehler und verwechselte Qualität mit Quantität. Ein Spiel muss nicht zwingend in jeder Minute oder gar Spielstunde von einer grandiosen Musik begleitet werden, damit man den Soundtrack als Ausnahmewerk bezeichnen kann. Es kommt nur darauf an, dass genügend Schlüsselmomente dafür sorgen, euch auf immer und ewig zu verfolgen. Und davon gibt es hier mehr als genug.

Das offizielle Album startet mit drei Musikstücken, von denen sich zwei sehr ähnlich sind: „Earth“ und „Ezio’s Family“. Beide bedienen sich im Kern der selben Melodie, nur das ersteres temporeich und mit sehr viel Electronic-Elementen versehen ist, während letzteres deutlich behutsamer, klassischer und beschaulicher klingt. Beide Stücke beschreiben wunderbar, was Jesper Kyd hier vollbracht hat: Den perfekten Mix zweier völlig unterschiedlicher Welten. Die eine ist dem modernen Synthesizer verfallen und hat ihren Ursprung in Kyds Frühwerken. Die andere vertraut primär ganz normalen Instrumenten, egal ob Klavier, Streicher oder E-Gitarre.

Er orientiert sich somit an seinem eigenen Hitman:-Blood-Money-Soundtrack, nur dass er den Weg viel weiter und konsequenter geht. Assassin’s Creed II hört sich phasenweise wie ein typisches Videospiel an und stellenweise wie ein typischer Kostümfilm, der euch mitten in das 15. Jahrhundert versetzt. Quasi eine Mischung aus Jean-Michel und Maurice Jarré – oder noch krasser ausgedrückt Daft Punk und Rachel Portman. Dabei nimmt sich Kyd letztlich einfach die Elemente, die er gerade braucht, und zimmert ein brillantes Musikstück nach dem anderen. Teilweise verändert er gar den Stil innerhalb eines, was das simple, aber ebenfalls faszinierende „Home in Florence“ beweist.

Der wahre Grund für die verdammt hohe Platzierung und den absolut verdienten Titel „Soundtrack of the Year 2009“ ist allerdings die kompositorische Leistung dreier ganz bestimmter Themen. Das erste ist „Leonardo Inventions“, bei dem mir vor allem der Klavierpart gefällt – der hat etwas spannendes, etwas mysteriöses und etwas anspornendes. In einer Variation wird das Instrument durch eine Akustikgitarre ersetzt, während Kyd im Hintergrund noch mehr Schnörkeleien betreibt. Er experimentiert regelrecht mit seiner eigenen Musik.

Das zweite hat mich beim Anhören des offiziellen Albums regelrecht aus den Socken gehauen: „Flight Over Venice“ lebt von einer fantastischen Akustikgitarre, die einen schmissigen Rhythmus vorlegt, von zahlreichen klassischen Elementen begleitet wird und dank der Gesangskünste von Melissa Kaplan alle rationalen Kriterien sprengt. Leider kommt das Stück im Spiel selbst etwas zu kurz, weil es nur in wenigen Szenen einsetzt und dort auch viel zu früh abgebrochen wird, sofern man nicht bewusst trödelt.

Zum Glück ist dies nicht bei „Venice Rooftops“ der Fall, mit dem Jesper Kyd all das, was ich eben gerade in den höchsten Tönen gelobt habe, in dreieinhalb Minuten vereint. Es ist eines dieser Musikstücke, die nicht nur exemplarisch für ein Spiel oder einen Komponisten stehen, sondern für die gesamte Branche. Es ist so selten, dass ich Menschen für Videospielmusik begeistern kann, die nichts mit dem Titel oder gar dem gesamten Medium am Hut haben. Mit „Venice Rooftops“ hab ich genau das geschafft – mehrmals.

 

 

 

 

Assassin's_Creed_2