Game #19: Ultima Underworld

019-Ultima_UnderworldHersteller: Blue Sky Productions
Design: Paul Neurath
Composer: David Govett & George Alistair Sanger
System: PC
Jahr: 1992

Anmerkung: In den Credits wird Richard Garriot offiziell als „Director“ bezeichnet. Allerdings ist es kein Geheimnis, dass der Erfinder der Ultima-Serie nur eine überwachende Position besaß und speziell gegen Ende kaum in die Entwicklung eingegriffen hat. Der „wahre“ Regisseur beziehungsweise Leiter von Ultima Underworld ist nach Meinung aller Beteiligten Paul Neurath.

Kurz vor Ende der Top 365 muss ich noch einmal etwas bekräftigen, was ich seit einigen Monaten nicht weiter erwähnt habe: Diese Liste ist rein subjektiv. Sie soll in keiner Weise meine objektive Einschätzung als professioneller Spielekritiker widerspiegeln, sondern rein meinen persönlichen Geschmack dokumentieren.

Würde ich eine objektive Top 365 erstellen, dann wären nicht nur zahlreiche Kulthits wie Legend of Zelda: Ocarina of Time, Deus Ex oder World of Warcraft sicher mit dabei – es gäbe auch eine wohl für viele höchst überraschende Nummer Eins. Und die heißt Ultima Underworld!

Um weitere Missverständnisse zu vermeiden: Ich behaupte nicht, dass Ultima Underworld das derzeit beste Spiele sei – dazu ist es an vielen Stellen von der Technik überholt. Doch in meinen Augen ist Blue Sky Productions perfektionistisches Meisterwerk das Citizen Kane der Video- und Computerspiele. Genau wie Orson Welles Filmklassiker ist Ultima Underworld ein seltenes Unikat, das sowohl in technischer als auch künstlerischer Hinsicht unzählige neue Wege bestreitet.

Um meine Euphorie nachvollziehen zu können, müsst ihr euch etwas vorstellen: Wir schreiben das Jahr 1992. Der Konsolenmarkt ist fest in den Händen des Super Nintendos und des Mega Drives, die Kinder spielen unterwegs mit einem alten Schwarzgrün-Game-Boy und der Heimcomputerära vom alten Atari bis zum bunten Amiga droht das Ende. Stattdessen etabliert sich immer mehr der PC als ultimative Spieleoption, dank stetig besser werdender Grafik- und Soundkarten.

Vor Ultima Underworld waren 3D-Spiele arg limitiert. Entweder bestand die Umgebung aus einfarbigen Flächen oder der Spieler konnte sich nur in 90-Grad-Schritten drehen. Einzig die Wing-Commander-Serie stach mit ihrer bunten wie flüssig zoombaren Weltraumumgebung hervor. Doch erst Ultima Underworld ermöglichte eine ähnliche Bewegungsfreiheit innerhalb einer anständig detaillierten Spielwelt.

Ihr befindet euch in einem Dungeon, dessen acht Stockwerke selbst für heutige Maßstäbe ordentlich umfangreich und vor allem herrlich komplex gestaltet sind. Es macht bereits einen Riesenspaß, die Umgebungskarte durch das Erforschen jedes Raumes, jedes Weges und jeder Nische zu vervollständigen. Dabei bietet Ultima Underworld eine Architektur aus schrägen Wänden und Böden, die in der Form in den ein bis zwei Jahre darauffolgenden Ego-Shootern technisch nicht kopierbar gewesen wäre.

Es wird noch besser: Wenn ihr einen Stein auf eine schräge Fläche ablegt, dann kullert er diese hinab. Möchte wer einen weiten Abgrund überspringen, dann muss er dafür genügend Anlauf nehmen. Seid ihr mal in einer Zelle gefangen, deren Öffnungsmechanismus für eure Arme unerreichbar ist, dann nehmt einfach ein Stöckchen zur Hilfe.

Die für die damalige Zeit revolutionär real gestaltete Welt ist demnach kein reines Gimmick sondern ermöglicht eine völlige neue Form des Spieldesigns. Anstatt sich zu fragen, ob die Kämpfe in Ultima Underworld rundenbasierend oder in Echtzeit ablaufen sollten, funktionieren sie einfach so wie in einem Actionspiel. Und wenn ihr einem potenziellen Gesprächspartner begegnet, dann befragt ihr ihn wie in einem klassischen Adventure.

Dank der revolutionären Technik wird Ultima Underworld zu einem Sammelsurium der unterschiedlichsten Spielelemente und zum ultimativen Genre-Mix. Das einzige, was selbst anno 1992 nicht zufrieden stellt, ist die etwas umständliche Benutzerführung: Zu oft müsst ihr auf irgendwelche Knöpfchen oder Tasten drücken, um zwischen laufen, kämpfen oder Objekte einsammeln zu wechseln. Ansonsten motzen noch manche über die unspektakuläre Geschichte, die aber in meinen Augen auch keine ernsthaften Schwächen zeigt. Sie erledigt ihren Job als Rahmenhandlung und lässt somit dem fantastischen Spielkonzept den Vorzug.

Auch aus heutiger Sicht betrachte ich Ultima Underworld als ein lohnenswertes Spiel, sofern ihr mit den vergleichsweise langsamen Kämpfen zurecht kommt. Es ist in jedem Fall eine der besten Geschichtsstunden, die ihr euch bezüglich der Entwicklung von Computer- und Videospielen geben könnt, und gebührt allein deshalb auf ewig ein Ehrenplatz neben anderen Granden wie Super Mario Bros., The Legend of Zelda oder Elite.

 

 

Ultima_Underworld