Game #66: Conker’s Bad Fur Day

066-Conkers_Bad_Fur_DayHersteller: Rare
Project Leader: Chris Seavor
Composer: Robin Beanland
System: Nintendo 64
Jahr: 2001

Conker’s Bad Fur Day – oder Rares letztes wirklich großartige Spiel: Mit diesem Titel verabschiedeten sich die Engländer vom Nintendo 64 und beendeten eine glorreiche Ära, die unzählige Höchstwertungen und Preise einbrachte. Gleichzeitig war die Kritik im Vorfeld groß, als man die ersten Bilder zeigte: Schon wieder ein Knuddel-Jump’n’Run mit einem niedlichen Eichhörnchen als Hauptcharakter und quietschbunter Grafik? Na, so langsam war mal genug… und in der Tat sollte Rare eine ganz andere, völlig unerwartete Richtung einschlagen.

Conker ist kein süßes Kuscheltier sondern ein typischer Feierabendsäufer. Bei seinem letzten Barbesuch übertreibt es der Kleine ein wenig, weshalb er aus dem Gebäude wankend erst einmal in die Ecke kotzt. Danach steht ihm noch der beschwerliche Weg nach Hause bevor – hoffentlich ohne Zwischenfälle.

Nun denn, natürlich ist es nicht ganz so einfach: Volltrunken verläuft sich Conker völlig planlos und wacht am nächsten Tag mitten in der Pampa auf. Immer noch unter heftigen Kopfschmerzen leidend, lernt er die Funktion der kontextsensitiven Aktionen kennen: Sobald Conker auf einem großen Knopf mit dem Buchstaben B steht und der Spieler genau diesen drückt, dann packt er wie aus Zauberhand genau den Gegenstand hervor, den er gerade benötigt – wie eben eine Aspirin!

Genauso „Random“ verläuft das gesante Spiel: Wo ihr im Anfang noch in der Tat über saftige grüne Wiesen latscht, da besucht ihr später das düstere Schloss von Graf Dracula… äh… Batula, landet in der Steinzeit und müsst gegen Ende sogar in einen Krieg gegen die fiesen Teddys ziehen. Ähnlich bescheuert sind die Motive des Antagonisten, dem großen, grauen Panther, dessen Tisch beim Abstellen eines Milchglas kaputt geht. Sein bester Wissenschaftler, ein linkes Wiesel mit einem fiesen deutschen Akzent, rät zur Lösung die Gefangennahme eines Eichhörnchens, dessen Größe ideal als Ersatz für das kaputte Tischbein sei.

Conker’s Bad Fur Day lebt von drei Dingen: Präsentation, Story und Humor. Erstere sprengt die Grenzen des Nintendo 64 und ist insbesondere soundtechnisch das beste, was je aus der alten Kiste herausgekitzelt wurde. Die Story wiederum nimmt alle halbe Stunde irgendeinen Filmklassiker aufs Korn, sei es Terminator, Matrix oder Der Soldat James Ryan. Erneut ist die Inszenierung vor allem grafisch eine Wucht und schnitttechnisch teilweise beängstigend nahe am Original.

Der wahre Star ist aber natürlich der abstruse bis abartige Humor, der voller Zynismus und Bösartigkeit trifft. Slapstick wird groß geschrieben und stets mit einer gehörigen Portion Blut oder Fäkalien versehen. Ich möchte dabei betonen,dass ich auf diese Art von Humor eigentlich sehr allergisch reagiere. Aber Rare übertreibt es derart maßlos und sorgt mit dem ursprünglichen Kuschelambiente der Figuren für einen derart grandiosen Kontrast, weshalb der Trick funktioniert.

Anders ausgedrückt: Rein auf dem Papier kam mir die Idee eines großen Scheißhaufen als Bossgegner mehr als suspekt vor. Doch spätestens wenn der Kerl die erste Strophe anstimmt und in perfektem Sopran singt, wie er euch mit Scheiße bewirft und euch in seinen Hintern schieben wird, liegt ihr unweigerlich vor Lachen in der Ecke.

Damit das klar ist: Für Kinder oder zartbesaitete Naturen ist Conker’s Bad Fur Day nach wie vor kein guter Kauf. Das Spiel richtet sich definitiv an Erwachsene, die den Trend zuckersüßer Jump’n’Run-Figuren leid haben und mal so richtig schön die Sau rauslassen wollen. Für die ist das Stil- und Story-gewichtige Epos hingegen ein Segen und meines Erachtens auch objektiv eines von Rares allerbesten Werken. Vielleicht sogar das beste abseits eines James-Bond-Shooters…

 

 

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