Game #70: System Shock

070-System_ShockHersteller: Looking Glass
Project Leader: Doug Church
Composer: Greg LoPiccolo & Tim Ries
System: PC
Jahr: 1994

Wenn man der Story von System Shock etwas vorwerfen kann, dann dass der Protagonist der cleverste und zugleich naivste Hacker der Zukunft sein muss. Er schleust sich heimlich in die Rechner eines Großkonzernes und wird dabei geschnappt. Vizepräsident Edward Diego macht ihm ein Angebot: Statt in den Knast zu wandern soll er die K.I. der Station Citadel hacken, damit Diego unbemerkt die Pläne eines mutagenen Virus stehlen kann. Obendrauf gebe es zur Belohnung ein hochwertiges Implantat, für das der Hacker sechs Monate im Kälteschlaf ausharren muss.

Doch als er aus diesem erwacht, gleicht die Station einem Horrorszenario: Die K.I. mit dem Namen SHODAN hat sämtliche ethische Richtlinien verworfen und im Größenwahn praktisch die gesamte Besatzung eliminiert. Wer noch lebt, der wandelt nur noch in mutierter Form herum.

Eure Aufgabe ist „simpel“: SHODAN bei allem stoppen, was der K.I. in den Sinn kommt. Dafür müsst ihr euch durch die komplette Station kämpfen, reihenweise Überwachungskameras ausknipsen und euer frisches Implantat fleißig mit neuen Fähigkeiten erweitern. Was auf den ersten Blick wie ein schnöder Ego-Shooter ausschaut, mausert sich rasch zu einem komplexen Action-Adventure-Rollenspiel-Mix, der viel Wert auf Erzählung und Spieltiefe legt.

Weil ihr in System Shock durch eine nahezu menschenleere Umgebung stolziert, sind Gesprächspersonen rar und nur in Form von Funkverbindungen möglich. Dafür findet ihr zahlreiche Audio-Logs, die ihr euch jederzeit anhören könnt und ohne dabei den Spielfluss zu stoppen – eine Idee, die in der Tat mit diesem Spiel ihren Einstand feierte.

Des Weiteren gehörte System Shock zu den ersten Titeln, deren Unterschiede von der Disketten- zur CD-Version ungemein wichtig sind. Neben einer optional höheren Auflösung (die zugegebenermaßen von keinem damals existierenden Rechner in gescheiter Geschwindigkeit spielbar war) ist es vor allem das deutlich erweiterte Soundspektrum und die brillante englische Sprachausgabe, die der Atmosphäre einen essentiell wichtigen Schub verleiht.

System Shock ist in vielen Punkten, wie Story, Leveldesign und Präsentation, derart gut, dass es sich selbst ein paar richtig derbe Schnitzer erlauben kann. So sehen die Gegner arg entstellt und selbst für damalige Verhältnisse mehr nach Grafikfehler aus. Die Hardware fressende Engine lebt immerhin von der komplexen Architektur, die im Gegensatz zur Konkurrenz von Doom bis Shadowcaster beliebig viele Ebenen und Schrägen ermöglichte. Dafür wird die Spieltiefe mit einer sehr komplizierten Steuerung erkauft.

Umso mehr bin ich immer wieder erstaunt, wie wenig diese Fehler dem Ansehen von System Shock geschadet haben. Im Gegenteil: Es gehört unumstritten zu den besten Titeln des Jahres 1994 und wird von vielen als einer der glorreichsten PC-Titel seiner Zeit bezeichnet. In der Tat gehört es zu den Frühwerken, die beweisen, dass spielerischer Anspruch und eine professionell geschriebene Geschichte im Einklang funktionieren können.

 

 

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