Game #76: System Shock 2

076-System_Shock_2Hersteller: Irrational Games
Lead Design: Ken Levine
Composer: Eric Brosius, Ramin Djawadi & Josh Randall
System: PC
Jahr: 1999

System Shock 2 ist eine Anomalie. Fortsetzungen, die von einem neu gegründeten Entwicklerteam stammen, sind in der Regel nicht besonders gut. Sie sind wahlweise uninspirierte Sequels, die kaum Wagnisse eingehen, oder schlecht spielbare Enttäuschungen, weil die Programmierer mit den Errungenschaften des Vorgängers überfordert waren. Doch System Shock 2 hatte das seltene Glück, von einem der künftigen Superstars der Entwicklerszene übernommen zu werden.

Irrational Games hat im Prinzip alles richtig gemacht: Erneut steuert ihr euren Protagonisten durch eine große Raumstation, deren Besatzung von einer mysteriösen, wurmartigen Alienrasse befallen ist. Demnach begegnet ihr praktisch keinen Menschen und dafür zahlreichen blutrünstige Mutationen. Sie haben die Station übernommen und zudem die an Bord herrschende K.I. XERXES gehackt, die nun ähnlich zerstörerisch agiert wie Shodan in System Shock 1. Zum Glück seid ihr als frisch ausgebildeter Soldat der perfekte Mann für einen solchen Katastropheneinsatz, nicht zuletzt weil ihr dank künstlicher Implantate gesonderte Fähigkeiten besitzt.

Auf den ersten Blick schaut System Shock 2 wie ein gewöhnlicher Ego-Shooter aus, eingesperrt in einem schwachen Präsentationskleid. Die Station wirkt sehr karg, die Gegner schlicht und ergreifend hässlich. Doch dafür ist die Atmosphäre dank der grandiosen Soundkulisse umso genialer, speziell weil ihr ganz alleine durch die Gänge schleicht. Es stellt sich rasch ein subtiler Horror ein, der sich deutlich von irgendwelchen doofen Jump Scares distanziert und dafür eure Einsamkeit betont.

System Shock 2 baut spielerisch konsequent auf seinem intelligenten Vorgänger auf und profitiert von einem der besten Action-Rollenspiel-Konstrukte, das wiederum völlig unterschiedliche Spielweisen ermöglicht. Ihr könnt euch zu einem fetten, schießwütigen Rambo entwickeln, euch als gewiefter Hacker durch die Räume schleichen oder in Form des Psionikers aus einem Topf voller übermenschlicher Fähigkeiten schöpfen. Im Prinzip stecken dahinter die Äquivalente eines Kämpfers, eines Diebes und eines Magiers, nur dass das Leveldesign in der Tat sehr unterschiedliche Herangehensweisen der Probleme ermöglicht. Euch erinnert das alles an Deus Ex? Tatsächlich erschien System Shock 2 ein Jahr früher und gilt als Vorbild für Warren Spectors Meisterstück.

Eines der größten Mankos des Vorgängers, die sehr komplizierte Steuerung, wurde hier auf ein übersichtliches Maß zurechtgestutzt. Die ist zwar aus heutiger Sicht zwar auch nicht mehr das gelbe vom Ei, glich aber anno 1999 das komplexe Konzept in Betracht gezogen einer kleinen Revolution. Vor allem der dramatische Rückgang der unzähligen Mini-Icons gestaltet System Shock 2 deutlich freundlicher für Einsteiger.

Letztlich ist es erneut die Story, die System Shock 2 zu etwas ganz besonderem macht und zusammen mit dem hervorragenden Design der Station prächtig funktioniert. Ohne zu viel zu verraten müsst ihr mit einigen sehr gut geschriebenen Twists und einem der gemeinsten Cliffhanger der Spielgeschichte rechnen. Zum Glück hat jüngst Otherside Entertainment, das vom ehemaligen Looking-Glass-Mastermind Paul Neurath gegründet wurde, die Rechte für System Shock 3 erworben, weshalb eine Auflösung nach all der Zeit greifbar erscheint.

 

 

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