Game #80: Descent

080-DescentHersteller: Parallax Software
Original Concept: Michael Kulas & Matthew Toschlog
Composer: Ken Allen, Brian Luzietti, Larry Peacock, Leslie Spitzer, Jim Torres & Tim Wiles
System: PC
Jahr: 1995

Anfang 1995 war der Ego-Shooter-Hype bereits unaufhaltsam. Doom bekam innerhalb kürzester Zeit den Stempel eines All-Time-Classic aufgedrückt, die Gier nach dem schnellen Dollar ermöglichte solch schaurig schlechte Spiele wie Depth Dwellers und mit dem alsbald folgenden Dark Forces sprangen selbst beliebte Franchises wie Star Wars auf den Zug. Gleichzeitig bemängelten Kritiker wie Vielspieler die mangelnde Tiefe und den immer gleichen Ablauf aller Ballereien. Zwar sah Doom auf den ersten Blick wie ein „simples“ Actionspiel aus, das man leicht imitieren könnte – doch diese Leute haben bis heute nicht verstanden, was man unter einem guten Leveldesign versteht.

Parallax Software versuchte in all dem Trendwahn etwas anderes – etwas völlig anderes. Zuerst einmal ist Descent kein waschechter Ego-Shooter, in dem ihr mit eurem Charakter durch die Gegend marschiert und reihenweise böse Schurken abknallt. Ihr hockt vielmehr in einem kleinen Raumschiff, mit dem ihr durch enge Minenschächte fliegt. Die werden von durchgeknallten Robotern bevölkert, die aufgrund eines Virus alles angreifen, was ihnen vor die Flinte kommt. Eure Aufgabe besteht in der Zerstörung der Schächte und der Rettung der wenigen Menschen, die den Übergriff der Roboter bislang überlebt haben.

Stellt sich nur die Frage: Wie zerstört man einen Minenschacht? Einfache Antwort: Jeder wird von einem Reaktor betrieben, dessen Kern bei einer Explosion eine Kettenreaktion auslöst und den gesamten Schacht vernichtet. Ergo müsst ihr euch zum Kern begeben, ihn kaputt schießen und… flüchten! Und zwar schnell flüchten, denn es bleiben euch nur noch wenige Sekunden Zeit, bis der Ort vollständig kollabiert. Aus dem Grund solltet ihr euch vorher darum kümmern, wo sich der Notausgang befindet und eine Route austüfteln, wie ihr am schnellsten dorthin gelangt…

Obwohl Descent rein eure Aufgaben und Ziele betrachtet einem Ego-Shooter sehr nahe kommt, orientiert es steuerungstechnisch eher an ein Weltraumspiel á la Wing Commander. Schließlich könnt ihr euch frei um jede Achse drehen, sanft durch die Gegend gleiten und die Schächte theoretisch auf dem Kopf fliegend inspizieren – was zu dezenten Schwindelgefühlen führt.

Überhaupt ist „Gefühl“ das passende Stichwort, das Descent zu etwas Besonderem macht: Nirgends sonst fühlt ihr euch so frei in euren Bewegungen und in euren Möglichkeiten, die verdammt clever agierenden Roboter zu bekämpfen. Ihr benötigt einen sattelfesten Orientierungssinn, um euch entweder die Umgebung zu merken oder mit der komplexen Übersichtskarte zurecht zu kommen. Letztere wurde von dem einen oder anderen Kritiker als Schwachstelle herauskristallisiert – ohne jedoch eine gescheite Lösungsalternative vorzuschlagen.

Während die Grafik nicht an Doom heranreicht und auch gegenüber dem tollen Setting des kurz darauf erschienen Dark Forces zurücksteckt, ist Descent eine der technisch beeindruckendsten Leistungen seiner Zeit. Schließlich sind die dreidimensionalen Schächte und Räume ein ganz eigenes Biest gegenüber einer „schnöden“ Landschaft aus der starr Gebäude emporragen. Ich bin jedenfalls sehr gespannt, inwiefern sich das derzeit noch unter Early Access stehende Reboot Descent: Underground entwickelt. Abseits der beiden Nachfolger und einer mies programmierten Hommage namens Gunship Apocalypse kenne ich jedenfalls nichts vergleichbares.

Eine kleine Anmerkung zum Erscheinungsjahr: Viele Quellen geben das Jahr 1994 anstatt 1995 an, was jedoch etwas irreführend ist. In der Tat konnte man bereits im Dezember 1994 Descent spielen, jedoch nur in einer unfertigen Shareware-Version, die gerade mal sieben der insgesamt 30 Levels beinhaltete. Die Vollversion war erst im anschließenden März fertig.

 

 

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