Game #198: FEZ

198-FezHersteller: Polytron Corporation
Designed and Created by: Philippe Poisson (Phil Fish)
Composer: Rich Vreeland
System: Xbox 360
Jahr: 2012

Vor vielen Jahren gab es mal einen Wettbewerb in irgendeiner deutschen Videospielzeitschrift, der die Leser zum Einsenden von neuen Spielideen aufforderte. Die Besten wurde sowohl von den Redakteuren der Zeitschrift als auch von Branchenvertretern der Industrie gewählt. Während der Gewinner irgend ein 08/15-Open-World-Sport-Sammel-Geschicklichkeitsspiel-Mix sein sollte, an das ich mich zurecht kaum noch erinnere, teilten sich gleich drei Einsendungen den zweiten Platz. Sie hatten nämlich jeweils den gleichen, eigentlich genialen Gedanken: Wie wäre es mit einem Spiel, das ganz simpel und super retro anfängt und sich mit zunehmenden Fortschritt technisch zu einem modernen Game entwickelt?

Interessanterweise waren es die Branchenvertreter, die dieser Idee mit Skepsis gegenüberstanden und den eigentlich verdienten Sieg verhinderten. Es wäre in ihren Augen keine gute Idee, den Käufer zu Beginn mit einer schlichten, weil wenig zeitgemäßen Grafik zu „ködern“. Der Witz daran: Inzwischen gibt es in der Tat solche Spiele wie Evoland, die den Gedanken mehr oder weniger erfolgreich umsetzten. Doch die berühmteste und beste Realisierung stammt aus einer Ecke, hinter der man sie gar nicht vermuten würde.

FEZ beginnt simpel: Ihr steuert den kleinen Gomez, der in einem beschaulichen, friedlichen Dorf lebt. Der alte, weiße Geezer bittet ihn um ein Treffen, weshalb ihr eine Plattform nach der anderen empor steigt. Ganz oben angelangt trefft ihr nicht nur auf Geezer: Urplötzlich erscheint ein dreidimensionaler Kubus, von dem Gomez einen feschen Fez und eine sonderbare Gabe erhält.

Was danach passiert, dürfte kein Triple-A-Hersteller jemals genehmigen lassen: Das Spiel tut so, als ob es abstürzt. Ein virtueller Rechner bootet neu hoch, die Logos der Hersteller werden eingeblendet und am Ende grinst euch der Startbildschirm an. Sobald ihr FEZ „erneut“ beginnt, scheint alles wie just nach dem ersten Start zu sein. Jedoch könnt ihr nun per Schultertaste eure 2D-Umgebung in 90 Gradschritten drehen. So entdeckt ihr bereits im Dorf einen geheimen Durchgang auf der Hinterseite, der in einer rein zweidimensionalen Welt nie zum Vorschein gekommen wäre. Und dahinter liegt euch eine riesige Spielwiese zur Verfügung, die den Entdecker in euch weckt.

Es gibt verschiedene Enden und Aufgaben in FEZ. Zunächst seid ihr damit beschäftigt, goldene Würfel zu sammeln und zu Schlüsseln zusammenzusetzen. Allein damit könnt ihr Stück für Stück den Großteil der Spielwelt entdecken und ein weiteres Ende freispielen. Doch danach ist immer noch nicht Schluss: Wieder resettet das Spiel, wieder sollt ihr von vorne anfangen und wieder steht euch eine neue Fähigkeit zur Verfügung, dank der ihr die Welt aus der Ego-Sicht betrachten könnt.

Kryptische Symbole, fremde Schriftzeichen, mysteriöse Codes: In FEZ stecken unzählige Details, die teilweise derart gut versteckt sind, weshalb Director Phil Fish mutmaßte, dass so manches Geheimnis niemals gelöst werden könne. Wie bereits in meinem Soundtrack-Eintrag geschrieben, geht der Wahnsinn sogar soweit, dass diverse Hinweise in den Musikdateien (!) des MP3-Albums enthalten sind, die ihr nur mit speziellen Soundprogrammen sehen könnt.

Ich selbst habe bei Weitem nicht alle Geheimnisse gesehen, aber das brauchte ich auch nicht. Meine Motivation wurde mehr als ausreichend dank der tollen Retrografik, der charmanten Musik und der wundervollen Spielweltarchitektur gedeckt. Man merkt an allen Ecken und Kanten, dass hier ein kreatives Genie am Werk war – das leider aufgrund von anschließenden Anfeindungen seitens Kritikern wie Spielern das Handtuch warf und statt des geplanten Nachfolgers sich auf ewig aus der Industrie zurück zog. Schade – ich hätte gerne mehr FEZ gehabt.

 

 

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