Game #225: Defender of the Crown

225-Defender_of_the_CrownHersteller: Cinemaware
Director: Kellyn Beck
Art Director: James D. Sachs
Composer: Jim Cuomo
System: Amiga
Jahr: 1986

Ich bin ein Kind der alten Happy-Computer und Power-Play-Generation. Viele der dort gepriesenen Spiele haben sich auch in meinem Favoriten-Kanon etabliert, während ich mich andersherum von so genannten Grafikblendern distanzierte. Es hat jedenfalls eine Weile gedauert, bis ich mir den „Spaß“ an so manchem „Style over Substance“-Spiel eingestehen konnte – was auch für Defender of the Crown gilt.

Denn rein spielerisch gesehen steckt hier einiges im Argen: Ihr kämpft in einem äußerst simplen Strategiespiel um die Krone Englands, indem ihr Soldaten einkauft und Territorien einnehmt. Kleine Actionszenen, in denen ihr einem freundschaftlichen Turnier beiwohnt, die gefangene Maid aus einem feindlichen Schloss befreit oder per Katapult die gegnerische Burgmauer einreist, sorgen kaum für mehr Tiefe. Zudem könnt ihr einmalig Robin Hood (!) persönlich um Hilfe bitten, der euch für ein paar Runden ein paar Mannen zur Verfügung stellt. Allein mit denen könnt ihr halb England erobern und das Spiel ruckizucki gewinnen.

Da ich auch kein besonders guter Stratege bin, bleibt eigentlich nur ein Urteil: Defender of the Crown ist ein seichtes und viel zu leichtes Spiel, dass schnell langweilig wird… wenn da nicht diese grenzgeniale Präsentation wäre.

Ich hoffe inständig, dass auch die Generation von heute beim Anblick der Bilder eingestehen kann: Ja, es sieht recht schick aus. Ihr wollt gar nicht wissen, wie DAS anno 1986 gewirkt hat. Von der Farbschattierung bis zum Fotorealismus der Charaktere zeigte Defender of the Crown eine zuvor ungesehene Grafikpracht, die über Jahre hinweg als Referenz galt. Allein der Schattenwurf während eines Raubzugs ist unübertroffen – und nur die Animationen rissen einen von der Utopie heraus, hier ein lebensecht aussehendes Spiel vor Augen zu haben.

Die Musik ist technisch zwei Klassen schlechter, aber ebenfalls aufgrund ihres klassischen Stils eine lobende Erwähnung wert. Cinemaware machte jedenfalls mit Defender of the Crown ihrem Label alle Ehre, ein „cineastisches Spielerlebnis“ zu liefern.

Der gute, alte Heinrich Lenhardt gab damals der Grafik 95 und dem Spielspaß 43 Punkte – von jeweils 100 möglichen. Ersteres ist ohne Zweifel berechtigt, bei letzterem verstehe ich zumindest seine Argumentation. Denn die tolle Grafik würde bereits in der betreffenden Einzelwertung gelobt, während es mit der Spielsubstanz eher nicht so gut bestellt sei. Doch wie wir heute alle wissen, ist Anspruch kein Muss für Spaß. Defender of the Crown ist simpel und leicht – und trotzdem (oder vielleicht gerade deswegen) habe ich es mehrfach durchgespielt. So wie man eben einen Film mehrfach anschaut, dessen Ende man auch bereits im voraus kennt.

Die C64-Version ist im übrigen spielerisch besser, weil dort am Balancing und am Anspruch geschraubt wurde. Ich kann deshalb auch verstehen, warum sie von Manchem als besser eingestuft wird. Aber gleichwohl die Grafik unter den gegebenen Umständen hervorragend adaptiert wurde: Auf dem Amiga ist Defender of the Crown eine eigene Hausnummer, die jeden, der es gesehen hat, erschlagen hat. Und dann braucht es auch keine Spieltiefe mehr.

 

 

Defender_of_the_Crown