Game #278: Toonstruck

278-ToonstruckHersteller: Burst
Lead Designer: Richard Hare
Composer: Keith Arem
System: PC
Jahr: 1996

Wisst ihr noch, als das Point’n’Click-Genre so richtig mausetot war? Und die Fans darüber jammerten, wie es dazu gekommen sei? Toonstruck ist nicht direkt oder gar allein verantwortlich für die Grabesruhe, jedoch hat es unbewusst einen Teil zur „Katastrophe“ beigetragen. Publisher Virgin kooperierte gemeinsam mit Entwickler Burst Studio, um ein wahrlich episches wie sündhaft teuer produziertes Super-Adventure herzustellen – nur um damit eine unschöne Bruchlandung zu erleiden.

Der Aufwand bei Grafik, Story, Dialoge und Rätseldesign sucht jedenfalls seinesgleichen: Toonstruck gehörte anno 1996 zu den wenigen Nicht-LucasArts-Adventures, die von A bis Z rund wirkten und den Spieler nirgends mit derb unlogischen oder gar unfairen Puzzlespaßbremsen nötigten. Der Protagonist wird von niemand anderem als Christopher Lloyd gespielt, der einen erfolgreichen wie gestressten Comiczeichner mimt. Er landet auf mysteriöse Weise in seiner eigens gemalten Welt, die von einem üblen Schurken bedroht wird. Der ist imstande all die niedlich-harmlosen Figuren in ruchlos-widerspenstige Kreaturen zu verwandeln.

Fast das ganze Spiel über seht ihr Lloyd als digitales Abbild, wie er durch ein kunterbuntes sowie äußerst umfangreiches Comicsetting spaziert. Auch die Dialoge und das Rätseldesign gehören zum aufwändigsten, was das Point’n’Click-Genre je gesehen hat. Entsprechend teuer und fatal war der kommerzielle Misserfolg. Kein Wunder: Es gab keinen Vorgänger, Hersteller Virgin besaß keinerlei Reputation im Adventure-Milieau und die europäische Fassung zierte ein wirklich bemerkenswert abschreckendes Cover. Deshalb steht Toonstruck als Sinnbild dafür, warum selbst bis heute ein hohes Budget für ein stinknormales Point’n’Click-Adventure für bleiche Gesichter in jeder PR-Abteilung sorgt.

Ich kann euch hingegen sagen: Toonstruck ist in jedweder Hinsicht ein kleines Meisterwerk. Zwar ist die Geschichte nicht frei von infantilen Momenten und so manches Rätsel wirkt zeittechnisch gestreckt, doch unterm Strich reden wir hier über eines der rundesten und professionellsten Adventures überhaupt. Das einzige, was ich mir damals in jungen Jahren schön geredet habe, ist die deutsche Sprachausgabe – die ist im Nachhinein betrachtet schlicht entsetzlich ist. Aber zum Glück gilt dies nicht für das englische Original, das ihr unter anderem auf GOG erwerben könnt.

Zu guter Letzt bleibt noch ein Hoffnungsschimmer für alle Toonstruck-Fans: Obwohl die Geschichte durchaus ein passables Ende zu bieten hat, war von Anfang an die doppelte Menge geplant. Die zweite Hälfte sollte nachträglich in Form einer Fortsetzung erscheinen, die freilich aufgrund des fehlenden Erfolges nie grünes Licht bekam. Jedoch existiert genügend Film- und Bildmaterial, um ein potenzielles Toonstruck 2 selbst nach dieser langen Zeit zu realisieren. Einer der damaligen Entwickler, Keith Arem, besitzt angeblich die Rechte für das Spiel – und alle Jahre wieder keimt das Gericht von neuem auf, dass eine Veröffentlichung in der Tat noch im Raum steht. Es wäre jedenfalls mehr als verdient.

 

 

Toonstruck