Game #337 – To be on Top

337-To_be_on_TopHersteller: Rainbow Arts
Creator: Chris Hülsbeck
Composer: Chris Hülsbeck
System: C64
Jahr: 1987

Was macht ein gutes Spiel aus? Eine gute Spielbarkeit, ein abwechslungsreiches Spieldesign, eine interessante Geschichte und/oder eine zeitgemäße Präsentation. To be on Top versagt eigentlich in all den genannten Bereichen. Bereits das Konzept ist höchst fragwürdig: Als aufstrebender Jungmusiker ist es euer Ziel, die Charts mit eurem eigens komponierten Super-Hit zu stürmen. Zunächst setzt ihr euch vor den Fernseher und sammelt Inspirationen – oder besser gesagt kryptische Symbole in einem bockigen Geschicklichkeitsminispiel.

Danach begebt ihr euch zum Klavier, wo ihr euch für jeweils eine der „geklauten“ Melodien, Begleitungen, Bassläufen und Sequenzen entscheiden müsst. Mit dem Ergebnis trabt ihr zum Haus eures Freundes und setzt euch an dessen Synthesizer. Dort dürft ihr “eure“ Komposition entsprechend verfeinern, bevor ihr euch in eine Discothek begebt und den DJ je nach Qualität eurer Arbeit mit mehr oder weniger viel Alkohol abfüllen müsst, bevor er euch den Zugang zu einem echten Tonstudio verschafft.

Ihr könnt nach jeder dieser Stationen unten am Bildschirmrand sehen, ob euer Song bereits den Sprung in die Top Ten Charts geschafft hat und falls ja, auf welchem Platz er sich befindet. Steht er nach dem Besuch im Tonstudio mindestens auf Rang drei, dann werdet ihr zur Live-Aufführung eingeladen, während der ihr passend zum Takt Vocals und Drums beisteuern müsst.

Die gesamte Prozedur ist bemerkenswert einfallslos, die „Geschichte“ ergibt hinten und vorne keinen Sinn, die Steuerung ist hakelig, die Grafik richtig übel und die Chart-Platzierungen selten nachvollziehbar. Was zum Geier hat To be on Top also in dieser Liste zu suchen? Nun – es gibt einen einzigen Faktor, der den gesamten Karren aus den Dreck zieht und nicht nur mich anno 1987 in den Bann zog: die Musik.

Den Namen Chris Hülsbeck werdet ihr im Laufe der Top 365 noch öfters hören, weil kein anderer Mensch derart meinen Geschmack bezüglich Computer- und Videospiele geprägt hat. To be on Top ist eines der ersten Spiele, die er vertont hat, und das bislang einzige, bei dem er maßgeblich in Sachen Design, Programmierung sowie Grafik beteiligt war. In der Hinsicht besitzt Chris zugegeben wenig Talent, aber seine Künste als Soundtrackmagier sind damals wie heute atemberaubend.

Wer sich ein wenig mit C64-Musik auskennt und in dem Zusammenhang To be on Top hört, dem wird gleich die heftige Nutzung von Digi-Samples auffallen. In den meisten Spielen sind diese allenfalls im (nicht spielbaren) Intro zu hören, während hier all die Vocals sowie Digi-Drums in nahezu jeder Situation erklingen. Der Stil ist hörbar poppig und dancig, was ebenfalls kaum jemand anderes so gut auf dem alten C64 hinbekommen hat. Im Intro feuert er ein kerniges Schlagzeug-Solo nach dem anderen ab, das Hauptthema ist eine fabelhafte Symbiose aus Melancholie und Epik und die einzelnen Stücke während des Spiels bringen jeden Fuß zum Wippen.

Und natürlich ist auch die von euch gefertigte „Komposition“ in aller Regel ein Hörgenuß, denn schließlich kombiniert ihr nichts anderes als verschiedene Teilstücke, die Chris extra für sein Spiel entworfen hat. Demnach ist es kein Wunder, dass To be on Top trotz all seiner Defizite derart viel Laune macht und zu den ganz, ganz, ganz seltenen Ausnahmen gehört, in denen allein ein starker Soundtrack für viel Spaß sorgt.

Nachtrag: Natürlich wird To be on Top auch in der anderen Liste vorkommen – darüber sprechen wir aber erst nächstes Jahr (!).

 

 

To_be_on_Top