The Awardian: Best Game Directing 2014

Ganz ehrlich: Ich bin durchaus stolz darauf, dass dank meiner einer ein Preis für die “Beste Spielregie“ erstmals im Internet in irgendeiner Form mehr oder weniger „offiziell“ vergeben wurde – nämlich über meinem ehemaligen Auftraggeber DemoNews (wo leider nur noch die GOTY-Berichte ab 2009 zur Verfügung stehen). Das inzwischen die eine oder andere Veranstaltung auf die gleiche Idee gekommen ist (allen voran der DICE), zeigt mir zudem, das ich nicht alleine hinter dieser zugegebenermaßen skurrilen Idee stehe. Gleichzeitig ist es etwas schwer, den Sinn dahinter zu erklären – aber ich versuche es trotzdem.

Es geht mir um eine Auszeichnung, die explizit für den Regisseur und/oder den Projektleiter eines Spieles gedacht ist. Ähnlich wie bei Filmen braucht es “eine“ Hand, die das ganze Team führt und in die richtige Richtung lenkt. Letzteres ist das entscheidende Stichwort, denn schließlich heißt das englische Pendant dazu: “Best Director“.

Freilich deckt sich die Leistung oft mit der Qualität des eigentlichen Spieles – kein Wunder, denn wenn der Regisseur eine tadellose Arbeit abgeliefert hat, dann sollte auch das Ergebnis entsprechend gelungen sein. Aber ab und an macht es Sinn, den Unterschied zu erörtern. Während der Preis für das “Beste Spiel“ primär auf den resultierenden Spielspaß schielt, so wird der “Beste Regisseur“ anhand von Mut, Kompromisslosigkeit und dem Einhalten einer klar gezogenen Linie entschieden.

Abschließend eine kurze Erklärung bezüglich der Auswahl: Nicht jedes Spiel nennt einen “Director“ – in der Regel machen das nur die Japaner. Sollte kein Director im Abspann erwähnt werden, dann fällt die Wahl auf den Creative Director, den Game Director und/oder den Project Leader.

#10:

Bruce Straley & Neil Druckmann

(The Last of Us: Left Behind)

Left_BehindIch bin nicht der größte Fan von Left Behind, aber wenn ich dem Addon von The Last of Us etwas zu Gute halten muss, dann die überraschend ungewöhnliche Regie. Anstatt den Plot weiterzuspinnen (was eine fürchterliche Idee gewesen wäre), schnappen sich Bruce Straley und Neil Druckmann zwei Szenen, die im Original nur angedeutet werden. In der einen kämpft ihr wie gewohnt gegen Infizierte und Hunters, was den Kern des eigentlichen Actionspiels bildet.

In der anderen lernen wir Riley kennen, Ellies beste Freundin: Dieser Part ist rein spielerisch betrachtet völlig anders und erinnert eher an einen Interactive Novel. Des Weiteren deckt die Beziehung der beiden einige interessante Aspekte bezüglich Ellie auf, die ihrem Charakter nachhaltig eine besondere Note verleiht. Dafür Kudos.

#9:

Jordi de Paco

(Gods Will Be Watching)

Gods_Will_Be_WatchingEs ist ein hammerschweres Spiel, das die meisten zur Verzweiflung treibt. Viele waren verschreckt aufgrund des unbarmherzigen Zufallsgenerators, dem gnadenlosen Try-&-Error-Faktor und dem Fehlen einer “komfortablen“ Speicherfunktion. Doch als einer der größten Fans von Gods Will Be Watching, der es im höchsten Schwierigkeitsgrad durchgespielt hat und ohne dabei wahnsinnig zu werden, kann ich mit Fug und Recht behaupten: Dahinter steckt das Kalkül von Projektleiter Jordi de Paco.

De Paco will euch mit Gods Will Be Watching zur Verzweiflung treiben. Er will euch vor unangenehme Entscheidungen stellen und er will euch scheitern sehen. Gleichzeitig steckt das Adventure voller cleverer Elemente, die euch auf den zweiten Blick erstaunlich viel Spielraum und Hilfen geben. Ihr müsst zwar eure Taktik für jedes Kapitel aufs Neue definieren – aber auch das ist allein aufgrund der daraus resultierenden Abwechslung ein Plus für all jene, die nicht aufgeben.

Jedenfalls ist die Regie hinter Gods Will Be Watching eine der mutigsten des Jahres 2014, weil sie eine gnadenlose Linie fährt anstatt auf Marktanalysen zu vertrauen. Und wer genauer hinschaut und sich nicht von seinem eigenen Scheitern irritieren lässt, der entdeckt hinter der chaotischen Fassade eine ausgetüftelte Struktur.

#8:

Michael de Plater

(Mittelerde: Mordors Schatten)

Mordors_SchattenIm Grunde ist Mordors Schatten eine freche Kopie von Assassin’s Creed, was vehement gegen eine Würdigung der Spielregie spricht – wenn da nicht dieses wirklich brillante Nemesis-System wäre. Zunächst hört sich der Ansatz dahinter simpel und gewöhnlich an: Eure Gegner sind einer Hierarchie untergeordnet, in denen Haufen stinknormaler Ork-Soldaten von einer Handvoll Hauptmänner unterschiedlicher Rangordnung geleitet werden. Diese bestehen nicht nur aus vorgefertigten Charakteren, sondern werden nach ihrem Ableben (beispielsweise wenn ihr sie gekillt habt) durch eine zufallsgenerierte Persona ausgetauscht. Andersherum werden sie befördert, wenn ihr gegen sie im Kampf verliert. Zudem entstehen ganz von alleine Fehden und Feinschaften unter den Orks, weshalb sie sich gerne auch mal aufgrund ihrer Machtgier gegenseitig ausschalten

Die besondere Leistung dahinter ist die Suggestion, dass diese Hauptmänner immer etwas Besonderes darstellen, obwohl sie auf prozedurale Weise entstanden sind – was im Zuge der Technik bisweilen noch eine echte Seltenheit ist. Denn normalerweise riecht man schnell die Austauschbarkeit und die vom Computer bestimmenden Faktoren, während Mordors Schatten euch das Gefühl vermittelt, das alles “per Hand“ entwickelt wurde.

#7:

Alistair Hope

(Alien: Isolation)

Alien_IsolationNoch nie zuvor waren die Lager zwischen Kritikern und Zockern derart gespalten wie im letzten Jahr – und kein Spiel trägt mehr daran Schuld als Alien: Isolation. Auch ich bin völlig zwiegespalten, aber eines muss ich neidlos anerkennen: Wer mit den Macken klar kommt, der sitzt bis zum Ende Fingernägel knabbernd vor dem Bildschirm.

Alien: Isolation ist ein typischer Fall von “Es nicht jedermann Sache, aber die angesteuerte Zielgruppe wird bestens bedient.“ Es mag sein, dass die Unberechenbarkeit des Aliens zu unfairen Situationen führt oder das ständige Verstecken auf Dauer an den Nerven zehrt – aber konsequenter kann man so eine “Mensch versus Alien“ kaum durchzuziehen. Bonuspunkte gibt es noch für die akkurate Adaption der 1970er Jahre Scifi-Atmosphäre, die von der Optik bis zur Musik hervorragend funktioniert.

#6:

Michal Drozdowski & Przemyslaw Marsal

(This War of Mine)

This_War_of_MineEgal ob Spiel oder nicht: Drozdowski und Marsal haben ein sehr gewagtes Konzept knallhart umgesetzt und dies rein von der Story her betrachtet ohne Kompromisse. Hier seid ihr wirklich am Leiden und Zweifeln, inwiefern Krieg “spielen“ Spaß machen soll – was auch die Intension der Entwickler war.

Der Hauptgrund, warum ich This War of Mine nicht noch höher platziere, liegt am eher biederen Spielkonzept. Es leiht sich einerseits Elemente aus zahlreichen Ecken, sei es Adventure, Action oder Strategie. Aber letztlich wirkt das Durchsuchen von zerfallenen Häusern, das Kochen einer warmen Mahlzeit oder das Abwägen von Entscheidungen immer etwas seicht. Ironischerweise sorgt auch dies dafür, dass kein wirklicher “Spaß“ aufkommt. Und genau das will dieses “Spiel“ ja auch erreichen…

#5:

Kris Piotrowski

(Super Time Force)

Super_Time_ForceEs gibt jedes Jahr einen Titel, bei dem ich mich ernsthaft frage, wieso er so relativ “schlecht“ bei der Fachpresse weg gekommen ist. 2014 hat es Super Time Force erwischt, das eigentlich alle Elemente für einen modernen Klassiker besitzt. Es ist ein furioses Action-Jump’n’Run in einer besonders Effekt-gespickten Retro-Kulisse und mit einem originellen wie clever umgesetzten Spielprinzip.

Spiele (oder auch Filme) mit Zeitreisen gibt es wie Sand am Meer und trotzdem kitzelt Super Time Force etwas völlig eigenständiges aus der “ausgelutschten“ Thematik. Allein die Idee, es als immer funktionierendes Element in einem gewöhnlichen Sidescroller einzusetzen, klingt gewagt. Durch das resultierende Vervielfachen der eigenen Spielfigur entstehen wiederum abenteuerliche Massenschlachten, die gleichzeitig dank der stets gegebenen Pause- und Rückspul-Funktion stets überschaubar bleiben.

Dazu gesellt sich eine aberwitzige Story, die sowohl das Zeitreisethema als auch sich selbst herrlich aufs Korn nimmt. Erneut ist diese Brillanz dem Creative Director Kris Piotrowski zu verdanken, der ein gewagtes sowie auf den ersten Blick chaotisch erscheinendes Konzept in ein erstaunlich gut durchstrukturiertes Korsett gezwängt hat. Anders ausgedrückt: Bei der Prämisse hätte man einiges verdammt falsch machen können…

#4:

Mike Laidlaw

(Dragon Age: Inquisition)

Dragon_Age_InquisitionEines hat das Jahr 2014 klar gemacht: Ein Triple-A-Blockbuster ist kein Garant mehr für einen hohen Metacritic-Schnitt. Ein Spiel, das mehr aus Geld und weniger aus Liebe besteht, riecht inzwischen jeder Meilenweit gegen den Wind. Es reicht nicht mehr aus, hunderte Millionen Dollars zu verpulvern – und BioWare zeigt einsam der Konkurrenz, wie es funktioniert.

Nachdem Dragon Age 2 für viele eine kleine Enttäuschung war, klotzt Inquisition aus jeder Pore. Frei nach dem Motto „größer, schöner, weiter“ verzaubert euch das Epos mit seiner faszinierenden Spielwelt und einer herausragenden Inszenierung. All das gehört jongliert, gedreht und gerichtet, damit keine Ecke zu sehr herausragt und kein Element in der Belanglosigkeit versandet.

Die Spielregie von Dragon Age: Inquisition ist deshalb brillant, weil trotz der Masse, die darin steckt, nahezu jeder Aspekt funktioniert und miteinander harmoniert. Es mag auf dem Papier wie eine monumentale Auftragsarbeit aussehen – aber man fühlt einfach, dass darin mehr als nur der Wunsch nach einem möglichst hohen Profit steckt.

#3:

Yusuke Hashimoto

(Bayonetta 2)

Bayonetta_2Ich habe mir lange überlegt, wo ich Bayonetta 2 platzieren soll. Denn eigentlich hat es das Pech im Schatten seines Vorgängers zu stehen, der (wie schon so oft erwähnt) in nahezu jeder Hinsicht ähnlich stark war. Wieso also gehört die Regie von Yusuke Hashimoto extra gewürdigt, wenn er doch “nur“ seinen Vorgänger kopiert hat?

Zum einen ist es nicht so leicht, eine derartige “Kopie“ zu gestalten und dem Spiel trotzdem eine gewisse Form der Frische zu geben. Obwohl ich das alles so schon mal gespielt habe, würde ich dem Titel locker eine klassische 90%-Wertung zugestehen – normalerweise bei mir ein “No-Go“. Zum anderen ist Bayonetta 2 vielleicht der einzige groß produzierte Titel, der sich wie ein Kind der Entwickler und nicht eines für die Masse anfühlt. Wo andere große Namen unzählige Kompromisse eingingen, da spürt ihr in jeder Faser von Bayonetta 2 die Anarchie, das Chaos und die Abgedrehtheit seines legendären Vorgängers. Der war zwar beliebt, aber kein Megaerfolg – und trotzdem wurde beim Nachfolger rein gar nichts ver-“causalisiert“.

Last but not Least ist die Choreographie der Zwischensequenzen und deren Verbindung mit dem eigentlichen Spiel eine Klasse für sich. Mal wieder.

#2:

Neil McFarland

(Monument Valley)

Monument_ValleyDie Idee eines Awards, der explizit die Spielregie würdigt, ist aufgrund solcher Titel wie Monument Valley entstanden. Hinter der faszinierenden Kombination aus Puzzlespiel und Eshergrafik gehört definitiv ein Visionär, der seine brillante wie fixe Ideen auf die bestmögliche Weise umsetzt und damit gegebenenfalls Barrieren durchbricht.

Monument Valley ist bislang nur für iPad und Android-Systeme erhältlich – und selbst wenn irgendwann eine PC-Umsetzung folgen sollte, so dürfte sie ohne Touchscreen nicht den gleichen Reiz besitzen. Monument Valley ist nicht nur ein Spiel, das interessant aussieht und clever designt ist: Es gibt kaum einen Titel, der explizit durch das Antippen und Wischen auf einem Tablet so schön motiviert.

Bonuspunkte gibt es für die fabelhaften DLCs, die das Spiel immer noch in einem angenehmen Preisrahmen halten und gleichzeitig einige interessante, neue Elemente offenbaren.

#1:

Davor Hunski & Alen Ladavac*

(The Talos Principle)

The_Talos_PrincipleWas habe ich zuletzt geschrieben? Es gab bisweilen nur vier Spiele, die intern bei “meinen“ Awards in den Kategorien Konzept und Design auf Platz eins gelandet sind – und gerade mal die Hälfte (!) davon heimste obendrein den Preis für die beste Spielregie ein (The Legend of Zelda und Braid).

Wieder bin ich einfach nur baff, wie wenig Lobpreisung The Talos Principle erfahren hat, denn es ist wirklich ein durch und durch herausragend durchdachtes Spiel. Wo so viele andere Puzzletitel auf halber Strecke schwächer werden oder trotz ihrer auf den ersten Blick interessanten Idee unausgegoren wirken, so funktioniert The Talos Principle von vorne bis hinten. Die Entwickler haben es zudem geschafft, ein Denkspiel mit einer ernsten Geschichte und einer starken Atmosphäre auszustatten – das haben nicht einmal Portal oder Braid derart gut hinbekommen.

Der Hauptgrund für den Preis der besten Spielregie ist folgender: Die einzelnen Element mögen auf dem Papier altbacken oder ausgelutscht klingen. Aber Hunski und Ladavac haben sie so geschickt ausgebaut, miteinander kombiniert und in einer derart für das Genre ungewöhnliche Präsentation gepackt, dass etwas völlig Eigenständiges herausgekommen ist. Man merkt, dass die Brainstormingsitzungen weit, weit, weit über das Erdenken der Grundidee hinausgegangen ist. Und das ist eine Leistung, die gefeiert und gewürdigt gehört.

* Anmerkung: In den Credits wird neben Hunski und Ladavac ein dritter Mann unter “Spiel-Regie & Design“ aufgeführt, nämlich Davor Tomicic. Jedoch wird er im Gegensatz zu seinen beiden Kollegen nicht als “Project Lead“ bezeichnet, zudem die Bezeichnung “Regie & Design“ offen lässt, inwiefern die beiden Jobs als Regisseure und Designer hier in einen Topf geworfen wurden. Darüber hinaus wird Davor Tomicic im ganzen, weiten Internet nirgends als “Regisseur“ oder “Projektleiter“ von The Talos Principle, sondern stets als “Designer“ bezeichnet.

Honorable Mentions: Swen Vincke (Divinity – Original Sin), Jason Stilwell (Hearthstone), Adrian Chmielarz (The Vanishing of Ethan Carter), Sean Velasco (Shovel Knight), Chris Brion (South Park – The Stick of Truth)