Oscar-Gewinner 2014/2015: Birdman über alles

Bis zum Schluss habe ich hin und her überlegt – also nicht, wer den Oscar gewinnt… sondern wem ich es am meisten wünsche. Unmittelbar davor habe ich mir extra noch einmal Birdman und Boyhood angeschaut. Ich entschied mich letztlich für letzteren Film… und nach der Verleihung habe ich die traurige Gewissheit, dass er für mich die „richtige“ Wahl gewesen wäre.

Man soll mich bitte nicht falsch verstehen: Birdman ist ein würdiger Preisträger, für alle vier Oscars, die er bekommen hat. Beim Drehbuch bin ich sogar höchst erfreut, weil ich dort auf das Dialog/Monolog-lastige The Grand Budapest Hotel getippt hatte. Kamera und Regie sind auch auf allerhöchstem Niveau. Aber der Sieg geht zu Lasten von Boyhood, der jetzt tatsächlich mit einem Preis für die beste Nebendarstellerin abgespeist wurde. Selbst den Filmschnitt hat Linklaters Meisterwerk gegen Whiplash verloren – wie von mir “befürchtet“.

Obwohl die Sieger alle hoch verdient sind (von bester animierter Film abgesehen, dazu gleich mehr), macht es mich sehr traurig, dass Richard Linklater nun gar keinen Oscar bekommen hat. Zwölf Jahre lang hat er an Boyhood gesessen und ein in meinen Augen makelloses Werk auf die Beine gestellt. Das Problem ist jedoch, dass jene, die sich nicht von der Faszination des Filmes anstecken konnten, es nicht verstehen. Sie sehen Boyhood als ein überbewertetes wie überlanges Experiment, dass ohne sein grundlegendes Konzept nichts wert wäre.

Ich frage mich nur: Was habe ich dann gesehen? Warum hat mich dieser Film so angefixt? Und wieso ging es nicht nur mir so, sondern auch den Golden Globes, den BAFTAs und unzähligen Kritikern, die für einen Metacritic-Schnitt von 100% (!) sorgten?

Birdman hat heute eine Statistik übertölpelt, die längst in die Mottenkiste gehörte: Er hat Best Picture gewonnen, ohne für den Besten Filmschnitt überhaupt nominiert zu sein. Das gab es zuletzt 1980/1981 mit Robert Redfords Eine ganz normale Familie. Noch interessanter ist, dass es die erste “Komödie“ seit Woody Allens Stadtneurotiker ist, die bei den Globes in der entsprechend Kategorie verlor und nun bei den Oscars groß abgeräumt hat.

Ansonsten: Die Verleihung war in der Tat bezüglich des Ausgangs ein wenig spannender als im letzten Jahr – und ich sollte recht behalten, nicht auf meinen eigenen Geschmack zu tippen. 20 mal lag ich richtig, dreimal kam der Runner-Up zum Zuge – das ist ganz o.k. Nur frage ich mich ernsthaft, was beim Besten animierten Film passiert ist: Ausgerechnet in dem Jahr, wo der Best-Picture-Gewinner eine Ohrfeige für den ganzen Superheldenhype darstellt, da gewinnt im Trickgenre nicht der klassische Fantasystreifen Drachenzähmen leicht gemacht 2, sondern der Underdog Baymax… mit der Hilfe von SUPERHELDEN!!! Das wirkt schon ein wenig paradox.

Am meisten gejubelt habe ich bei:

  • Eddie Redmayne für bester Haupdarsteller (er war besser als Keaton, sorry)
  • The Grand Budapest Hotel für beste Musik (Alexander Desplat hat ihn!)
  • Birdman für bestes Drehbuch (die wahre Stärke des Films)
  • Glory für bester Song (mehr wegen der Live-Performance und den epischen Standing Ovations)
  • Liebe geht durch den Magen für bester animierter Kurzfilm (der Hund ist einfach zuckersüß)

Noch was zu berichten? Nun:

  • Die Academy war diesmal generös, denn jeder Best-Picture-Kandidat hat immerhin einen Preis bekommen – das passiert auch nicht immer.
  • Abseits von Birdman hat auch The Grand Budapest Hotel zwei Oscars gekriegt, wenn auch nur in den kleinen “Nebenkategorien“.
  • Abseits der Sonderkategorien gab es nur zwei Filme, die nun Oscar-prämiert sind, obwohl sie NICHT für Best Picture nominiert waren (Still Alice und Interstellar).
  • Der Albtraum vieler Blogger ist nicht wahr geworden: 300 Millionen Dollar reichen nicht, um ein American Sniper mir dem Filmpreis aller Filmpreise auszuzeichnen.
  • Der Auftritt von Lady Gaga und Julie Andrews sollte in die Geschichtsbücher eingehen. Das war wirklich groß!

Und was Neal Patrick Harris anbelangt: Der wird gerade in diversen Oscar-Foren heftigst zerrissen. Ich fand ihn eigentlich nicht so schlecht, allerdings bedeutend nervöser als bei den Emmys und die Witze wirkten eine ganze Ecke gezwungener. Aber allein sein Gag über John Travolta war königlich. Und besser als Franco plus Hathaway war er in jedem Fall.

Bester Film

American Sniper
Birdman !WINNER!
Boyhood
The Grand Budapest Hotel
The Imitation Game
Selma
Die Entdeckung der Unendlichkeit
Whiplash

Beste Regie

Alejandro Gonzales Inarritu (Birdman) !WINNER!
Richard Linklater (Boyhood)
Bennett Miller (Foxcatcher)
Wes Anderson (The Grand Budapest Hotel)
Morten Tyldum (The Imitation Game)

Bester Hauptdarsteller

Steve Carell (Foxcatcher)
Bradley Cooper (American Sniper)
Benedict Cumberbatch (The Imitation Game)
Michael Keaten (Birdman)
Eddie Redmayne (Die Entdeckung der Unendlichkeit) !WINNER!

Beste
Hauptdarstellerin

Marion Cotillard (Zwei Tage, eine Nacht)
Felicity Jones (Die Entdeckung der Unendlichkeit)
Julianne Moore (Still Alice) !WINNER!
Rosamund Pike (Gone Girl)
Reese Witherspoon (Wild)

Bester Nebendarsteller

Robert Duvall (The Judge)
Ethan Hawke (Boyhood)
Edward Norton (Birdman)
Mark Ruffalo (Foxcatcher)
J.K. Simmons (Whiplash) !WINNER!

Beste Nebendarstellerin

Patricia Arquette (Boyhood) !WINNER!
Laura Dern (Wild)
Keira Knightley (The Imitation Game)
Emma Stone (Birdman)
Meryl Streep (Into the Woods)

Bestes Drehbuch (adaptiert)

American Sniper
The Imitation Game !WINNER!
Inherent Vice
Die Entdeckung der Unendlichkeit
Whiplash

Bestes Drehbuch (original)

Birdman !WINNER!
Boyhood
Foxcatcher
The Grand Budapest Hotel
Nightcrawler

Beste Kamera

Birdman !WINNER!
The Grand Budapest Hotel
Ida
Mr. Turner
Unbroken

Beste Kostüme

The Grand Budapest Hotel !WINNER!
Inherent Vice
Into the Woods
Maleficent
Mr. Turner

Bester Filmschnitt

American Sniper
Boyhood
The Grand Budapest Hotel
The Imitation Game
Whiplash !WINNER!

Bestes Make-up und Haarstyling

Foxcatcher
The Grand Budapest Hotel !WINNER!
Guardians of the Galaxy

Beste Originalmusik

The Grand Budapest Hotel !WINNER!
The Imitation Game
Interstellar
Mr. Turner
Die Entdeckung der Unendlichkeit

Bester Song

Everything is Awesome (The LEGO Movie)
Glory (Selma) !WINNER!
Grateful (Beyond the Lights)
I’m Not Gonna Miss You (Glen Campbell: I’ll Be Me)
Lost Stars (Begin Again)

Bestes Produktionsdesign

The Grand Budapest Hotel !WINNER!
The Imitation Game
Interstellar
Into the Woods
Mr. Turner

Bester Tonschnitt

American Sniper !WINNER!
Birdman
Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Armeen
Interstellar
Unbroken

Bester Ton

American Sniper
Birdman
Interstellar
Unbroken
Whiplash !WINNER!

Beste visuelle Effekte

The Return of the First Avenger
Planet der Affen: Revolution
Guardians of the Galaxy
Interstellar !WINNER!
X-Men: Zukunft ist Vergangenheit

Bester animierter Film

Baymax !WINNER!
Die Boxtrolls
Drachenzähmen leicht gemacht 2
Song of the Sea
Die Legende der Prinzessin Kaguya

Bester Dokumentarfilm

CITIZENFOUR !WINNER!
Finding Vivian Maier
Last Days in Vietnam
Das Salz der Erde
Virunga

Bester fremdsprachiger Film

Ida (Polen) !WINNER!
Leviathan (Russland)
Tangerines (Estland)
Timbuktu (Mauretanien)
Wild Tales (Argentinien)

Bester Kurzfilm

Aya
Boogaloo and Graham
Butter Lamp (La Lampe Au Beurre De Yak)
Parvaneh
The Phone Call !WINNER!

Bester Kurzdokumentarfilm

Crisis Hotline: Veterans Press I !WINNER!
Joanna
Our Curse
The Reaper
White Earth

Bester animierter Kurzfilm

The Bigger Picture
The Dam Keeper
Liebe geht durch den Magen !WINNER!
Me and My Moulton
A Single Life